Blog
08
05
2021

Umstritten: Alfons Hörmann hat seinen Rücktritt als DOSB-Präsident bereits angekündigt. - Foto: DOSB

Vorwürfe gegen DOSB-Präsident: „Mich hat diese Klage nicht verwundert“ – Anno Hecker und Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Nach der Kritik an Alfons Hörmann und seinem Führungsstil wird der Rücktritt des DOSB-Präsidenten gefordert. Der LSB macht deutlich, dass es sich bei der Mail um einen authentischen Hilferuf handelt.

Der Landessportbund Nordrhein-Westfalen erhöht den Druck auf Alfons Hörmann und macht sich die bislang anonyme Forderung nach dessen Rücktritt von der Präsidentschaft des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zu eigen. „Herr Hörmann sollte umgehend zurücktreten und den Weg für eine Neuwahl frei machen“, forderte Stefan Klett, Präsident des LSB Nordrhein-Westfalen, am Freitag in der Sportschau:

„Der gemeinnützige deutsche Sport braucht Vertrauen, Transparenz und Menschlichkeit in der Pandemiezeit und einen Präsidenten, der seinen Mitgliedsorganisationen und der Basis aktiv zuhört, statt sie zu ignorieren.“

Am Abend machte der LSB deutlich, dass es sich bei der Mail um einen authentischen Hilferuf aus der Belegschaft des DOSB in Frankfurt handelt. „Schon vor Wochen haben Mitarbeitende des DOSB uns gegenüber über Vorgänge berichtet, die sich vollständig und teilweise wortgleich mit dem decken, was gestern im Rahmen eines anonym veröffentlichten Offenen Briefes an Vorwürfen gegenüber Herrn Hörmann geäußert worden ist“, schrieb der LSB an die Führung des DOSB: „Darüber hinaus wurden uns die Vorgänge auch nach Erscheinen des Briefes von Mitarbeitenden des DOSB bestätigt. Wir appellieren an die betroffenen Mitarbeitenden, sich an eine neutrale Beschwerdestelle zu richten.“

Die Präsidentin des Deutschen Fechter-Bundes, Claudia Bokel, schrieb auf Twitter: „Wenn das alles stimmt, ist es ein Skandal. Wir brauchen beim DOSB als Dachverband eine Führung, die die Werte des Sports von der Spitze an vertritt. Sport gehört den Sportlerinnen und Sportlern.“ Für den LSB Hessen sagte dessen Präsident Rolf Müller der F.A.Z.: „Bei aller Zurückhaltung angesichts des anonymen Briefes muss man die Frage stellen, ob die Persönlichkeitsstruktur der Führung geeignet ist, Menschen respektvoll zu führen. Mich hat diese Klage nicht verwundert, das muss ich ganz deutlich sagen. Man darf nicht voreilig, also reflexhaft reagieren, aber es scheint eine Veränderung nötig. Vielleicht hilft eine Mediation.“ Thomas Härtel, LSB-Präsident aus Berlin, riet, die Mail als Aufforderung dazu zu verstehen, dass Verbände im Sinne ihrer Leitbilder arbeiten. „Die Aufgabenteilung zwischen Haupt- und Ehrenamt hat sich offenbar nicht eingespielt“, mahnte er. „Diese Rollen müssen gelebt werden.“

Am Donnerstag war eine anonyme Mail mit dem Betreff veröffentlicht worden: „Warum wir eine/n neue/n Präsident*in brauchen: Offener Brief aus der Mitarbeiterschaft des Deutschen Olympischen Sportbundes“. Darin wurden eine „Kultur der Angst“ innerhalb des DOSB beklagt, der Mangel an Respekt und Fairplay in den Führungsgremien, „vor allem bei unserem Präsidenten Alfons Hörmann“, sowie „eine schier endlose Reihe von zweifelhaften Verhaltensweisen, geprägt von einem uns gegenüber herablassenden Auftreten“.

