Michael Reinsch - Foto: Horst Milde
Werbeverbot für Krankenkassen: Spahn gestoppt: Kassensturz verhindert – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Die gesetzlichen Krankenkassen sind ein großer Geldgeber des Sports in Deutschland. Das Gesundheitsministerium wollte ihnen nun Trikot-Sponsoring und Bandenwerbung untersagen. Das stieß auf Widerstand – erfolgreich
Das Verbot von Trikot-Sponsoring und Bandenwerbung gesetzlicher Krankenkassen im Spitzen- und Profisport wird vorerst nicht kommen.
Der Referentenentwurf einer Verordnung zur Zulässigkeit von Werbemaßnahmen der Krankenkassen aus dem Bundesgesundheitsministerium, die einen entsprechenden Paragraphen enthielt und die im April in Kraft treten sollte, sei vollständig angehalten, sagt der sportpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, der Abgeordnete Mahmut Özdemir aus Duisburg. „Wir haben gestoppt, dass Gesundheitsminister Jens Spahn dem Sport Millionen entzieht“, sagte er am Sonntag: „Das Vorhaben war eine Kampfansage an den Sport. Der Plan war bar jeder Vernunft und jeder Zweckmäßigkeit.“
Das Geld der Krankenkassen sei gut angelegt in einem guten Sportangebot; dies komme den Versicherten und den Kassen zugute. Darüber hinaus werde verhindert, dass dem Sportsystem ein wesentlicher Pfeiler genommen werde. Vereine seien durch die Pandemie und den damit verbundenen Mitgliederrückgang ohnehin in einer ernsten Situation; nun werde verhindert, dass sie weiteren Schaden nähmen.
Andreas Michelmann, Präsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB), bestätigte, dass das Verbot gestoppt ist. „Ich freue mich, dass es sachliche und klärende Gespräche gegeben hat“, sagte er. Im Stellungnahmeverfahren wurde auch Mark Schober gehört, der Vorstandsvorsitzende des DHB. Das Gesundheitsministerium teilte mit, Stellungnahmen zu prüfen und das Verfahren nicht weiter zu kommentieren.
Es geht um 15 Millionen Euro
Bis zu 15 Millionen Euro fließen nach Schätzung des Forschungs- und Beratungsunternehmens Nielsen Sports von den rund hundert gesetzlichen Krankenkassen in den deutschen Profi- und Breitensport. Anlass zu Diskussionen gab zuletzt der Auftritt der Handball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Ägypten mit dem Logo der AOK auf dem Trikot.
Nicht allein der Werbewert werde mit den etwa 1,2 Millionen Euro honoriert, welche die Krankenkasse dem DHB zahlten, argumentiert der Verband. „Dies betrifft nicht nur die Nationalmannschaft“, sagt Michelmann. „Die Verbindung mit der AOK ist eine seit Jahren gelebte Partnerschaft, aus der Leistungen hervorgehen, die weit über das Tragen des Logos hinaus reichen. Wir kommen mit dem Grundschulaktionstag jedes Jahr mit mehr als hunderttausend Mädchen und Jungen in Kontakt.“ Nationalspieler werben dabei für einen gesunden und sportlichen Lebensstil. In anderen Verbänden sei dies ähnlich.
Das Bundesamt für Soziale Sicherung, Aufsichtsbehörde für die Krankenkassen, kritisiert, dass deren Ausgaben für Werbung stiegen, während die für Aufklärung und Beratungen zurückgingen; sie machten weniger aus als die Aufwendungen für Reklame.
Der Sport dagegen hält sich zugute, durch Sport- und Bewegungsangebote auch in der Vorsorge und der Rehabilitierung sowie durch Aufklärung auf breiter Front für Gesundheit, Fitness und Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung einzutreten. Dabei würden nicht nur die Vereinsmitglieder bedacht, deren Zahl der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) vor der Krise mit 27 Millionen angab, sondern durch Kursangebote und Schulsport auch nicht sport-affine Menschen erreicht. Der Sport sieht sich dabei in Partnerschaft mit den Krankenkassen.
Der DOSB warnte, dass durch das drohende Verbot Gesundheitspartnerschaften zwischen Sport und gesetzlichen Krankenkassen gefährdet, jahrelange konstruktive Zusammenarbeit zunichtegemacht und der Sport wirtschaftlich empfindlich getroffen würde. Für den Freiburger Kreis, den Zusammenschluss der Großsportvereine Deutschlands, hatte deren Vorsitzender Boris Schmidt kritisiert, dass der Staat zwar einerseits 200 Millionen Euro bereitstelle, um den Profiklubs den Ausfall von Eintrittsgeld zu erstatten, andererseits aber verbieten wolle, sie als Sponsor zu unterstützen.
Der Abgeordnete Özdemir kritisierte, dass Gesundheitsminister Spahn das Verbot mittels einer Verordnung durchsetzen wollte; diese bedarf nicht der Zustimmung des Bundestages. Die Sportpolitiker der SPD-Fraktion hätten deshalb deutlich gemacht, dass sie bei der vorgesehenen Beratung innerhalb der Fraktion die Verordnung nicht konsentiert und damit eine Diskussion innerhalb der Koalition erzwungen hätten.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 15. Februar 2021
Michael Reinsch Korrespondent für Sport in Berlin.