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11
06
2020

Auf der Suche nach Geld für die Ausreise aus Frankreich: Wer hat 500.000 Euro für Lamine Diack? - Foto: Horst Milde

Wie eine Marathonläuferin den Doping-Paten entlarvte – Die Causa Lamine Diack oder der Prozess gegen ein korruptes System – Von KLAUS BLUME

By GRR 0

„Dies ist eine ganz neue Dimension der Korruption im Vergleich zur FIFA.“ Derart rigoros stuft Richard McLaren, Chef der Welt-Antidoping-Agentur WADA, den derzeitigen Prozess im Pariser Palais de Justice gegen Lamine Diack ein.

Dem ehemaligen Präsidenten des Welt-Leichtathletik-Verbandes (1999 bis 2015) werden Geldwäsche, Beihilfe zum Betrug, bandenmässige Kriminalität und Korruption vorgeworfen. Wobei es nicht nur um den 87-jährigen Senegalesen, sondern um ein ganzes System von Vetternwirtschaft geht.

Über seinen Anwalt Simon Ndidaye ließ Diack bereits erklären, stets nur zum Wohle seines Verbandes gearbeitet zu haben. Er verwies dabei auf Sebastian Coe, den derzeitigen Weltverbands-Präsidenten – und, mit Nachdruck, darauf, dass Sir Sebastian zum maßgeblichen Zeitpunkt als Vize-Präsident fungiert habe. Doch der zweimalige 1500-Meter-Olympiasieger soll in Paris gar nicht als Zeuge gehört werden.

Im Zentrum der Anklage steht ganz allein Lamine Diack, auch nicht dessen Sohn Papa Massata Diack, dessen Auslieferung Interpol aus dem Senegal bislang per Haftbefehl vergeblich verlangt hat. Die Richter in Paris sind überzeugt, Lamine Diack habe „entgegen seiner Behauptung eine aktive Rolle spielte, seine Qualität als Präsident der Institution mißbraucht“ aber „seinen Sohn im Herzen des Systems so effektiv platziert(!), das wichtige vorgelagerte Einnahmen aus den IAAF-Mitteln abgeleitet werden konnten.“

Welche damit gemeint sind, werden die Staatsanwälte beweisen müssen. Ebenso ihren Vorwurf, Lamine Diack habe bei der Vergabe der Olympischen Spiele an Rio de Janeiro (2016) und Tokio (2020) Bestechungsgelder kassiert. Aus Brasilien sollen ihm etwa 1,5 Millionen Dollar, aus Japan sogar 3,5 Millionen Euro überwiesen worden sein.

Doch Diacks einträglichstes Geschäft, so die Anklage in Paris, sei die Erpressung jener Sportler gewesen, denen Doping nachgewiesen wurde. Davon, sagte jetzt der Schweizer Gabriel Dollé aus, einst  Anti-Dopingchef der IAAF und über Jahre hinweg weltweit als Ayatollah des Anti-Doping-Kampfes gefeiert, habe er zu keiner Zeit etwas bemerkt.

Die übliche Mauer des Schweigens?

Doch es gibt Zeuge, die bereits andernorts ausgesagt hatten, das es so gewesen sei. Wie die frühere Marathonläuferin Lilia Schoburowa aus Russland. Vor den Mikrophonen und Kameras der ARD erzählte sie 2014, sie habe – als Gedopte – für ihren Olympiastart 2012 in London 150.000.00 Euro gezahlt – unter der Hand, versteht sich. Doch Diack habe über Mittelsmänner das Doppelte verlangt. Also habe sie gleich zweimal gezahlt. Dennoch wurden ihre eindeutig positiven Blutwerte nicht, wie verabredet, schweigend geduldet. Immerhin kamen ihre 300.000.00 Euro zurück. Von einer Briefkasten-Firma in Singapur.

Hauptverdächtige dieser Briefkasten-Firma waren Franzosen – und so geriet der in Frankreich lebende und seit Jahren von den dortigen Behörden beobachtete Lamine Diack in den Fokus der Pariser Staatsanwaltschaft. Französische Reporter bekamen Wind davon; alsbald führte die international renommierte Tageszeitung „Le Monde“ sechs Sportler auf, die von Diack zur Zahlung von insgesamt 3,5 Millionen Euro erpresst worden sein sollen.Worauf französische Behörden nun auch gegen Diacks Filius und dessen Unternehmen Pamodzi, mit Unterfirmen in der Karibik ermittelten. Der Pate alldessen, Lamine Diack, steht nun vor Gericht.

Ein Mann, der 1958 als 25-Jähriger mit 7,63 Metern französischer Meister im Weitsprung war und bald darauf Amt an Amt reihte – ob in der Politik oder im Sport: Als Technischer Direktor des senegalesischen Fußball-Verbandes; als dortiger Staatssekretär für Jugend und Sport; als Präsident des afrikanischen Leichtathletik-Verbandes; als Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees; als Verantwortlicher der Wasserversorgung seines Landes; sogar zwei Jahre lang als Bürgermeister der Hauptstadt Dakar; auch als Träger des Olympischen Ordens und als Ehrenmitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). 

Lamine Diack prägte als einer der einflussreichsten Männer über Jahrzehnte hinweg den Weltsport. Sowohl in vorderster Front als auch aus dem Verborgenen heraus. Jetzt drohen ihm zehn Jahre Gefängnis und hohe Geldstrafen.

Am 18. Juni soll in Paris das Urteil über ihn gefällt werden.

Nicht nur über ihn, sondern zugleich über dessen gesamtes korruptes System.

Klaus Blume
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