Symbolfoto - Foto: Horst Milde
Zwei Slowenen in Frankreich: Wie Roglic und Pogacar die Tour de France aufmischen – Von KLAUS BLUME
Geht’s nicht ein bißchen bescheidener? Von „einer slowenischen Invasion“ wähnte die sonst eher sachliche Deutsche Presseagentur (dpa) die 107. Tour de France heimgesucht zu sein.
Diese „Invasion“ üben gerademal zwei Rad-Profis aus dem früheren jugoslawischen Slowenien aus: Der ehemalige Skispringer Primus Roglic – seit Sonntag im Gelben Trikot des Gesamtführenden – und dessen Landsmann Tadej Pogacar. Dieser steht im Sold der Vereinigten Arabischen Emirate.
Zwei also von insgesamt 176 Startern mischen diese Tour auf – und das soll gleih eine Invasion sein? Zugegeben, Roglic gehörte schon beim Tour-Start vor einer Woche im heißen Nizza zu den Top-Favoriten dieser wegen Corona in den Herbst verlegten Frankreich-Rundfahrt. Dass er – einer der Top-Stars der internationalen Szene – nun als erster Slowene das Gelbe Trikot des Gesamtführenden erobert hat – wen wundert es?
Weit aufregender ist, was dessen erst 21-jähriger Landsmann Tadel Pogacar derzeit vollbringt. Als er vor dem ersten Ruhetag dieser Tour die strapaziöse Pyrenäen-Etappe in Lauras gewonnen hatte, sagte er, ohne erst einmal Luft zu schnappen: „Ich erhole mich gut und weiß nicht, wie viele Etappen ich fahren muss, um mich schlecht zu fühlen. Ich habe mich letztes Jahr in keinem Rennen schlecht gefühlt und hoffe, dass ich das auch in dieser Saison nicht erleben muss.
Nicht wenige der erfahrenen Experten verglichen den jungen Slowenen wohl auch deshalb am ersten Ruhetag bereits mit dem kolumbianischen Vorjahrssieger Egan Bernal. Doch Pogacars Betreuer, der frühere slowenische WM-Dritte Andrej Hauptman (2001), hält dagegen: „Bernal ist Bernal, Tadej ist Tadej.“ Und erklärt, Pogacar sei sicher einer der außergewöhnlichsten Ausdauersportler unserer Zeit, doch er müsse seine Stärken erst noch entwickeln.
Über Erfahrungen verfüge der junge Mann trotz seiner erst 21 Jahre jedoch wie kaum ein anderer. Mit acht Jahren saß er bereits im Rennsattel und sammelte seitdem Sieg um Sieg. Pogacar erinnert sich: „Ich war acht Jahre alt, als ich mit dem Radsport begann. Ich bin mit Jungs gefahren, die zwei Jahre älter waren als ich, weil wir in Slowenien keine Kategorie für Fahrer hatten, die so jung waren wie ich. Es waren Rennen mit nur wenigen Runden auf einer drei Kilometer langen Strecke , aber ich habe immer gewonnen. Technisch gesehen war ich viel zu jung, um an diesen Rennen teilzunehmen. Aber ich hatte keine Wahl.“
In Slowenien hatte der Radsport – trotz Roglic und Pocagar – kaum Anhänger, „denn bei uns gibt es im Grunde bis heute keine Fahrradkultur“, erzählt Hauptman. Pocagar ergänzt: „In unserer Kleinstadt Kommende habe ich mich trotzdem immer für Ausdauersport interessiert, fürs Radfahren und Laufen.“ Er habe stets geschwankt, ob er Laufen oder Radfahren solle.
Als ihm sein Bruder Tilan jedoch das Radfahren beigebracht habe, „war das meine erste Wahl.“ Es sollte sich lohnen. Im letzten Jahr belegte Pogacar auf der dreiwöchigen Spanien-Rundfahrt bereits den dritten Platz – Roglic gewann. Pogacar hätte mehr erreichen können, wenn er bei den Mannschaftsbesprechungen mal mit der Faust auf den Tisch gehauen hätte, „aber selbst nach einer Kanne Kaffee bleibt er immer völlig ruhig. Nur im Rennen, da ist er ein echter Krieger“, sagt Hauptmann.
Nach der ersten Tour-Woche trennen Pogacar nun 45 Sekunden vom Gelben Trikot seines Landsmanns Roglic. „Aber keine Bange“, sagt Hauptman, „Tadej ist viel besser als vor zwei Wochen. Er ist schnell und intelligent und er kann bei dieser Tour noch alles auf den Kopf stellen.“
Nur von einer „slowenischen Invasion in Frankreich“ will keiner von Beiden etwas wissen – nicht Pogacar und auch nicht Andrej Hauptmann.