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Vorsicht – Gefahr für alle Läufer – Achillodynien – Lothar Pöhlitz*
© Lothar Pöhlitz – Im Leistungssport muß man Verletzungen „bekämpfen“ bevor sie auftreten, wissen nicht nur die Trainer.
Das erfordert steigende Belastungen und Regenerationsmaßnahmen sehr früh in Balance zu halten, den Läufern das wie zu lehren und bei den meisten dies zu überwachen. Entzündungen rund um die etwa 1,5 cm starken Achillessehnen, die sich in Gleitgeweben bewegen, gehören, auch wenn sie die stärksten Sehnen des Menschen sind, zu den unangenehmen.
Oft sind sie nicht stabil genug, wenn Läufer für ihre Belastungen, die Regeneration, die richtigen Schuhe oder einen systematischen Belastungsaufbau nicht genügend Zeit aufwenden. Deshalb muß die Kraftübertragung von den Füßen über die Wadenmuskeln zur Ferse, besonders von Leistungsläufern, langfristig und gezielt aufgebaut werden. In der vieltausendfachen, von der Geschwindigkeit, den Bodenverhältnissen, der Lauftechnik und den Sportschuhen abhängigen Belastungen beim Laufen (Fußaufsatz, Abrollbewegung, Fußabdruck) liegen viele Ursachen.
Bevor demnächst die Intensitäten immer mehr ansteigen, das Training schneller wird, die Spikes mehr und mehr wichtig werden, soll an dieser Stelle auf die in der Vergangenheit oftmaligen Achillodynien hingewiesen und Erfahrungen vermittelt werden. Wenn die Sehne erst entzündet ist dauert die „Reparatur“ oft lange.
Deshalb vor allem die Durchblutung sichern und warmhalten
Gefahr droht, wenn die Belastung und Erholung von Muskeln, Sehnen und Faszien mit zunehmenden Trainingsalter im Hochleistungstraining nicht immer systematisch genug erhöht und nicht ausreichend physiotherapeutisch begleitet wird. Wer die Ausbildung der Fuß-, Bein- und Becken-/ Rückenmuskulatur nicht ernst nimmt, erlebt eines Tages Reizungen, Entzündungen des Gleitgewebes und sogar Sehnenrisse. Es wird übersehen das die Sehnen ein Teil eines komplexen mechanischen Systems sind, in dem alle Teile möglichst gleichgut entwickelt sein sollten.
Ungenügend vorbereitete, länger anhaltende Extrembelastungen, chronische Überforderungen, eine gleichzeitige qualitative und quantitative Steigerung der Intensität, ohne die gleichzeitig verstärkenden Maßnahmen zur schnellen, umfassenden Regeneration, der Durchblutungsförderung, zur Dehnung der Wadenmuskulatur und der Kräftigung der Antagonisten, der Unterkühlung der Ansatzbereiche oben und unten sowie der Wahl der Sportschuhe und der Bodenverhältnisse, sind wesentliche Ursachen für eine sich meist langsam entwickelnde Achillessehnenentzündung.
Die Dehnung soll erfolgen bevor die Sehne schmerzt. Konsultiere bei ersten Schmerzen rechtzeitig einen Fach-Arzt, Physiotherapeuten oder Chiropraktiker
Ziel muß sein die Faszien – zwischen Knochen und Muskeln – zu trainieren. Elastische, stabile und gleitfähige, nicht verklebte oder verkürzte Faszien bilden zusammen mit kräftigen Füßen für die langjährige „gesunde“ Arbeit der Achillessehnen die Grundlage. Die Rollen (Blackroll o.a.) und rechtzeitige Selbstmassagen können Faszienverklebungen und Verhärtun-gen verhindern oder lösen.
Gut ist es erst wenn die Fersen am Boden und der Po unten ist – Foto: Pöhlitz
Nicht so selten sind die Laufschuhe oder Spikes die Ursache
Nicht immer sind die teuersten Laufschuhe die Besten. Langjährige Beobachtungen aus der Trainingspraxis weisen besonders auf Zeiträume von Modellwechseln oder Firmen bei Sportschuhen (meist sind die Sportler ja an eine bestimmte Sportschuhfirma „gebunden“ und Laufschuhe von heute sind nicht mehr, auch wegen der Kunststoffverarbeitung, wie Laufschuhe von damals) und Zeiträume nach längeren Trainingsabschnitten, in denen nur in Einlaufschuhen trainiert oder nur langsam gelaufen wurde, hin. Deshalb wird empfohlen in solchen Phasen regelmäßig, wenn auch nur wenige Tempoläufe mit Spikes oder auch Steigerungsläufe nach Dauerläufen, am besten auf Rasen, einzufügen.
