Hans Grodotzki gewinnt die Silbermedaille über 10.000 m in Rom1960 und ist damit der erfolgreichste 10.000 m Läufer Deutschlands. Foto: ©Bildarchiv Heinrich v. d. Becke im Sportmuseum Berlin
Zweifacher Silbermedaillen-Gewinner Hans Grodotzki wird 85 Jahre alt – Einziger deutscher Medaillengewinner bei Olympia in Rom 1960 über 10.000m
Hans Grodotzki, der zweifache Silbermedaillen-Gewinner bei den Olympischen Spielen in Rom 1960, vollendet am Ostersonntag, dem 4. April, sein 85. Lebensjahr.
Der Jubilar wurde damals mit der gesamtdeutschen Olympia-Mannschaft zweiter über 5.000m und ebenfalls zweiter über 10.000m und ist damit bis heute der einzige deutsche Läufer, der zwei Medaillen gleichzeitig bei einen und denselben Olympischen Spielen gewinnen konnte.
Über 10.000m ist er sogar bis heute der einzige Deutsche, der jemals eine Medaille über diese Distanz gewann; über 5.000m folgte ihm vier Jahre später in Tokio Harald Norpoth ebenfalls mit Silber.
Hans Grodotzki wurde in Preußisch-Holland (heute Paslek, Polen) geboren. Hier wird er bis heute als ein „berühmter Sohn der Stadt“ geehrt, übrigens u.a. zusammen mit dem ebenfalls dort geborenen früheren Stabhochspringer und Leichtathletik-Trainer Karl-Heinz Balzer (1921-2007), dem Ehemann von Karin Balzer (1938-2019), Goldmedaillen-Gewinnerin von Tokio über 80m Hürden und Mutter des Weltklasse-Hürdensprinters Falk Balzer (geb. 1973) – zurück zu Hans Grodotzki:
Der wuchs in der Nähe von Erfurt auf, ging als Bergmann im Kali-Bergbau unter Tage und war zunächst im Fußball und Tischtennis aktiv, bis er als 18-Jähriger zufällig bei einem Laufwettbewerb mit seiner enormen Grundschnelligkeit auffiel und in die Leichtathletik-Abteilung des SC Aktivist Brieske Senftenberg delegiert wurde.
Ab 1956 trainierte er als Soldat beim ASK Erfurt, 1958 erhielt er eine Delegation nach Potsdam und konnte hier in einer Trainingsgruppe beim ASK Vorwärts Berlin im Stadion Luftschiffhafen Potsdam sein großes Talent kontinuierlich weiterentwickeln: Die Olympischen Spiele 1960 in Rom sollten sodann der absolute Höhepunkt in seiner Karriere als Langstreckenläufer werden.
Ausschnitt (rechts unten) der Stele von Hans Grodotzki in Potsdam – Foto: Horst Milde
Den 10.000m-Lauf von Rom am 8. September 1960 schloss er nicht nur hinter dem Russen Pjotr Bolotnikow als zweiter ab, sondern krönte ihn auch mit einem deutschen Rekord und seiner persönlichen Bestzeit von 28:37,0 Min.: „Es gab damals in Rom keine Vorläufe über 10.000m, nur dieses Finale mit 32 Läufern, von denen einige bald überrundet wurden. Da musste man hellwach sein, um immer zu wissen, wo hinten und vorne war“, erinnert sich „Der blonde Hans“, wie er in der Leichtathletikfamilie bis heute freundschaftlich genannt wird.
Auch über 5.000m erzielte Grodotzki in Rom mit 13:44,6 Min. seine persönliche Bestzeit. Einen Weltrekord im 15km-Straßenlauf hatte er schon 1959 in Torgau aufgestellt. Zwei Monate vor Rom war er als erster Deutscher die 10.000m unter 29 Min. gelaufen: 28:57,8 Min. am 17. Juli in Schweinfurt. Seine Bestzeit über 1.000m liegt bei 2:24,8 Min.
