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26
09
2020

Altar in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche - Foto: Horst Milde

Wir laufen trotzdem! Gott sei Dank! Virtuelles Ökumenisches Marathongebet zum BMW BERLIN-MARATHON in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am 26. September 2020

By GRR 0

Liebe Marathon-Gemeinschaft,

in diesem Jahr können nicht 50.000 Menschen zum BMW BERLIN-MARATHON an den Start gehen. In diesem Jahr werden wir uns nicht an der blauen Linie orientieren.

In diesem Jahr werden wir uns am Vorabend nicht in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-kirche mit ihrem wunderbaren blauen Licht treffen, um auf Gott zu hören, zur Ruhe zu kommen und uns zu orientieren für unsere Wege.

„Wir cannot race together, but we will stay united.“ Wir können aber trotzdem zusammenbleiben und verbunden miteinander in Bewegung sein. Wir können uns stellen, allein und doch in Gemeinschaft – die 20139 Challenge macht es sogar am Marathonwochenende in besonderer Weise möglich.

Natürlich ist das anders. Seit einem halben Jahr ist alles anders. Unser Alltag hat sich verändert. Die Routinen und Gewohnheiten sind ziemlich durchkreuzt. Abstand, Masken und Hygieneregeln sind selbstverständlich geworden. Aber für Läuferinnen und Läufer gab es immer die Möglichkeit, einfach loszulaufen und im Training zu bleiben.

Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Für uns war es mit der Vorbereitung auf den BERLIN-MARATHON so ähnlich wie mit vielen anderen beruflichen und privaten Themen und Terminen. Als der Corona-Lockdown Mitte März begann dachten wir: Ach, bis September wird es schon möglich sein. Wir lassen uns nicht irritieren und laufen weiter unsere Einheiten. Das Wetter war prima und es tat gut, sich regelmäßig zu bewegen. Und es war erstaunlich, dass das in den nächsten Wochen und Monaten immer mehr Menschen entdeckten und zu Läuferinnen und Läufern wurden.

Aber dann wurde immer klarer: Das Corona-Virus wird nicht einfach verschwinden. Wir müssen unser Leben länger einschränken und eine Fülle von Veränderungen unseres Lebens aktiv gestalten.

Und dann die Absage im Juni, die uns erreichte wie so viele Absagen in diesem Jahr. So ist es nun. Ja, der Verstand kann nachvollziehen, dass wir uns nicht mit 40.000 Menschen aus 150 Ländern der Welt zu einem großen Lauf-Fest treffen können. Aber das Herz ist traurig, denn gerade jetzt haben wir eine große Sehnsucht nach Gemeinschaft, nach gemeinsamen Aktionen und dem Gefühl, miteinander verbunden zu sein.

Ein paar Wochen lang hatten wir an vielen Stellen sehr intensiv das Gefühl von großer Solidarität und Aufmerksamkeit. Nachbarschaftshilfen wurden angeboten, Menschen versorgt und unterstützt, es wurde gemeinsam auf Balkonen gesungen. Leider scheint vieles davon mit der Dauer der Einschränkungen zu verschwinden. Aber wir sind überzeugt: Auch heute brauchen wir diese Botschaft: „We will stay united!“

Bei allen Friktionen, die unsere Gesellschaft durchziehen, bei einer zunehmend wahrnehmbaren Aggressivität auf den Straßen, bei Frust und emotionaler Angespanntheit in den Wohnungen und im Nahverkehr – wir sind verbunden miteinander, und das wollen wir spüren. Wir gehören zusammen. Wir ermutigen uns gegenseitig. Wir geben einander Orientierung in dieser schweren und unsicheren Zeit. Wir sind füreinander eine „blaue Linie“, an der wir uns orientieren, und ein Raum mit „blauem Licht“, in dem wir gemeinsam hören – aufeinander und auf Gott.

Als Jesus einmal gefragt wurde, was denn für ihn die wichtigste Orientierung ist, da antwortete er: (Markus 12, 29-31)

Das höchste Gebot ist „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften“ (5. Mose 6, 4.5).

Das andere ist dies: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (3. Mose 19,18) Es ist aber kein anderes Gebot größer als diese.

Wenn wir uns diese Sätze genau ansehen, dann machen Läuferinnen und Läufer da eine wundersame und zugleich wunderbare Entdeckung. Das hebräische Wort, das hier mit „Seele“ übersetzt ist, meint den Atem, der Menschen zu lebendigen Wesen macht, es meint die Lebenskraft als Ort von Stimmungen und Empfindungen; es bedeutet Kehle, Atem, Seele und Leben. Also:

„Du sollst deinen Gott lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deinem ganzen Atem und mit deiner ganzen Kraft.“

Auf die Frage nach der wichtigsten Orientierung im Leben, nach der blauen Linie, der ich in meinem Lebenslauf folge, sagt Jesus:

Vertrau dem Leben, vertrau Dich dem Leben an, mit allem, was Du bist und kannst: mit dem Herzen, mit dem Atem der Kehle, mit deiner ganzen Kraft. Vertrau darauf, dass dieses Leben, das aus Gott kommt, Dir einen Weg öffnet, Dich tröstet und Dir Mut macht.

