Vier Hübis am Ziel am Bundeskanzlerinnenamt - Foto: Manfred Templin
Wie ein virtueller Marathon zu einem ganz echten werden kann – 42, 195 Kilometer von Potsdam ins Kanzlerinnenamt
Eindrücke vom virtuellen Flensburg-liebt-dich-Marathon am 06.06.2021 des LT Bernd Hübner von Dr. Erdmute Nieke
Coronajahr zwei – es läuft nichts, zumindest keine Wettkämpfe. Immer wieder keimen Hoffnungen auf echte Wettkämpfe, so kommen auch aus Flensburg Hoffnungssignale. Ein Hygienekonzept mit 500 Teilnehmer:innen ist für den 6. Juni 2021 geschrieben, die Anmeldung eröffnet.
Ich will endlich meinen zehnten Marathon laufen.
Dann im April eine Pressekonferenz mit einem ganz anderen Hoffnungssignal. Robert Habeck wird von Annalena Baerbock auf dem Weg zum Mikrofon abgeklatscht, fast wie bei einem Staffellauf. Robert lebt in Flensburg, Annalena in Potsdam. Vor dem Fernseher denke ich laut einen Satz, der knappe zwei Monate später Wahrheit geworden ist: „Wenn Flensburg absagt, dann laufe ich für die Beiden von Potsdam ins Kanzlerinnenamt. Das könnten 42 Kilometer werden. Denn schließlich trainiere ich für Flensburg und will es nicht umsonst tun.“
Denn im Juni 2020 waren wir bereits im Lauftreff Bernd Hübner den virtuellen Flensburg-Marathon als halben am Flensburger Löwen in Berlin-Wannsee gelaufen. Der Gedanke einen virtuellen Flensburg-liebt-dich-Marathon als ANNALENA-Marathon zu laufen, nimmt allmählich Gestalt an, vor allem bei Trainingseinheiten in den berühmten Zweier-Teams mit den Hübis: Strecken suchen, Versorgungspunkte planen, u.s.w.
Dann kommt es, wie es so oft im letzten Jahr kam. Flensburg muss absagen und bietet als Trostpflaster wieder einen virtuellen Marathon an!
Jetzt geht meine Planung sofort in die heiße Phase und ist relativ schnell zu Papier bzw. ins Laufforum Bernd Hübner gebracht. Für den Streckenfeinschliff kommen mir jetzt die vielen Trainingskilometer zu gute. Kein Teilstück der Strecke ist nicht schon ausprobiert. Das Konzept des Funlaufes (wir laufen gemeinsam) übernehme ich, dazu einen ziemlich genauen Zeitplan, damit die Lauffreund:innen auch Teilstücken mitlaufen können.
Die interne Anmeldeliste im Forum füllt sich, die Wetterprognosen verheißen richtigen Sommer, nachdem das Jahr bisher kühl und feucht war. Das Versorgungsproblem ist also noch unbedingt zu klären. Es gelingt mir zehn Versorgungspunkte einzurichten, dank etlicher kreativer und fleißiger Unterstützer:innen.
Der Verpflegungspunkt in der Havelchaussee – Foto: Manfred Templin
Umplanungen werden noch in der Woche vor dem Lauf notwendig, da die Strecke durch den Olympiapark führen sollte, der aber wegen der Finals 2021 für den Publikumsverkehr gesperrt ist.
Am Tag vor dem Lauf versende ich die aktuelle Fassung der Strecke mit ihren zehn Versorgungspunkten an alle Teilnehmer:innen und Helfer:innen.
Sonntag morgen um 5.15 Uhr klingelt mein Wecker. In Berlin gibt es Nachtbusse.
In meinen Laufklamotten falle ich zwischen dem Partyvolk auf der Heimfahrt auf. Die müden Gestalten riechen nach Alkohol, ich hellwach nach Mückenschutz. Das Leben scheint – trotz Corona – wieder zu beginnen. In der Regionalbahn von Berlin nach Potsdam sind wir im ersten Wagen verabredet. In Potsdam angekommen, sind wir zu sechst. Der siebente Mitläufer trifft am Start auf uns.
