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22
10
2019

Barack Obama - Foto: Horst Milde

WARUM BARACK OBAMA den neuesten Marathon-Weltrekorden mißtraut: „Trampolin-Effekte“ statt Traingserfahrungen – Von KLAUS BLUME

By GRR 0

Wenn jetzt sogar ein Friedensnobel-Preisträger twittert, die neuesten Marathon-Weltrekorde seien keineswegs die Folge neuer Trainingserkenntnisse, sondern „zweifellos die Ergebnisse der Nike-Schuh-Technology“, hat dieses Thema endgültig eine neue Qualität erreicht.

Auch beim Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF). Dass der bekennende Dauerläufer Barack Obama damit den Vaporfly-Schuhen des Hauses Nike unwidersprochen einen leistungsfördernden „Trampolin-Effekt“ unterstellt, und zugleich die gültige Leistungs-Balance in Frage stellt, spricht so manchem Athleten – ob Bahn- oder Straßenläufer – aus der Seele.

Um vor dem internationalen Saisonschluss, dem Frankfurter (27. Oktober) und dem New York Marathon (3. November), die längst ausufernde Schuh-Debatte auf den Punkt zu bringen, vorweg ein Blick ins gültige IAAF-Regelwerk. Dort heißt es,  Athleten dürfen barfuß oder mit Schuhen starten. Der Zweck von Wettkampfschuhen bestehe darin, den Füßen Schutz und Stabilität zu verleihen, um einen festen Halt auf dem Boden zu gewährleisten.

Die Schuhe dürften jedoch nicht so konstruiert sein, dass sie den Athleten unfaire Unterstützung oder Vorteile verschaffen können. Und: Jeder verwendete Schuhtyp muss im Sinne der universellen Leichtathletik für alle Athleten einigermaßen verfügbar sein.

Und da wird‘s schwierig.

Wobei sich Obamas Einmischung vor allem auf Beobachtungen der kenianischen Marathon-Weltrekordlerin Birgit Kosgei ( 2:14:04 Stunden) in Chikago gründen. Während der dortigen Pressekonferenz habe diese, so Obama, andere Vaporfly-Schuhe bei sich gehabt, als tagsdrauf im Rennen.

Das US-Internetportal „Letsrun.com“ erläutert daraufhin, ursprünglich habe Kosgei in Chikago jenes Modell tragen wollen, mit dem sie  am 8. September beim englischen Great North Run die schnellste Halbmarathonzeit einer Frau erzielte hatte. Doch Eliud Kipchoges gelungenes 1:59-Event in Wien habe sie plötzlich umdenken lassen.

Just an diesem Punkt erfahren Obamas Einmischungen nun eine unerwartete Brisanz. Denn siehe da, bei Vaporfly-Schuhen der Rekordläufer geht es gar nicht um eine bessere Standfestigkeit, sondern um eine Leistungssteigerung von 2,4 bis 4,0 Prozent! Wer will, kann so etwas auch als eine andere Form des Dopings bezeichnen.

Vor allem, weil es sich bei diesen „Weltrekord-Schuhen“ fast immer um so genannte Prototypen gehandelt hat, die keinesfalls für jedermann erhältlich sind. Orthopäden und Ingenieure behaupten zudem, Nike habe sich gegenüber der Konkurrenz inzwischen einen Entwicklungsvorsprung von zwei Jahren erarbeitet.

Begonnen hat das alles bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro.

Damals gewann der Kenianer Eliud Kipchoge vor dem Äthiopier Feyisa Lilesa und dem US-Amerikaner Galen Rupp den Marathonlauf. Alle drei liefen in identischen Vaporfly-Protoypen ins Ziel, die aber – weil nicht in Serie produziert – nicht untersucht wurden. Inzwischen wurden die fünf schnellsten Marathonrennen der Geschichte in Vaporfly-Schuhen bestritten.

Und auf der Tartanbahn?

In diesem Jahr lief die aus Äthiopien stammende Niederländerin Sifan Hassan vier Europa- und zwei Weltrekorde. Ihre nur schwer erklärbare Bandbreite reicht mittlerweile von 1500 Meter (3:51,95  Minuten) bis zum Halbmarathon (1:05:15 Stunden). Natürlich trug sie dabei ständig neue Vaporfly-Prototypen – sorgfältig von Nike-Sicherheitsleuten bewacht.

Auch deshalb haben Redakteure des amerikanischen Lauf-Portals „Letsrun.com“ in „nervenzerfetzenden“ Gesprächen mit den Experten der IAAF herausfinden wollen, ob ihr „Schuh-Paragraph“ nicht ungehörig gebeugt würde.

Deren stereotype Antwort: Alles nur Auslegungssache.

Doch wie auch immer, von Nike gesponserte Läufer können ganztägig in diesen sogenannten Prototypen trainieren; allein das stellt einen enormen Vorteil gegenüber allen anderen Läufern dar.

Lässt man sich das alles durch den Kopf gehen, entsteht auf einmal eine völlig neue Weltbestenliste – mit dem Kenianer Dennis Kimetto an der Spitze. Er durcheilte am 28. 9. 2014 in Berlin die 42,195 Kilometer in 2:02:57 Stunden. In ganz normalen Rennschuhen, so, wie sie damals in jedem Sportartikel-Geschäft zu erhalten waren.

Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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