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12
2018

Giotto di Bondone: Adorazione dei Magi, Fresko in der Cappella degli Scrovegni (Padua) mit Darstellung eines Kometen, um 1305 - Foto: Wikimedia

Welchem Stern läufst Du hinterher? – Die Läufer-Weihnachtspredigt 2018 von Peter Burkowski*

By GRR 0

Ein Stern und drei kluge und kundige Männer, die sich auf den Weg machen.

Die Geschichte vom Stern, der weise Männer von weither zum Kind in der Krippe führt ist weltberühmt, tausendfach erzählt, gemalt, gespielt und besungen. Ein großes Licht bringt Menschen in Bewegung.

Drei Sterndeuter sehen eine Veränderung am Himmel – einen neuen Stern – und brechen auf. Das große Licht bringt sie in Bewegung. Das neue Licht lässt sie nicht mehr los.

Sie müssen einfach aufbrechen und werden zu Ultra-Läufern oder –Wanderern.

Sie nehmen große Mühen auf sich, um diesem neuen Stern zu folgen. Sie laufen lange Wege, weil sie davon überzeugt ist, dass hier etwas sehr Entscheidendes für ihr Leben auf sie wartet.

Hab ein Ziel – folge deinem eigenen Stern!

So hieß vor einigen Jahren die Werbung einer großen deutschen Automarke, die jedes Fahrzeug mit einem Stern auf die Reise schickt.

Folg deinem eigenen Stern!

Das haben die drei Weisen damals getan. Sie haben einem neuen Stern aufgehen sehen. Dieser Stern verändert die Welt – und mein Leben.

Welchem Stern folgen wir?

Wozu sagen wir: „Und als die drei Männer den Stern sahen, waren sie voller Freude.“ (Matthäus 2,10)? Was bringt mich so aus dem Häuschen? Was hat eine solch tiefe Bedeutung für mein Leben?

Welchem Stern folgst Du?

Wofür stehst Du jeden Morgen auf? Was bringt Dich in Bewegung, weil es größer ist als Dein kleines Leben und Deine großen Sorgen?

Was bringt Dich in Bewegung?

Läuferinnen und Läufer wissen, was es heißt, einem Ziel zu folgen und in Bewegung zu kommen. Die Ziele sind dabei ebenso verschieden wie die Geschwindigkeiten. Aber ohne Ziel funktioniert kein gutes Lauftraining. Die häufigsten Fragen heißen dann: Wann? Wo? Welche Zeit?

Wann willst Du den Marathon laufen? Wo? Und was ist Dein realistisches Ziel?

Die meisten Läuferinnen und Läufer, die ich kenne, können das ziemlich genau beschreiben. Sie kennen sich und ihre Möglichkeiten. Sie können ihre persönlichen Ziele realistisch einschätzen. Und dabei ist es egal, ob das Ziel „Ankommen beim Halbmarathon“ oder „Berlin 2019 unter 3“ heißt. Was uns verbindet, ist die Bewegung und die Freude am Laufen.

Was bringt Dich in Bewegung?

Damit ist eine andere Frage in Mitte getreten: Warum?. Sie wird Läuferinnen und Läufern ja immer wieder gestellt: Warum machst Du das? Warum läufst Du bei jedem Wetter? Auch wenn man inzwischen annehmen sollte, dass sich die gesundheitlichen Vorteile der regelmäßigen Bewegung herumgesprochen haben, begegnet der Laufgemeinde diese Frage immer wieder: Warum?

Die Antworten heißen: Weil es mir gut tut. Weil ich mich spüre. Weil sich für mich beim Laufen Fragen klären und mein Atem mir Kraft gibt zum Leben. Weil die Bewegung zum Leben gehört und mich lebendig macht. Weil ich spüre, dass es noch mehr gibt.

Altar der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche – Foto: Horst Milde

Übrigens ergeht es einem ähnlich, wenn man als religiöser Mensch, als auf Gott vertrauender Mensch erkennbar ist. Auch hier begegnet einem diese Frage: Warum?

Was hätten die Ultra-Wanderer aus dem Orient wohl geantwortet?

Sie hätten auf den Stern verwiesen. Da ist etwas, was größer ist als unser kleines Leben. Da geschieht etwas, was die Welt verändert. Da strahlt etwas auf, das unserem Leben Halt gibt und Nahrung und einen festen Grund unter den Füßen.