Das ist doch wohl ein Wort für Ausdauersportler: für Skaterinnen und Rollifahrer, Läuferinnen und Läufer. Das kennen wir. Es ist uns vertraut. Die körperlichen Anstrengungen erleben wir immer wieder: den Herzschlag, die Atmung und die Muskulatur. Mit dem Gottvertrauen und mit dem Laufen ist es durchaus ähnlich. Wir kennen viele Läuferinnen und Läufer, für die die Bewegung so etwas ist wie die Antwort auf das Geschenk des Lebens. Einige von ihnen treffen sich Jahr für Jahr in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, zu anderen Marathon-Andachten oder zum „spirituellen Laufen“.

Wir laufen – trotzdem! Gott sei Dank!

Und dabei – beim Training und im Leben zu Corona-Zeiten – kommen wir auch an unsere Grenzen. In jedem Marathon kommt man an diesen Punkt, in diese tiefe Verunsicherung: Habe ich mich richtig vorbereitet? Erreiche ich meine Ziele? Komme ich gut durch? Komme ich überhaupt durch? Läuferinnen und Läufer kennen das, wenn die Kraft nachlässt und die Zuversicht in die eigenen Kräfte schwindet.

Läuferinnen und Läufer kennen aber auch die andere Erfahrung: Es geht trotzdem weiter. Plötzlich nach dem Versorgungsstand wieder neue Energie. Die Rufe vom Straßenrand tragen ein Stück weiter. Aufmunterungen erreichen mich und es geht wieder.

Und das ist im Leben manchmal nicht anders: Es geht trotzdem weiter. Auch wenn wir noch nicht wissen, wie die Wege genau aussehen. Wir wissen, dass die Welt und unser Alltag durch die Corona-Pandemie verändert wird. Aber wie die Welt und mein Alltag dann aussehen werden, das wissen wir noch nicht. Und darum machen wir gerade nur kleine Schritte. Aber es geht trotzdem weiter: Schritt für Schritt.

Liebe Marathon-Gemeinde,

beim Boston-Marathon 2013 explodierte eine Bombe. Ein paar Tage später stand in einer Zeitung: „Der Zeitpunkt war möglicherweise gewählt worden, um eine möglichst hohe Opferzahl zu erzielen, denn es kamen gerade besonders viele Hobbyläufer ins Ziel.“ (Die WELT kompakt) Wie furchtbar: Dieser sinnlose Terror richtete sich auf friedliche, vitale und faire Menschen aus der ganzen Welt. Unsere Gedanken und unsere Gebete begleiten auch heute die Opfer von Boston.

In Bosten 2013 wurde deutlich, dass im Laufen nicht nur eine individuelle und persönliche Dimension zu finden ist. Es geht noch um viel mehr! Es geht auch um ein anderes Miteinander, um einen anderen Geschmack vom Leben. Es geht um etwas Gemeinsames, das uns alle verbindet. Und so ist es auch heute im September 2020 im Angesicht der weltweiten Corona-Pandemie: Wir Menschen gehören zusammen!

Es gibt unter uns eine große Sehnsucht nach einem anderen Leben in einer friedlichen Welt. Wir tragen in uns eine Sehnsucht nach einer Welt, in der wir miteinander unterwegs sind und nicht gegeneinander; eine Welt, in der wir fragen, was der Mensch neben mir braucht und was uns miteinander verbindet. Wir tragen in uns eine Sehnsucht nach einer Welt, in der das Leben miteinander gelingt und für alle die Grundlagen des Lebens zur Verfügung stehen.

Aus allen Religionen dieser Welt haben wir Menschen getroffen, die diese Sehnsucht nach einem anderen Leben teilen – in tiefer Verbundenheit zu Gott und den Mitmenschen. Das größte Gebot ist für Jesus die Nächstenliebe und damit die Verbundenheit untereinander.

Ja, das ist unsere blaue Linie und Orientierung: “….mit deinem ganzen Herzen, mit deinem ganzen Atem und mit deiner ganzer Kraft.“ Und: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

So wollen wir es machen. Trotzdem. Bleibt behütet! Amen.

Peter Burkowski (Berlin) und Dr. Lars Charbonnier (Berlin), beide sind Pfarrer und laufen Marathon

Peter Burkowski (lks.) und Dr. Lars Charbonnier – Foto: Horst Milde

RETTET UNSERE LÄUFE – SAVE THE EVENTS – Foto: Victah Sailer

„Rettet unsere Läufe“ – Wir brauchen jede Stimme, um den Laufsport zu retten. Helfen Sie bitte mit und beteiligen Sie sich an der Petition!

Hier geht es zur Petition:

https://www.openpetition.de/petition/online/save-the-events-o-rettet-unsere-laeufe

Instagram: #SaveTheEvents – Rettet unsere Läufe

https://germanroadraces.de/?p=136914

https://germanroadraces.de/?p=110573

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author: GRR