Hans Grodotzki (r.) beim Spaziergang am 2. April 2021 im Potsdamer Luftschiffhafen – Foto: Horst Milde
Seine Karriere musste Hans Grodotzki 1962 nach einem Achillessehnenriss während eines Ausscheidungsrennens zur Europameisterschaft unterbrechen und zwei Jahre später ganz beenden.
Er absolvierte ein Studium an der Pädagogischen Hochschule Potsdam, das er als Diplom-Sportlehrer abschloss. So konnte er als hauptberuflicher Trainer bzw. Sportoffizier bei ASK Vorwärts Potsdam und später als Zivilangestellter bei der Nationalen Volksarmee der DDR tätig werden. Nach der Wende verschlug es ihn in die Verwaltung der Sportschule der Bundeswehr nach Warendorf: „Ich habe immer ein gutes Verhältnis allen Sportlern gegenüber einschließlich der westdeutschen Kameraden gepflegt,“ blickt Grodotzki zufrieden auf vergangene Zeiten zurück.
Hans Grodotzki mit seiner eigenen Stele im Potsdamer Luftschiffhafen, die die Stadt Potsdam für ihre Olympiasieger/-innen aufgestellt hat. – Foto: Horst Milde
Der Deutsche Leichtathletik-Verband hat ihn gleich 1991 stellvertretend für die Aktiven in der DDR-Leichtathletik mit dem Rudolf-Harbig-Preis ausgezeichnet. Die Straßenlaufvereinigung German Road Races verlieh ihm 2014 bei der Jahresversammlung in Hamburg den „Ehrenpreis für sein erfolgreiches Lebenswerk“.
GRR-Preisträger 2014 (mit v.l.): Hans Grodotzki (GRR-Award für die Sportliche Lebensleistung), Alina Reh (GRR-Nachwuchs-Förderpreis), Patrick Karl (GRR-Nachwuchs-Förderpreis) und Günther Scheefer (GRR-Trainerpreis). Foto: ©Heinfried Maschmeyer
Hans Grodotzki, dem eine Ehrenmitgliedschaft bei Rot-Weiß Erfurt zuteil wurde, weil dort seine große Laufbahn Fahrt aufnahm, und der als treues Vereinsmitglied beim FC Schalke 04 gerade auf bessere Zeiten hofft, lebt seit 1964 in der Waldstadt I in Potsdam. Da liegt es nahe, dass er sich auch im neuen Lebensjahr weiterhin mit täglichen Waldspaziergängen in der unmittelbaren Nähe fit hält – ein Denkmal zu Lebzeiten ist ihm schon in Form einer Stele im benachbarten Stadion Luftschiffhafen gesetzt worden, wo alle Olympiamedaillengewinner aus Potsdam namentlich aufgeführt sind.
Hans Grodotzki übergibt dem Sportmuseum Berlin die DVfL Rekord-Medaille (Deutscher Verband für Leichtathletik der DDR) für seinen deutschen Rekord über 10.000 m in 28:37,0 bei den Olympischen Spielen in Rom am 8.9.1960.
Silber: Hans Grodotzki (lks.) – Gold: Pjotr Bolotnikow (UdSSR) 28:32,2 (OR) – Bronze: David Power (AUS) 28:38,4 – Foto: privat
Hans Grodotzki hat sogar eine eigene … als einziger Potsdamer Medaillengewinner damals in Rom! Und die Plakette für den Deutschen Rekord über 10.000m hat inzwischen einen Platz im Berliner Sportmuseum gefunden.
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
Deutsche Rekorde:
3000 Meter:
7:58,4 min am 14. Juni 1959 in Warschau
7:54,6 min am 30. Juli 1960 in Potsdam
10.000 Meter:
29:08,8 min am 17. Juli 1959 in Oslo
28:57,8 min am 17. Juli 1960 in Schweinfurt
28:37,0 min am 8. September 1960 in Rom