Und nun: Der Stern bleibt stehen. Die sternkundigen Wanderer sind am Ziel. Aber welche Überraschung: Das hatten sie nicht erwartet:

Kein Palast. Kein Königspaar im Schlaraffenland. Kein Land, in dem das Elend und das Leid besiegt sind. Keine Wellnessoase.

Sondern einfach: Ein Kind. Eine junge Mutter. Ein zweifelnder Vater. Arme Hirten. So soll sich die Welt verändern? So soll ein neues Leben beginnen?

Ja, genau.

Dieses Kind ist das Zeichen für den Neubeginn. Ein ganz anderer neuer Stern. Das Licht der Welt  – wird man später sagen.

Der Stern bleibt stehen. Der Weg ist geschafft. Und nichts bleibt, wie es war.

Denn hier, genau hier, am Ende der Welt, in diesem Flüchtlingslager wird die Welt auf den Kopf gestellt – auch wenn die Menschen nach den Palästen streben, nach Anerkennung durch ihren Besitz, nach Ansehen für ihr Aussehen.

Gott wird Mensch am Ende der Welt. Gott wird Mensch im Alltag des Lebens. Gott wird Mensch in Kälte und Elend. Gott wird Mensch an einem Ort, von dem keine Nachrichtenagentur berichtet, sondern nur die, die vorbeikommen:

Ein paar arme Hirten aus der Gegend. Drei Sterndeuter aus dem Osten, die einen weiten Weg hinter sich haben.

Und was ist das Neue? Es gibt keinen Unterschied zwischen den Nahen und den Fernen, zwischen den Armen und den Reichen, zwischen den Einfachen und den Gelehrten! Denn Gott ist wie wir. Gott ist bei uns. Gott ist nicht mehr herauszubekommen aus dieser Welt.

Sie bleiben – und Gott bleibt auch.

Und dann machen sich alle wieder auf den Weg: Alle. Wirklich alle. Wieder Aufbruch. Wieder Bewegung. Offenbar gehört Aufbruch und Bewegung zum Leben dazu wie Einatmen und Ausatmen.

Die Hirten erzählen der ganzen Welt, was sie gesehen und gehört haben.

Die Weisen bleiben auch nicht. Sie sind dem Kind begegnet und haben Gott getroffen. Sie wurden angerührt von der Geistkraft, vom Ursprung des Lebens. Das können sie nicht für sich behalten. Es muss in die Welt

Sie gehen voller Mut und voller Hoffnung. Dieses Kind, Gottes Sohn verändert die Welt.

Die Botschaft von der Liebe erfüllt sie. Ein anderes Leben ist möglich: Frieden. Gerechtigkeit. Immer wieder ein neuer Anfang. Und: das große Geschenk der Liebe.

Auf welchen Wegen diese Botschaft in die Welt kommt, wissen wir nicht genau. Bis heute ist es ein Geheimnis. Aber es geschieht – geplant und ungeplant; in Gotteshäusern, an Küchentischen und beim Laufen.

Gottes Geist weht, wo er will und wie er will. Aber er ist aus den Menschen nicht mehr herauszukriegen.

Er steckt in uns und ist bei uns. Manchmal spüren wir es, wenn die Liebe uns berührt oder die Schöpfung uns staunen lässt.

In einem Kinderbuch, das ich meinen Kindern oft vorgelesen habe, gehen alle weiter und der Stern ist nicht mehr da. Aber über allen, die nun aufbrechen, erscheint ein winzig kleiner Stern und geht mit ihnen. Gott geht mit. Möge jeder Stern zum Weihnachtsfest uns erinnern.

„Und als sie den Stern sahen, waren sie voller Freude.“ (Matthäusevangelium 2,10)

Amen.

Peter Burkowski

*Peter Burkowski, Pfarrer und Leiter der Führungsakademie für Kirche und Diakonie in Berlin, predigt beim Ökumenischen Abendgebet in der Kaiser-Wilhelm- Gedächtnis-Kirche am Vorabend des BERLIN-MARATHON

Peter Burkowski läuft seit mehr als 40 Jahren, in jungen Jahren Mittelstrecken und seit 1999 Marathon.

Horst Milde

 

author: GRR