Running forever - ARETE Verlag - HIldesheim - Cover: ARETE Verlag
Wie und warum Frauen laufen … eine Anthologie für alle! Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
Immer mehr Frauen laufen. Und das ist gut so! Trotzdem ist ihr Anteil im Laufsport immer noch nicht so, wie er sein könnte. Daher sind alle Initiativen zu begrüßen, die helfen können, dieses Defizit weiter abzubauen.
Dazu gehört auch dieses neue Buch.
Daher: Dank und Glückwunsch an alle Beteiligten vorab! Warum? In dieser Anthologie erzählen insgesamt 24 Frauen, „wie sie zu überzeugten Lebensläuferinnen geworden sind. Ihre Laufmotive, -philosophien und -praxen, eingebettet in den jeweiligen Lebenskontext, stehen beispielhaft für die Vielfalt des weiblichen Laufens“. So steht es jedenfalls im hinteren Einband des Sammelbandes.
Moment: „weibliches Laufen“? Laufen Frauen anders? Bei dieser Frage dürfen sich auch Männer angesprochen und zur Lektüre des Bandes eingeladen fühlen: Wir können so unsere Lauferei im Spiegel der dargestellten Sichtweisen kontrastieren und vielleicht sogar hier und da neu justieren. Ein Leseerlebnis sind die Texte so oder so und ausdrücklich für Leserinnen und Leser! Aber jetzt schnell der Reihe nach:
Das rührige vierköpfige Team mit Beate Kommritz-Schüler und Bettina Richter als Herausgeberinnen und mit Dr. Raphael Richter und Wolfgang W. Schüler als Herausgeber – in der Laufszene sind beide bestens bekannt u.a. als langjährig engagierte Dozenten beim Deutschen Lauftherapiezentrum in Bad Lippspringe – haben Frauen aus ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich als Autorinnen sowie Frauenlaufikone Kathrine Switzer (geb. 1947) aus den USA für ein Geleitwort gewinnen können. Sie alle beziehen Position dazu, was speziell ihr Laufen im Lebensverlauf so unverwechselbar macht. Herausgekommen ist ein wunderbarer bunter Strauß an Erfahrungen und Erlebnissen: Alle Texte blühen beim Lesen so herrlich auf, weil sie etwas von jenen identitätsstiftenden Momenten erzählen bzw. wie und warum das regelmäßige Laufen diesen Frauen zu neuer Stabilität im Leben verholfen hat.
Zu den Autorinnen gehören einige, die vielen schon aus der Laufszene bekannt sind wie u.a. Katrin Dörre-Heinig (geb. 1961), Sylvia Schenk (geb. 1952), Christa Vahlensieck (geb. 1949); es gibt auch welche, deren Promi-Faktor anderswo liegt wie z.B. bei Dr. Martina Münch (geb. 1961) als ehemalige Ministerin in der Politik oder wie bei Hera Lind (geb. 1957) als Bestsellerautorin in der Belletristik. Apropos Autorinnen: Dazu gehört auch die Berlinerin Joanna Barbara Zybon (geb. 1970), seit vielen Jahren Mitarbeiterin von „spiridon“, die einen gleichsam kompetenten wie köstlichen Text mit dem Titel „Den Body-Spaß-Index finden“ beigesteuert hat.
Versucht man quer durch alle Texte ein paar „Appetizer“ zu servieren, die etwas davon erzählen, was Frauen auf den Geschmack zum Laufen gebracht hat, dann gehören u.a. solche Aussagen dazu: „Laufen trägt zu meinem Seelenwohl bei“ (S. 26); dann ist das „die eine oder andere neue Idee, beim Laufen, plötzlich und unerwartet“ (S. 33); „Und natürlich ist Laufen immer auch Zeit nur für mich“ (S. 66), denn sie kommt „nach jeder Laufrunde gut gelaunt zurück“ (S. 72), weil das Laufen ganz offensichtlich eine „positive Aktivität“ (S. 133) für sie ist. Und wie schreibt doch die Berliner Theologin Dr. Erdmute Nieke (geb. 1970) über ihre Lebensfreude durch das Laufen, da „kann ich Elefanten in Mücken verwandeln“ (S. 126), denn die meisten laufen „ja auch nicht auf Zeit. Sondern auf GUT GLÜCK“ (S. 173), wie Hera Lind sich durch ihr Laufen glücklich schätzt.
Am Ende des Buches gibt es ein Personenregister, in dem auch Männer-Namen zu finden sind, die dann irgendwo in den Frauentexten „spielen“: Prof. Dr. Alexander Weber, den kennen alle genauso wie Horst Milde, sodann Bernd Hübner, der Begründer von Berlins größtem und bekanntestem Lauftreff, und natürlich Ernst van Aaken (1910-1984), der medizinische Pionier des Frauenlaufsports hierzulande. Das Altersspektrum der Autorinnen reicht von der über 75-jährigen Gabriele Bayer aus der Interessengemeinschaft der Langstreckenläufer (IGL) bis Anita Horn und Silke Pfennigschmidt-Gläsker, die beide noch keine 40 Jahre alt sind.
Bleibt ganz zum Schluss nur diese Frage: Gibt es einen Lieblingstext? Das müssen alle für sich selbst entscheiden, wenn sie die Texte gelesen haben. Aber meine Prognose lautet: Es wird ein Text sein, bei dem frau/man sich selbst mit seiner eigenen „Laufkarriere“ am meisten wiederfindet … bei mir waren das sogar gleich mehrere!
Beate Kommritz-Schüler/Bettina Richter u.a. (Hrsg.): Running forever. Wie Frauen zu lebenslangen Läuferinnen werden. Hildesheim 2021: arete Verlag. 192 S.; 18,- €
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
Der Text ist – leicht gekürzt – in der Mai-Ausgabe 2021 der Zs. „spiridon“ erschienen.