Henner Misersky - Foto: Fabian Knisel
Warum Henner Misersky am Rechtsstreit mit Ines Geipel festhält: „Sie war als privilegierte DDR-Staatssportlerin Teil des Systems“ – Von KLAUS BLUME
STÜTZERBACH. Henner Misersky hat den Vergleich im Rechtsstreit mit der früheren Sprinterin Ines Geipel vor dem Landgericht Berlin widerrufen.
Der frühere Hindernisläufer aus Thüringen will die ehemalige Vorsitzende der Deutschen-Opfer-Hilfe (DOH) auch weiterhin öffentlich anprangern.
Warum, erklärte das 79-jährige Mitglied der deutschen Hall of Fame wie folgt:
„Ich war an der Gründung des DOH beteiligt, Beiratsmitglied Ethik und bereits 1991 bei der Richthofen-Kommission ,als es um die Dopingproblematik der DDR ging tätig. Das Ausmaß des Sportbetrugs West
kam erst Jahre später auf die Agenda. Im Mai 2018 bin ich aus Protest aus dem DOH ausgetreten und weiß wovon ich rede!
Man konnte in der DDR Nein zum Doping sagen. Ich habe es als Sportler und auch als Trainer getan, ebenso unsere Tochter Antje als DDR-Meisterin im Skilanglauf,(1984-1985), die später erste gesamtdeutsche Olympiasiegerin im Biathlon (Albertville 1992) wurde. Andere Trainer und Sportler mit einem funktionierenden moralischen Kompass haben es auch so gehalten.“
Zurück zur DOH: „Es ist eine Legende zu behaupten, dopende DDR -Sportler*innen könnten überhaupt nur Opfer sein. Die Einzelfallbetrachtung ist notwendig, ist primär das Alter betreffend, ob jugendlich, erwachsen, einschließlich der sportartspezifischen Konstellationen“, schreibt Misersky und fährt fort: „Ines Geipel war als privilegierte DDR-Staatssportlerin Teil des Systems. Ein Informant aus ihrem Umfeld berichtet von einer krankhaft gesteigerten Libido durch den hohen Anabolikakonsum bei jungen
Frauen.“
Und: „Sie rangiert aktuell auf Rang 441 mit ihrer dopinggestützten persönlichen 100-Meter-Bestzeit von 1983, einer 11,21; nicht nur vom Rückenwind begünstigt von 1,5 m Sekunden, sondern gemäß Franke /Berendonk auch mit der „Unterstützung“ von 910 mg des als Dopingpräparat eingesetzten rezeptpflichtigen DDR-Medikaments Oral-Turinabol, einem anabolen Steroid des VEB-Jenapharm. Siehe auch „Von der Forschung zum Betrug“, Dopingdokumente-Heidelberg 1991, Seite 120.“
Über Doping in der DDR schreibt Misersky: „Es gab keinerlei Zwang, Leistungssport zu treiben, genau sowenig, wie für die STASI zu arbeiten, oder wie Ines Geipel SED-Mitglied zu werden. Ich habe es als Sportler und auch als Trainer getan; andere Trainer und Sportler mit einem funktionierenden moralischen Kompass auch. Ines Geipel aber war als privilegierte DDR-Staatssportlerin Teil des Systems, das sich wissentlich und willentlich in ein Betrugssystem integrierte. In Stasi-Unterlagen ist nachzulesen, dass sie bei ihrem Trainer gezielt um Dopingmittel nachfragte. Ansonsten hätte sie von 1977 bis 1985 keine staatliche Förderung mit Privilegien und Westreisen bekommen, auch keinen der sehr begehrten Germanistik-Studienplätze. Als „Staatsfeindin“ wäre sie in der DDR gar nicht
immatrikuliert oder zumindest umgehend exmatrikuliert worden.“
Misersky erklärt weiter: „Von Weltklasse oder Spitzenleistungen kann an Hand ihrer Leistungen keine Rede sein, denn für die DDR nahm sie an keiner Europameisterschaft, Weltmeisterschaft oder an Olympischen Spielen teil. Ines Geipel ist in keiner Datenbank, in keiner Leichtathletikdisziplin der
IAAF als Weltrekordhalterin geführt. So begibt sich Frau Geipel als ehemaliges SED-Mitglied und privilegierte Staatssportlerin der DDR,-hochgedopt übrigens, – in eine Opferrolle, die ihr nicht zusteht.“
ANMERKUNG
Von 1954 an hat Klaus Blume über Jahre gemeinsam mit Henner Misersky in einer Läufergruppe als Mittelstreckler trainiert. Zum Teil unter Rolf Donath (91). Dieser wiederum war von 1980 bis 1990 Ärztlicher Direktor des Sportmedizinischen Dienstes in Kreischa, der Doping-Kernzelle der DDR. Sowohl Miserky als auch Klaus Blune hat er als Trainer jedoch nie Dopingmittel angeboten. Am 5. Februar 1990 forderte Donath im Deutschlandfunk eine gemeinsame deutsche Olympiamannschaft.