Insgesamt gingen 30. 000 Teilnehmer an den Start auf dem großflächigen Suche-Bator-Platz von Ulan-Bator - Foto: Veranstalter
Warum das Reich der Reiter rennt – Vor 10 Jahren war in Ulan-Bator der Marathon noch eine Sensation – Klaus Weidt berichtet
Nun ist er eine Erfolgsgeschichte mit 30 000 Läufern, die leider durch Corona unterbrochen wird.
Spätestens seit Dschingis Khan, der bis Europa ritt, sind die Mongolen als Volk der Reiter weltbekannt. Wie sollten sie auch ihre riesigen Steppen durchqueren?
Und selbst, als sich Ulan-Bator (Ulaanbaatar) mehr und mehr zur modernen Großstadt mauserte, verdrängten lediglich die Kraftfahrzeuge die alten Pferdestärken. Aber laufen, gar Marathon?
Undenkbar. Der einsame Marathonmann Serod Batachir, in Japan vom Lauffieber infiziert worden, suchte sich Trainings- und Wettkampfmöglichkeiten anderswo.
Das sollte sich auf einmal schlagartig ändern.
Nachdem wir mehrmals die faszinierende Mongolei erlebt und auch ein wenig durchquert hatten, hielten wir vorsichtig nach Partnern Ausschau, die man mit dem Marathonfieber infizieren könnte. Und wir fanden sie. Die Agentur Ar Mongol Travel begeisterte sich an dieser Idee. Schließlich kämen da gewiss neue Touristen aus anderen Ländern. Eingeladen nach Ulan-Bator, stellten sich dort sofort weitere Partner ein. So das Nationale Olympische Komitee, die Stadtleitung und mit Zaya Mehdehgu ein engagierter deutschsprechender Touristik-Manager.
Na gut, sagten alle. Wenn ihr Organisatoren mitbringt – die Strecke würde unsere Polizei schon freihalten. Man könne ja den Lauf-Versuch starten, war sich aber nicht sicher, ob eine solche Idee im Land der Reiter und Jurten zünden würde. Wir konzipierten Distanzen über Marathon, Halbmarathon durch die inzwischen quirlige mongolische Metropole und schlugen auch eine Einsteiger-Strecke vor.
So entstand die „Mongolia-Meile“ mit 1500 Metern.
Im Juni des Jahres 2010 flogen wir mit einer Gruppe von 86 Läufern und Touristen über Peking bzw. Irkutsk nach Ulan-Bator. Darunter drei versierte Anhaltiner Organisatoren. Die Premiere am 5. Juni wurde dann ein toller Erfolg. Erstmals in der Geschichte der Stadt war ein Verbot für Motorfahrzeuge ausgesprochen worden. Pferde waren sowieso nicht mehr im Zentrum zu erwarten. Und erstmals gab es eine vermessene Stecke von 42,195 km, an die sich auch ein paar Einheimische wagten. Einer davon hatte allerdings schon Marathon-Erfahrungen in anderen Ländern gesammelt und siegte beim ersten „Mongolia-Marathon“ ungefährdet – der „einsame Marathonmann“.
Bei der Abschlussfeier kam Premierengewinner Serod Batachir auf uns zu und fragte an, ob er nicht auch beim Berlin-Marathon starten könnte. Zurück in Berlin, telefonierten wir mit Renndirektor Mark Milde. Der zögerte nicht lange und lud ihn ein. Serod reiste noch 2010 an, rannte und wurde – zur Verblüffung aller – Zehnter im Ziel hinter dem Brandenburger Tor.
Aus dem „Mongolia-Marathon“ wurde bald ein „Ulan-Bator-Marathon“ (Ulaanbaatar Marathon). Die Stadtoberen übernahmen Regie und Kosten und gaben der neuen Veranstaltung den Namen ihrer Hauptstadt. Sogar Preisgelder wurden ausgelobt, und bald tauchten auch afrikanische Läufer im Land der Reiter und nunmehr auch der Renner auf. Vor allem aber ging es den Veranstaltern darum, viele Menschen der riesigen Mongolei ins Laufen zu bringen. Was nachweislich gelang.
Den Sieg und das Preisgeld holte sich der Kenianer Koros Kenneth Kirkoech – Foto. Veranstalter
Angebote für Familien und Kinder kamen ins Marathon-Programm. Freund Zaya, Mitstreiter der ersten Stunde, schickte uns vor kurzem eine E-Mail und zeigte sich begeistert. Die Teilnehmerzahlen stiegen inzwischen in die Tausende und Abertausende.
„Im Vorjahr hatten wir 30 000 am Start auf dem Suche-Bator-Platz. 150 Kampfrichter und 500 Studenten halfen“, berichtete er. Die ganze Stadt war autofrei. Der Bürgermeister S. Amarsaikhan eröffnete am 18. Mai. Es war der 380. Jahrestag der Gründung von Ulan-Bator. Zaya schickte uns auch Ergebnislisten. So gewann beim Marathon mit Kenneth Kirkoech ein Mann aus Kenia in 2:23:33, doch folgte nur eine Zehntel hinter ihm mit Dambarjaa Gantulga ein mongolischer Läufer.
Beim Frauen-Marathon siegte eine Mongolin vor vielen weiteren ihrer Landsleute. Die größte Beachtung erhielten die kleineren Distanzen, auf denen sich viele Familien, Einsteiger und Kinder laufend ausprobierten. Mit 30 000 Teilnehmern zählt dieser Marathon in Ulan-Bator nunmehr zu den größten Laufveranstaltungen Asiens.
Zaya Mehdegui musste uns allerdings auch eine traurige Mitteilung senden. Der diesjährige Ulan-Bator-Marathon fällt aus. Corona hat auch in der Mongolei zugeschlagen. Das gleiche Schicksal könnte Ende Juni selbst das traditionelle Nadom-Fest, das urtümliche historische Mongolenfest mit Reiten, Ringen und Bogenschießen, treffen.
„Wir lassen uns aber nicht unterkriegen“, schrieb unser guter alter Freund Zaya. „Im nächsten Jahr läuft alles erneut durch unsere Hauptstadt.“
Ob wir auch mal wieder kämen?
Darüber ließe sich durchaus nachdenken…
Klaus Weidt
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Der Ulan-Bator-Marathon (Ulaanbaatar Marathon), bis 2012 als Mongolia-Marathon, findet seit 2010 statt. Auch mit Halbmarathon, 10 km, Kinder- und Familienläufen. Die Initiatoren waren 2010 Klaus Weidt und Christel Schemel („Reisezeit“ Berlin), die ersten Organisatoren Gerd und Liesel Engel sowie Udo Wimmer (alle aus Stendal). Er wird heute mit Unterstützung und Schirmherrschaft des Gouverneurs und Bürgermeisters sowie mit Hilfe des Nationalen Olympischen Komitees und der Athletik-Föderation alljährlich im Mai durchgeführt.
Werbeposter des Ulaanbaatar Marathon – Foto: Klaus Weidt