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31
08
2020

Hans Grodotzki gewinnt die Silbermedaille über 10.000 m in Rom1960 und ist damit der erfolgreichste 10.000 m Läufer Deutschlands. Foto: ©Bildarchiv Heinrich v. d. Becke im Sportmuseum Berlin

Vor sechzig Jahren gewann Hans Grodotzki zweimal Silber – Einhundert 100-Meter-Sprints im Training – Von KLAUS BLUME

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2. September 1960, Stadio Olimpico di Roma, 17. 10 Uhr: Finale über 5000 Meter: Drei Runden vor Schluss verschärft der Neuseeländer Murray Halberg das Tempo so stark, dass er innerhalb einer Runde einen Vorsprung von 25 Metern herausläuft.

Zwei Runden lang läuft Halberg dieses mörderische Tempo.  Doch auf den letzten 400 Metern ist er erschöpft. Hinter ihm verkürzen Hans Grodotzki aus Potsdam und der Pole Kazimierz Zimny mit jedem Schritt dessen Zeitvorsprung. Mit acht Metern Vorsprung rettet sich Halberg dennoch als Olympiasieger ins Ziel – und bricht dort augenblicklich zusammen. Hinter ihm gewinnt Grodotzki Silber, Zimny Bronze.

„Ein Mitmieter“, erzählt Hans Grodotzki heute, „hat sich jetzt diese Rennphase auf sein Telefon geladen, verrückt was?“ Verrückt aber auch, was Hans Grodotzki einst innerhalb seiner Potsdamer Trainingsgruppe unter dem ungemein kreativen Trainer Curt Eins zu leisten vermochte. Heute kaum mehr vorstellbar. „Das Schlimmste“, erinnert sich der heute 84-Jährige, „war einmal ein Programm von 100 (!) mal  100-Meter-Läufen. Die schnellen 100-Meter-Stücke in jeweils 13 bis 15 Sekunden zu laufen, die zum Auftanken, also die Trabpausen, in 17 bis 18 Sekunden.“

Es gab aber auch Tage, an denen gleich zwanzig 300-Meter-Stücke in jeweils 45 Sekunden zu absolvieren waren, getrennt von nur einhundert Meter kurzen Trabpausen. Alles in allem ein mörderisches Programm. „Doch wir kannten ja kein anderes“, resümiert Grodotzki.

Hans Grodotzki – eine Läufer-Ikone mit einer Vergangenheit, wie sie zum Teil gar nicht so unüblich ist für seine Generation: 1945 aus dem damaligen Ostpreußen mit der Familie ins Thüringische geflohen. Dort, ohne Training, als Jugendlicher Kreis- und Bezirksmeister im Waldlauf geworden. 1954 schon Zweiter der DDR-Waldlauf-Meisterschaft in Berlin-Grünau. Von da an war sein Weg als Läufer vorgezeichnet. 

Und damit auch für jemanden, der – seit eh und je – Freundschaften in aller Welt hegt und pflegt. Einer wie Grodotzki war – selbstverständlich – auch mit einem der größten Läufer der Sportgeschichte befreundet, mit Emil Zatopek. Als sich dieser  einmal in (Ost)-Berlin aufhielt und auf den dortigen Fernsehgeräten im Hotel kein Westfernsehen zu empfangen war – doch nächtens Cassius Clay, also Muhammad Ali boxte – lud Grodotzki ihn kurzerhand zu sich nach Potsdam ein. „Bei mir,“ erinnert er sich, „haben wir ihn dann Muhammad Ali live erlebt. Emil war begeistert. Es war eine unvergessliche Nacht.“  

So etwas klappte sogar schon in den 1960er Jahren. Grodotzki: „Aber mit der Ernährung war‘s damals schlimm. Vor allem für uns Sportler. Meistens gab‘s nur Eintöpfe und hin wieder einen Apfel. Und damit wollte man in der Weltspitze mithalten.“ Was heißt, mithalten? Die Läufer aus Potsdam – Hans Grodotzki, Friedrich Janke, Siegfried Valentin, Hermann Buhl – wollten diese auch dominieren. Was ihnen ebenso wie ihrer DDR-Konkurrenz aus Erfurt auch hervorragend gelang. Trotz aller Widrigkeiten.

„Noch heute“, erzählt Grodotzki, „habe ich eine enge Verbindung mit Thüringen. Unsere Gruppe nennt sich „Thüringer Lauflegenden“ und wird derzeit von dem zweimaligen 800-Meter-Europameister Manfred Matuschewski geleitet. Aber auch Nicht-Thüringer kommen zu unseren Treffs, wie Horst Flosbach aus Solingen, im olympischen 5000-Meter-Endlauf von 1960 Achter.“ Übrigens hatte Flosbach 1960 in Rom für den Fußball-Fan Hans Grodotzki („Ich bin Mitglied von Schalke  04“) ein Treffen mit Sepp Herberger, Helmut Schön und Fritz Walter eingefädelt. Dort lernte Grodotzki  auch Erich Deuser kennen, den langjährigen Physiotherapeuten der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. „Daraus“, so Grodotzki, „ist dann eine große lebenslange Freundschaft entstanden.“

September, Stadio Olimpico di Roma, 17. 15 Uhr: Finale über 10 000 Meter: Einige Experten hatten auf den Ungarn Sandor Iharos getippt, doch dieser spielte im Rennen keine Rolle. Grodotzki: „Wahnsinnig begabt aber hypernervös.“ Bei 7000 Metern verschärfte dann der Australier Dave Power das Tempo – nur die beiden Russen Pjotr Bolotnikow und Alexej Dessjatschikow – und Hans Grodotzki konnten mithalten

Auf den letzten 400 Metern forcierte Bolotnikow nochmals und wurde mit etwas mehr als vier Sekunden Vorsprung vor Hans Grodotzki Olympiasieger.  „Es war schön, sogar sehr schön – und es waren die ersten beiden Olympia-Medaillen für die Stadt Potsdam“, schmunzelt Hans Grodotzki noch heute.

Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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klausblume@t-online.de

RETTET UNSERE LÄUFE – SAVE THE EVENTS – Foto: Victah Sailer

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author: GRR