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11
2019

Foto: Hannover Marathon

Zum Tode von Raymond Poulidor – Ein Mythos, der sich nicht erklären lässt – Von KLAUS BLUME

By GRR 0

Er hat nie die Tour de France gewinnen können. Denn da standen ihm andere im Weg: Erst sein französischer Landsmann  Jacques Anquetil, später der Belgier Eddy Merckx. Doch ohne Raymond Poulidor ist die Tour nicht denkbar.

Wäre die Frankreich-Rundfahrt nur halbwegs erzählt. Das trifft auch auf die Geschichte des Radsports- und damit des Ausdauersports.  Raymond Poulidor verkörperte sie wie kein zweiter. In der Nacht zum Mittwoch ist der Franzose in seinem Wohnort Saint-Léonard-de-Noblat gestorben. Er wurde 83 Jahren alt.

Fünfmal beendete Poulidor die Tour als Dritter, dreimal als Zweiter. Andere haben gewonnen und wurden längst vergessen. Nicht aber Poulidor. Denn er war eine riesige französische Volksfigur – und damit weit mehr als nur irgendein Radrennfahrer. Als seine Karriere in der Abenddämmerung der 70er Jahre endete, liebten die Massen ihren „Poupou“ schon wie keinen anderen französischen Sportler. Bei jedem Tour-Etappenstart – auch im letzten Juli – versammelten sich um ihn mehr Fans, als um die aktuellen Stars. Und hörten seinen Erzählungen atemlos zu. Vielleicht, weil Poulidor immer ein gelassene Mann mit einer natürlichen Einfachheit geblieben war; einer, mit dem jeder reden konnte, so, wie mit seinem Nachbarn. Ungekünstelt, vertraut. Damit entsprach seine Popularität zumindestens dem der großen Gewinner. Der fünfmalige Tour-Triumphator Bernard Hinault: „Poulidor war eben ein Mythos, und so etwas lässt sich nicht erklären.“ Und wird es bleiben.

Denn „Poupou“ verkörperte Frankreich wie kaum jemand anderer. Der renommierte französische Journalist Philippe Brunel vermutete in der Sportzeitung „L’Equipe“: „Raymond Poulidor ist wohl der beliebteste Radfahrer aller Zeiten.“ Denn er erinnerte an die Tage von General de Gaulle und Georges Pompidou. An die Anfänge von Johnny Hallyday. An große französische Filme. Raymond Poulidor war stets das Symbol eines gewissen Frankreichs – eines sorglosen Frankreichs. Ein Phänomen der Langlebigkeit, vor allem der Popularität. Ohne das oft unglückliche Gelbe Trikot zu tragen, wurde er zum Symbol eines glücklichen Frankreichs.

Denn seine Erfolgsgeschichte ist weit mehr wert als das Gelbe Trikot, nach dem er jahrelang vergeblich gejagt hat: Er war ein gewaltiger Kämpfer, ein exzellenter Kletterer, ein gewiefter Taktiker. Wobei sich Raymond Poulidor nicht nur auf die Tour de France konzentrierte; er gewann die Spanien-Rundfahrt 1964, zwei berühmte Eintags-Klassiker mit Mailand-San Remo (1961) und dem Wallonischen Pfeil (1963); ihm gelang das Doppel bei der Fernfahrt Paris-Nizza (1972 und 1973) und beim Dauphiné Libere (1966 und 1969).

Er sagte einmal: „Die Bewunderung der Öffentlichkeit hat mir nicht gedient. Ich wünschte, es wäre stattdessen öfter gezischt worden.“ Stattdessen haben sie ihm zugejubelt. Vielleicht auch deshalb: „Ich war ein Bauernsohn, wir haben das Land bearbeitet, ein armes Land, ein Land ohne Beziehung, aber wir waren nie unglücklich. Wir haben jeden Tag Fleisch gegessen, aber wir hatten nie Geld in der Tasche. Über Nacht wurde ich Profi und über Nacht hatte ich auf einmal alles. Was willst du, ich ließ mich leben! Abends hatte ich den Mechaniker, der sich um mein Fahrrad kümmerte, ich habe gut gegessen, ich habe gut geschlafen, ich hatte eine kleine monatliche Zahlungen zu leisten. So fing alles an.“

Und es wurde immer besser.

Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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