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12
2019

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Wenn sogar der König in Peking Biathlon anbietet – Letzte Folge der Norwegen-Serie von KLAUS BLUME

By GRR 0

Beim zweiten Biathlon-Weltcup diesen Winters, am dritten Advent, hatte niemand eine Chance gegen die norwegische Mannschaft – nicht bei den Damen, auch nicht bei den Herren. Etwas anderes hätte daheim auch jedermann überrascht.

Denn Biathlon gehört weit mehr zum norwegischen Sport und damit zum skandinavischen Leben als Skilanglauf und Leichtathletik. Schon in den nordischen Sagen wurden angeblich die Grundlagen dafür gelegt; wird dort häufig von heftigen Zweikämpfe auf Skiern erzählt.

Demnach soll es den nordischen Skigott Ullr gegeben haben, dem Grimurslied nach der treffsicherste Schütze, „der schnellste auf Schneeschuhen. Beim Zweikampfe rufe man ihn an.“ 

Biathlon in Norwegen – das hat aber auch eine neuere Geschichte. Schon seit dem 16. Jahrhundert existieren norwegische Skiregimente. Und bereits im Jahre 1710 wurden die norwegischen Ski-Kompanien mit der „Skikarle“, einer Büchse mit einem Feuersteinschloss, ausgerüstet. Am 2. Juli 1993 wurde dann in Heathrow bei London die Internationale Biathlon-Union (IBU)  gegründet, die bald darauf vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) als internationaler Wintersportverband anerkannt wurde – ohne Norwegens Fürsprache nicht denkbar. 

Geht es also um Biathlon, ist bei Verhandlungen sogar äußerstes diplomatisches Geschick gefragt. Deshalb führte im letzten Sommer das norwegische Königspaar höchstselbst entsprechende Gespräche in China, um den achtmaligen Olympiasieger Ole Einar Björndalen als neuen Cheftrainer Pekings für dessen Olympia-Team zu inthronisieren. Schließlich gilt Biathlon in Norwegen als erstklassiges Export-Gut und Björndalen als einer seiner herausragendsten Vertreter. 

Doch Bjoerndalen eilt zugleich der Ruf voraus, in seiner durchaus glänzenden Sport-Karriere nicht immer ganz sauber gehandelt zu haben. Dreimal, so heißt es, sei er durch die Maschen des norwegischen Doping-Netzes geschlüpft, weil er von den Kontrolleuren nicht angetroffen wurde. Weil sich diese drei Missverständnisse jedoch in einem Zeitraum ergeben haben sollen, der als nicht-rechtsrelevant gelten kann, lebt Bjoerndalen auch weiterhin als sauberer Sportler. 

Doping in Norwegen?

Als im letzten Winter bekannt wurde, das norwegische Olympia-Team habe an die 6000 (!) Asthma-Medikamente zu den Olympischen Spielen nach Südkorea geflogen, war die Empörung – weltweit – groß. Zumal der 13-malige Langlauf-Weltmeister Petter Northug im Stockholmer Boulevardblatt „Expressen“ auch noch davon sprach, wenngleich niemals asthmakrank, schon als Jugendlicher Asthmamittel in Norwegen verabreicht bekommen zu haben.

Also bat der norwegische Sportverband um eine Überprüfung, oder wenn man so will, um eine öffentliche Rein-Waschung durch die umstrittene Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Die gab denn auch prompt bei der Universität Ulm eine umfassende Studie in Auftrag, und siehe da, diese förderte zutage, dass auch mit dem Gebrauch eines Asthmamittels keine zusätzlichen Muskeln aufgebaut werden können. Das bestätigte der Ulmer Professor Jürgen Steinacker jedenfalls der WADA. Espen Bjervik, Chef des norwegischen Skiverbandes, half noch ein wenig nach: „Viele Spitzenläufer haben Leistungsasthma, auch andere Nationen nehmen das Mittel Salbutamol ein; eine leistungssteigernde Wirkung wurde nicht nachgewiesen, aber wir legen schon seit den 1990er Jahren den medizinischen Fokus auf die Lungen- Funktion, auf die Atmung.“

Das erscheint zwar vielen fraglich, doch Bjervik sagt: „Dabei geht es in erster Linie NICHT um Krankheitserreger, sondern um Staub, welcher der Lunge nicht guttut. Oft wechseln wir deshalb im Ausland in Hotels sogar die Vorhänge und Teppiche aus.“

Petter Northugs Hinweise – wenn auch als irrelevant beiseite gewischt – zeigten jedoch auch eine positive Seite des norwegischen Sports auf: das mutige Aufbegehren gegen Obrigkeiten und der von ihnen gewünschten Denkweise. Schon während der legendären Olympischen Winterspiele in Lillehammer kam es deshalb zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen dem Eisschnelllauf-Olympiasieger Jan Olov Koss und dem verstorbenen spanischen IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch. Koss warf damals Samaranch dessen politische Nähe zum ehemaligen faschistischen Franco-System vor – andernorts war so etwas bislang allenfalls nur hinter vorgehaltener Hand verdruckst gesagt worden. 

Apropos, Eisschnelllauf:

Einerseits steht in Hamar die schönste Eislauf-Halle der Welt, andererseits würden Eisschnellläufer innerhalb der norwegischen Sportwelt nicht mehr besonders hoch angesehen, heißt es. Das angesehene Traditionsblatt „Dagbladet“ aus Oslo hat nun eine Umfrage nach den populärsten norwegischen Sportlern gestartet. An erster Stelle stand dabei nicht etwa der überragende Skilangläufer Björn Daehlie oder die große Marathon-Spezialistin Grete Waitz, sondern der Eisschnellläufer Hjalmar Andersen. Warum gerade er?

„Dagbladet“ schreibt dazu: „Sowohl wegen seiner Leistungen, als auch wegen seiner Beliebtheit. Er gewann alle Weltmeisterschaften, Europameisterschaften und nationale Meisterschaften in den Jahren 1950, 1951 und 1952, aber auch die Olympischen Spiele im Bislett waren der Inbegriff einer brillanten sportlichen Karriere. Der Druck auf den beliebten „Hjallis“ war während der Spiele so groß, dass er und seine Frau Gerd in einem abgelegenem Privathaus untergebracht waren, das von Medien- und Autogrammjägern gut abgeschirmt wurde. Das Skaten (der Eisschnelllauf; die Red.) war damals riesig und „Hjallis“ war so groß wie der gesamte Sport. „King happy“ war der Popstar seiner Zeit, er wurde von einer ganzen Nation geliebt und noch Jahre nach den Olympischen Spielen 1952 reiste der fröhliche Trondheimer herum, um seine Geschichten zu erzählen.“

Und heute?

Derzeit gilt kein Wintersportler, kein Leichtathlet aber auch kein Radrennfahrer als beliebtester Sportler in Norwegen, sondern vielmehr ein Schachspieler: Weltmeister Magnus Carlsen. Wer aber deshalb glaubt, nun würde in langen nordischen Winternächten allerorten Schach gespielt, wird enttäuscht sein.

Sicher, vor allem im ländlichen Norden sitzt die halbe Nation nächstens beim Brettspiel beisammen, doch nicht etwa beim Schach, sondern beim uralten Hnefatafli – einem historischen Strategiespiel aus längst vergangenen Wikinger-Zeiten.

Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
22085 Hamburg
Tel: +49 (0) 40 229 7048
klausblume@t-online.de

Marit Bjoergen: Mit der Klimabelastung beißen wir uns in den eigenen Schwanz“ – Teil 3 der Norwegen-Serie – von KLAUS BLUME:

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