Vor allem in Trainingsabschnitten, in denen Tempolaufprogramme mit Spikes wieder wichtig sind, sollte eine systematische Gewöhnung an die Spikes durch zunächst nur 2-3 Läufe in Spikes jeweils zum Ende eines Tempolaufprogramms erfolgen, um dann die Anzahl schrittweise zu erhöhen. Nur mit Geduld können sich in solchen Trainingsphasen, aber auch bei Aufnahme neuer Trainingsformen wie z.B. intensiver Sprünge, die belasteten Strukturen in den weniger durchbluteten Bereichen der Achillessehne anpassen.
Eigenbehandlungen und Physiotherapie werden unterschätzt
Langwierige, schmerzhafte Beschwerden sind oft das Ergebnis nicht frühzeitiger intensiver Eigenbehandlungen oder auch Blockierungen im oberen Sprunggelenk oder auch in der Lendenwirbelsäule. Deshalb kommt der Pflege dieser „Konstruktionsschwachstelle“ für Menschen, die sicher nicht für unser Hobby „konstruiert“ wurde, die viele Tausend Kilometer im Jahr oder auch hohe Geschwindigkeiten in Spikes, eine außerordentliche Bedeutung zu!
„Ursachen für funktionelle Beeinträchtigungen liegen u.a. in einem blockierten oberen Sprunggelenk, einer ermüdeten, verkürzten Wadenmuskulatur, einer Unterversorgung durch die motorischen Nerven aus der Lendenwirbelsäule, durch Muskeltonusprobleme und dadurch verursachte anhaltende Zugspannungen“ (Müller-Wohlfahrt 2018).
Bei ersten Reizungen der Achillessehne helfen oft Massagen der Umgebung und der Füße bis zum Knie, mehrmalige tägliche Eisbehandlungen, Fußbäder oder auch eine sofortige 2-3tägige Trainingspause. Um weitere Trainingsausfälle zu vermeiden sollten schnellstmöglich physiotherapeutischer bzw. ärztlicher Rat und Maßnahmen ergänzend eingeholt werden. Voraussetzung für die Wirksamkeit ist eine konsequente mehrmals tägliche Durchführung der ausgewählten Maßnahmen und eine sofortige Abstimmung möglicherweise veränderter Trainingsinhalte mit dem Trainer. Dabei sollten veränderte Konsequenzen in den Regenerationsmaßnahmen an der Spitze aller Überlegungen stehen.
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Positive Erfahrungen zur Vermeidung und Behandlung von Achillodynien
Prophylaktisch sollten Läufer regelmäßig ihre Trainingsuntergründe wechseln (Bahn, Wald, Straße, Finnbahn, feste Wege, auch Querfeldeinläufe, Wasserlaufen usw.), nicht auf seitlich abgeschrägten Straßen laufen, Extreme (wie Sandstrände oder zum Meer abfallende Strände in Trainingslagern nur vorsichtig ins Training einbeziehen) meiden, die Bereiche „rund um die Sehne“ warm halten (warme Kniestrümpfe) bzw. richtig für das jeweilige Training aufwärmen (vorbereiten) und nie in „abgelatschten“ Schuhen trainieren, auch wenn der Läufer meint es seien seine Besten.
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„Die Schaltzentrale für die Beinmuskulatur liegt im unteren Lendenwirbel-bereich und muß beschwerdefrei und gut beweglich sein. Eine regelmäßige physiotherapeutische Betreuung und Pflege und ein gut entwickeltes Muskelkorsett schützen vor Muskelverletzungen“ (Müller-Wohlfahrt 2018).
Bei ersten Reizerscheinungen Läufe in Spikes, Sprünge und Kraftübungen die auf die Sehne wirken, zeitweilig einstellen, aber das Training geht, angepasst an die Möglichkeiten, weiter. Die Regeneration und Entlastung wird durch Alternativtraining wie intensives Wassertraining, Schwimmen, Radfahren, Beweglichkeits- und Lockerungsübungen und Massagen oder Bürstenmassagen (vor allem der Unterschenkel, Waden und Füße) unterstützt. Wenn möglich einen Chiropraktiker konsultieren, weil die Ursachen auch im Rücken, Oberschenkel oder der Lendenwirbelsäule liegen können.