Um 7.45 Uhr laufen wir einfach los, immer an der Havel entlang.
Drei Läufer hatten sich für die gesamte Strecke gemeldet. Diesen dreien gilt hier nun mein ganz besonderer Dank! So muss sich Eliud Kipchoge mit seinen Hasen fühlen. Nur meine Hasen sind nicht ausgestiegen! 42,49 Kilometer habt Ihr mich wunderbar gezogen!
HORST – Du bist Deinen 69. Marathon gelaufen und das mit 80 Jahren! Am Ende hast Du so gekämpft und es auf dem letzten Drittel sogar für Dich allein tun wollen und warst am Ende nur wenige Minuten nach uns am Kanzlerinnenamt. Du bist mir ein Vorbild – gewiss werden wir den echten Berlin-Marathon 2021 laufen!
Horst im Ziel (r.) – und das mit 80 Jahren! – Foto: Manfred Templin
DETLEF – Deine Ruhe und Deine Gelassenheit, Dein Laufrhythmus hat mir unendlich viel Kraft gegeben.
ROLF – Mit dem Wissen, dass Du auch Ultras läufst, hatte ich immer das Gefühl, dass Du genug Energie, Weitblick und gute Worte für uns alle und für alle Situationen auf der Strecke hattest.
Euch Dreien gilt mein tiefster RESPEKT und mein größter DANK!
Dann sei hier allen anderen Häsinnen ganz herzlich gedankt.
Voran MARITA, Du hast das gute letzte Drittel uns mit guter Laune, Frische und tollen Gesprächen aufgemuntert. Das ist jetzt ein Insider: Erdmute – Achtung – Holzbohlen! Und am Ende hast Du noch eine selbst gebastelte Extra-ANNALENA-grüne-Medaille aus der Hosentasche gezaubert und am Start hast Du uns gemeinsam mit Deinem Mann mit einen tollen Versorgungspunkt verwöhnt.
Dann: JUDITH, Du bist mit gestartet und Du hattest bei allen Trainingsläufen ein Ohr für meine ANNALENA-Idee – ich denke an Deine Worte in der Anfangsphase: Hoffentlich fällt der Flensburg-Marathon aus, denn die Idee mit ANNALENA ist so gut und wichtig.
Dann: DORO und LILI – Eure Unterhaltung im Schlosspark Babelsberg hat mich bewegt!
Syrische Freunde – Foto: Manfred Templin
Dann DINA: Du bist die meisten Trainingskilometer mit mir gelaufen! Häsin und dazu noch den ersten Versorgungspunkt an der berühmten Glienicker Brücke zwischen Potsdam und Berlin-West. Mit FATIMA hast Du auch einen Drittel-Marathon gemacht.
Versorgungspunkt zwei – der Dank geht an MARTIN! Gegenüber des historischen Gartens der berühmten Max-Liebermann-Villa auf der Wannsee-Insel hast Du auf uns mit einer Schubkarre voller Getränke und Salzigem gewartet!
Am S-Bahnhof Wannsee bei Kilometer 15,5 trifft die Fahrradcrew mit MANFRED, BERND HÜBNER und PETER auf uns. Ab hier gibt es viele Fotos und zusätzliche Versorgung.
MANFRED, vor dem Strandbad Wannsee versorgst Du uns sogar mit frischen Handtüchern. Da gab es noch bei keinem anderen Marathon! Danke Dir MANFRED für alles!
Bei Kilometer 23 stehst Du, NANCY mit Deinem Roller auf einem Parkplatz im Grunewald und mit frischem Wasser, die Becher stehen auf der Sitzfläche Deines Rollers bereit. Ganz neue Formen von Versorgungspunkten setzen sich durch.