Präsidium und Vorstand des Dachverbandes des deutschen Sports stärken dagegen ihrem Präsidenten in öffentlichen Erklärungen den Rücken. Verwundert über die Vorwürfe gaben sich die ehrenamtlichen Präsidiumsmitglieder Uschi Schmitz, Andreas Silbersack, Kaweh Niroomand, Gudrun Doll-Tepper, Petra Tzschoppe, Jonathan Koch und Britta Heidemann in einer auf der Website des DOSB veröffentlichten Erklärung. Sie sprechen Hörmann „das uneingeschränkte Vertrauen und unsere vollumfängliche Unterstützung“ aus. „Ungeachtet dessen werden wir die angeführten Kritikpunkte umfassend prüfen“, versprechen sie.

Der hauptamtliche Vorstand von Veronika Rücker, Thomas Arnold, Christina Gassner und Dirk Schimmelpfennig weist die Kritik „an unserem Präsidenten Alfons Hörmann“ „in aller Klarheit“ zurück; er könne keinerlei Verhaltensweisen erkennen, die – es folgt ein Zitat aus dem offenen Brief – „jegliche Form des Respekts und Anstands vermissen lassen“. Vielmehr werde in der Zusammenarbeit des Präsidenten mit dem Vorstand jederzeit ein vertrauensvoller und gegenseitig wertschätzender Umgang gelebt. Der Vorstand verspricht, die Vorwürfe zu prüfen und sich „intensiv mit den Mitarbeiter*innen zu einem gemeinsamen Verständnis von einem werteorientierten, von Respekt und Fairplay geprägten Handeln auszutauschen“.

Für Freitag „keineswegs überraschend“

Zweifel an einer vorbehaltlosen internen Aufklärung hegt die Bundestagsabgeordnete Dagmar Freitag, die als Vorsitzende des Sportausschusses auf einige Zusammenstöße mit Hörmann zurückblicken kann. „Die nach meiner Wahrnehmung fast pathetisch anmutenden Solidaritätsbekundungen von Präsidium und Vorstand, die im Ergebnis allerdings in krassem Widerspruch zu dem öffentlich gewordenen Hilfeschrei von Teilen der Belegschaft stehen, kommen für mich keineswegs überraschend“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die Formulierungen ließen befürchten, dass eine ergebnisoffene Auseinandersetzung mit den Vorwürfen eher nicht erfolgen werde.

Die Ethik-Kommission des DOSB, deren Vorsitzender der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière ist, muss laut Satzung beim Verdacht auf Verstoß gegen die Grundsätze guter Verbandsführung tätig werden. Auf seiner Website bildet der DOSB seinen Compliance-Beauftragten, Finanzvorstand Arnold, in dem Gremium ab.

Müller sagte, bei allem Vorbehalt gegen die Anonymität der Vorwürfe mache ihm der Umgang mit Mitarbeitern großen Kummer. „Ich gehe davon aus, dass so ein Brief, hinter dem angeblich eine größere Zahl von Mitarbeitern stehen soll, einen großen Druck im Kessel signalisiert. Wenn das die Führungskultur sein sollte, dann geht das gar nicht.“

Klett warf Hörmann eine Reihe Fehler vor: „Nach der desaströsen wiederholten Olympiapleite, dem zerschnittenen Tischtuch mit dem IOC, dem Dilettantismus im Umgang mit der Einwirkung auf das Impfschutzgesetz bringt dieser Vorgang das Fass zum Überlaufen.“

Damit sind die Zurückhaltung Hörmanns bei der Unterstützung der Olympia-Ambitionen von Rhein-Ruhr gemeint, seine Kritik am Internationalen Olympischen Komitee (IOC), die zur Folge hatte, dass das für Bewerbungen zuständige norwegische IOC-Mitglied Kristin Kloster Aasen Hörmann aufforderte, Fehlinformationen und unrichtige Aussagen nicht weiterzuverbreiten.

Jüngst war Hörmann und dem DOSB mangelnder politischer Einfluss im Hinblick auf die Bundes-Notbremse vorgeworfen worden; sie enthält für den Sport enttäuschende Regelungen.

Anno Hecker und Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Freitag, dem 7. Mai 2021

 

 

author: GRR