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Beispiele für Behandlungserfolge
- Selbstmassagen
Massage mit Salbe nach Arztempfehlung + Verträglichkeit / Heilpflanzenöl
Einen 2-3 cm langen Salbenstrang auf das mit Heilpflanzenöl eingeriebene Gewebe geben, den zu behandelnden Unterschenkel auf das andere Knie legen, mit Daumen und Zeigefinger die Salbe ~ 5 Minuten leicht einmassieren, dabei den Fuß langsam kreisend bewegen - Mobilität der Lendenwirbelsäule prüfen
- Bürstenmassage unter der Dusche „von unten nach oben“ (Handbürste) leicht mit weicher Handbürste von Ferse zum Knie hinstreichen (Durchblutung)
- Lockerung, Massagen der Waden- und Fußmuskulatur
- mehrmals täglich Eisbehandlung
- Überprüfung des Schuhwerks durch einen Fachmann (evtl. Einlagen beidbeinig)
- Wechselbäder
1 Eimer heißes + 1 Eimer kaltes Wasser + 2-5 Tropfen Heilpflanzenöl
beide Füße bis mindestens Mitte Wade für ~ 5 Minuten ins 39-42° heißes Wasser, danach 20 – 30“ ins leitungskalte Wasser 2 – 3x wechseln, anschließend - Dehnübungen auf einer schiefen Ebene
- Fußkreisen (heben – senken – rotieren)
- Salbenverbände über Nacht
feuchtes Mulltuch – Salbe wie vom Arzt verordnet großflächig verteilen + wenige Tropfen Heilpflanzenöl – auf gereizte Stelle – Übergang Achillessehne Wade, mit Plastikfolie abdecken, mit Wickel (Handtuch) befestigen, über Nacht einwirken lassen („feucht-warme Kammer“)
Oma sagt immer: auch Packungen mit Haushalts-Quark helfen!
- Harnsäure-Test / evtl. Behandlung
- Entsäuerungsmittel (z.B. Basica u.a.)
- Strombehandlungen (nur beim Physiotherapeuten)
- Ultraschallbehandlung
- Medikamentöse Begleitung: – Tabletten gegen Entzündungen
- Vitamin C (zeitweilig 3 Tage je 1000 mg tägl.)
- Tägl. Fuß-, Bein-, Rücken-Gymnastik vor jedem Training (auch vorm DL – zu Hause auf dem Teppich!)
- Nach der Belastung und abends Fuß- und Fußgelenks-Eigenmassage
- Fußbäder – wenn möglich bis zum Knie
Nicht zu empfehlen:– zu frühe Laufpausen, Ruhe – besser Alternativtraining
– Laufen in Schuhen deren Ränder Druck auf die Sehne ausüben
– Reizstrom, Röntgenbestrahlung
– Cortisonspritze
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Wiederaufbau der Kraft nach Trainingsausfall
Ist Besserung in Sicht soll mit leichten Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit, der Stabilität und Fuß-/Fußgelenkskräftigung begonnen werden. Die Dauer des Wiederaufbaus hängt vom Grad der vorherigen Entzündung / Schädigung ab. Auf alle Fälle soll der Belastungsaufbau allmählich erfolgen. Bewährt haben sich Übungen auf dem Gymnastik-Kreisel, wiederholtes Heben in den Zehenstand, Gehen auf dem Vorfuß (Ballen) und der Ferse, Kräftigung des Fußgewölbes mit Fußstreckung gegen einen Widerstand (Hand hält Zehen fest), Übungen zur Beseitigung von Fußschwächen (Fußgewölbe / Pronation, Supination und zur Kräftigung der vorderen Schienbein- und Wadenmuskulatur).
Parallel dazu das bis dahin genutzte Ersatztraining „verstärken“
Nach der Analyse der vor der Verletzung gemachten Fehler macht ein intelligenter Sportler die Fehler nur einmal.
Operationen lassen sich schließlich nicht umgehen, wenn über längere Zeit, trotz aller konservativer Maßnahmen, und veränderten Trainingsbelastungen, sich die Beschwerden nicht beheben lassen.
Fragen Sie deshalb rechtzeitig einen Leistungssport Fach – Arzt mit Op.-Erfahrung oder Physiotherapeuten!
Lothar Pöhlitz
*Lothar Pöhlitz – Dipl.- Sportlehrer für Leistungssport / Sportwissenschaftler / 1971-1979 Leiter des Wissenschaftlichen Zentrums Lauf/Gehen des DVfL / DLV-Bundestrainer 1980 – 1998 i. R. / Teamleiter Marathon/Straßenlauf / 3x Olympia-Trainer für Deutschland / Langjährig Dozent an der Trainerakademie und DLV-Trainerschule – seit 2006 Leichtathletik-Coaching Academy