Die Alte Liebe – eigentlich ein Restaurantschiff auf der Havel – ist für alle Hübis, die im Sommer für den Berlin-Marathon trainieren, ein echter Hotspot. MARITA versorgt uns hier, dazu treffen wir hier zum ersten Mal auf die Berliner Fahrradsternfahrt des ADFC. BÄRBEL kommt extra vorbei um zu sehen, wie es uns so geht bei Kilometer 27,5.
Am Versorgungspunkt Nummer 6 vor dem Friedhof Ruhleben – die Hitze ist jetzt ziemlich unerträglich und die Mittagssonne um kurz nach 12 Uhr brennt auf uns – begrüßen uns unsere syrischen Freunde, nicht nur mit Trinken und Müsliriegeln, sondern auch mit selbst gemalten Schildern mit arabischen Schriftzeichen. Danke Euch dafür! Dazu unser treuer MANFRED und neu dabei auf Rädern SILKE und PETER.
Versorgungspunkt Nummer 7 – Dank an Euch, CHRISTINE und BRUNO, Wasser tut so gut zwischen den Schrebergärten und der Spree – denn wir laufen inzwischen nicht mehr an der Havel!
Kilometer 36,5 – wir sind inzwischen im Schlosspark Charlottenburg angekommen, steht mein Ehemann THOMAS bereit. Danke, dass Du den Lauf-Splin Deiner Frau so erträgst und unterstützt! Denn THOMAS versorgt uns noch zweimal mit Wasser. Bei Kilometer 39,5 sind wir auf der berühmten Straße des 17. Juni angekommen. Uns geht es gut, wir haben es fast geschafft. Beim Berlin-Marathon fangen wir hier immer erst an. Die Versorgungspunkte haben auch den Effekt, dass ich mich an jedem Punkt auf den nächsten freue und so noch zusätzlich motiviert bleibe weiter zu laufen.
Jetzt fahren unzählige Radfahrer:innen der Fahrradsternfahrt mit uns parallel zur Siegessäule im Tiergarten. Alle Straßen sind auch für uns gesperrt und wir müssen für keine rote Ampel stoppen – selbst vor den Augen der Polizei, die uns freundlich ermuntert, laufen wir weiter.
Dann, vorbei am Bellevue – dem Sitz des Bundespräsidenten – und dem Haus der Kulturen der Welt, erreichen wir den das Kanzlerinnenamt von hinten und meine Uhr piept 42 Kilometer. Irgendwie möchte ich jetzt aufhören, doch ROLF sagt nur noch: Das gilt jetzt nicht, der Haupteingang ist das Ziel. Das ist die ganze Mühe wert!
Also laufe ich für ANNALENA 295 Meter zu weit und wir kommen am Haupteingang an!
Zwei Medaillen für Erdmute – Foto: Manfred Templin
Unsere Vierer-Fahrrad-Crew taucht auf und dann lassen wir uns glücklich und erschöpft auf einem kleinen Rasenstück fallen und können es noch gar nicht fassen, dass wir sind zu viert einen Marathon gelaufen sind – komplett.
Gemeinsam gehen wir noch was trinken, denn die Biergärten haben wieder offen. Als wir uns später am Hauptbahnhof voneinander verabschieden, habe ich irgendwie das Gefühl, dass bei diesem Laufprojekt eine ganz besondere Gemeinschaft entstanden ist!
Mein zehnter Marathon ist gelaufen, er war anders als die anderen vorher. Es war besonders heiß (Hatte ich eigentlich erwähnt, dass es 28 Grad warm war?) – die Wegqualität war anders, mehr grün, weniger Asphalt – es gab zwei Medaillen – Menschenmassen und Musik an der Strecke waren eher zufällig – der Start war unspektakulär und ohne Warten – es war mein kleinster Marathon mit 4 Läufer:innen – ABER: die Endorphine am Tag danach sind die gleichen!
Ein Tipp für alle Marathonis: Bleibt geduldig, bis wir alle geimpft sind oder macht es nach! Hauptsache: Es LÄUFT!
Dr. Erdmute Nieke