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23
03
2020

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Warum in diesen Zeiten nicht L‘Equipe lesen? Von KLAUS BLUME

By GRR 0

Heute schon L‘Equipe gelesen? Nein? 

Weil Sie meinen, wenn des Corona-Virus wegen weder Marathonläufe noch Radrennen, weder Fußball noch Eishockey gespielt wird, habe sich das Erscheinen der französischen Sporttageszeitung „L‘Equipe“ erledigt?

Von wegen! L‘Equipe, im Internet auch auf deutsch zu lesen, erscheint weiterhin, und zwar Tag für Tag mit rund 250 000 gedruckten Exemplaren. Denn Ideen, so Chefredakteur Jerome Cazadieu, habe man genug. Sie würden mindestens noch zweieinhalb Jahre reichen. 

So strampelt derzeit der italienische Rad-Star Vincenzo Nibali in seinem Wohnzimmer auf dem Heimrad nicht nur einfach vor sich hin, sondern – mit besonderem Elan – über die Schlüsselstellen des ausgefallenen Eintagsklassikers Mailand-San Remo. Wer will, mag nun daheim versuchen, dem Sieger der Tour de France, des Giro d‘Italia und der Vuelta Espana, per Youtube nach zu eifern. Oder demnächst einem der großen französischen Läufer, der zum Traben auf dem heimischen Balkon ermuntern will.

Man habe genügend Ideen im Köcher, sagt Chefredakteur Jerome Cazadieu. So schrieb jetzt Vincent Duluc, übrigens ein literarisches Ausnahmetalent, mit feiner Feder über die Auswirkungen früherer Epidemien auf den Sport.  Bei Duluc erfuhr man, dass die spanische Grippe zwischen 1918 und 1920 allein in Frankreich 400 000 Todesopfer gefordert hatte.

Duluc: „Fünfmal mehr Tote, als der Erste Weltkrieg.“ Man erfuhr außerdem, dass die spanische Grippe damals aus Amerika nach Europa eingeschleppt worden ist. 

Es ist – und das zeigt sich gerade jetzt – eben nicht die schlichte 1:0-Berichterstattung, die „L‘Equipe“ seit 1944 über Wasser hält. Es waren und es sind auch heute vor allem deren schriftstellerisch begabte Reporter. Kaum jemand schrieb, zum Beispiel, so leidenschaftlich und so schön über die Tour de -France, wie der 2001 verstorbene Antoine Blondin. Er schrieb seine tägliche Tour-Glosse übrigens meist direkt auf der Theke irgendeines Bistros, stets ein Glas Anislikör Pastis 51, vor sich, um das Stück dann lautstark nach Paris durch zu telefonieren, wo es eine Sekretärin notieren musste.

Antoine Blondins Rolle  wurde von dem stets ganz und gar in Schwarz gewandeten Philippe Brunel übernommen. Wenn wir beide gemeinsam in einem Pressesaal vor dem Fernseher saßen, schweigend und ohne Notizblock, man kann sich ja merken, was man sieht und hört, nickten wir uns hin und wieder kurz zu. Das reichte allemal als Zwiegespräch. Danach verließen wir den Saal in Richtung Schreibgerät. Ebenfalls schweigend, aber sich ermunternd zunickend. 

Lesen Sie mal L‘Equipe, gerade in diesen Zeiten. Im Mittelpunkt steht dort nicht nur der Fußball, sondern auch die Leichtathletik, der Radsport, der Skisport, der Motorsport – und Rugby. Natürlich hat L‘Equipe, das zur Amaury Sport Organisation (ASO) in Paris gehört, viele Sportereignisse selbst erfunden, um darüber zu berichten: die Tour, den Ski-Weltcup, die Rallye Paris-Dakar und, und, und. 

Aber dessen ungeachtet, gehen den 200 Journalisten um Chefredakteur Jerome Cazadieu niemals die Ideen aus. Auch nicht in diesen schlimmen Zeiten. Und manchmal hilft ja auch die Aktualität nach.

Am Montag, 12.52 Uhr, kündigte L‘Equipe die Geschichte an:

„Die Arroganz des Thomas Bach“.

Voila!

Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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Tel: +49 (0) 40 229 7048
klausblume@t-online.de

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