SAMEDAN, 4MAR18 - 17 Kilometer Langlauf fuer die Teilnehmerinnen des 19. Frauenlauf des Engadin Skimarathon am 4. Maerz 2018 im Oberengadin. - Engadin Skimarathon, Foto: swiss-image.ch/Photo Andy Mettler
Vor der 15. Tour de Ski: Warum Amerikas Frauen stärker als alle anderen sind – Von KLAUS BLUME
Am Neujahrstag erfolgt im schweizerischen Mustair der Start zur 15. Tour de Ski – dem schwierigsten Etappenrennen der Skilangläufer. Doch wer ist in diesen Zeiten überhaupt favorisiert?
Die internationalen Buchmacher führen keineswegs die norwegische Olympiasiegerin Therese Johaug und deren schwedische Konkurrentin Ebba Anderson als Top-Favoritin, sondern eine Amerikanerin namens Rosie Brennan.
Warum auch nicht? Schließlich führt die 32jährige Athletin aus Alaska die aktuelle Weltrangliste an – und das nach zwei unerwarteten Weltcup-Siegen Mitte Dezember in Davos.
Sicher, die Skandinavierinnen hatten – um Corona aus dem Weg zu gehen – alle Weltcup-Rennen im Dezember in Mitteleuropa abgesagt, doch das allein erklärt nicht die überraschende Dominanz der Amerikanerinnen im internationalen Skilanglauf. Denn neben Rosie Brennan platzierten sich in der Weltrangliste Olympiasigerin Jessie Diggins als Achte, die 30jährige Sophie Caldwell Hamilton – 2016 in Oberstdorf Etappensiegerin auf der Tour de Ski – als 14. und das erst 22jährige Talent Haley Swirbul auf Platz 24.
Bei den älteren Läuferinnen bildet zumeist die Summe aus Erfahrung und Wissen die Grundlage der Erfolge. Rosie Brennan, zum Beispiel, startet schon seit 2009 im Weltcup, doch bis Dezember 2020 hatte sie nirgendwo einmal auf einem Podest gestanden, auch nicht als Zweite oder Dritte. Doch sie galt als überaus routiniert, als sie im November erneut in eine Weltcup-Saison startete. „Und sie hatte den ganzen Sommer über dafür trainiert wie noch nie. Deshalb hatte ich mich auch an ihre Fersen geheftet. Und sie hat mir dabei gezeigt, was es braucht, um die Beste der Welt zu sein“, erzählt Haley Swirbul, die – wie ihr großes Vorbild Rosie Brennan – ebenfalls aus Alaska kommt.
Die begeisterte Fliegenfischerin, die auch wunderbar malen kann, bestritt am 13. Dezember 2020 in Davos ihr erstes Weltcup-Rennen, im freien Stil über 10 Kilometer – als Dritte. Verblüfft? „Nein, da wollte ich doch hin.“
Es ist dieses amerikanische Selbstbewußssein, das so manche der Konkurrentinnen im internationalen Skilanglauf-Zirkus jetzt erstaunt. Doch – ähnlich wie in der Leichtathletik – sind die amerikanischen Athletinnen nicht nur selbstbewußt aufgetreten, sie haben stets auch entsprechend gehandelt. Alles, was sie boten, war ehrliches Sport-Handwerk, nichts Bluff.
Am besten lässt sich das nachlesen in Jessie Diggins Autobiographie „Brave enough“: „Im Kern“, schreibt die Olympiasiegerin (2018) und Weltmeisterin (2013), „bin ich ein ganz gewöhnliches Mädchen aus dem Mittleren Westen (aus Minnesota). Mit Bulimie und viel Scham vor den ersten Nackt-Fotos auf Skibrettern; ein Mädchen, dessen Inhalator für Asthma immer dabei sein muss.“ Das schreibt eine Frau, die es 2018 immerhin zur Dritten im Gesamt-Weltcup gebracht hat. Ein Star der internationalen Szene.
Oder da ist Diggins Staffelkameradin im Teamsprint, Kikkan Randall aus Alaska. 2013 im Gesamt-Weltcup Dritte, seit 2001 im Weltcup, in dem es die 37jährige bisher auf 11 Siege gebracht hat. Aber das wäre natürlich für eine Frau vom Format einer Kikkan Randall viel zu wenig. Die Frau, die den Brustkrebs überwunden hat, die – welches Rennen denn sonst? – auch den New York Marathon gelaufen hat, engagiert sich auch anderweitig. Sie ist ordentliches Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und schreibt zugleich eine Menge an Ermunterungen für nicht so Sportbegeisterte auf ihrer Website. Am 9. Dezember schickte sie, zum Beispiel, diese Grüße aus Alaska (!): „Am letzten Samstag nahm ich mein Handtuch und ging zum Strand, um zügig zu schwimmen. Ich hatte einen geliehenen Neonprenanzug an, und ich blieb nur ein paar Minuten im Wasser. Aber die Erfahrung nahm mir den Atem – auf eine gute Art und Weise. Mein Körper hatte sich nie zuvor so belebt.“
Dass der Skilanglauf in den USA vor allem Frauensache ist, hat bisher niemanden zur Ursachenforschung ermuntert. Auch nicht, dass der US-Amerikaner Bill Koch, 1976 in Innsbruck olympischer Silbermedaillengewinner über 30 Kilometer und 1982 Sieger des Gesamt-Weltcups war. Auch das hat niemals einen Amerikaner beflügelt, ihm nach zu eifern.
Also setzt das US-Skiteam auf der Tour de Ski 2021 einmal mehr auf seine Frauen. Sie freue sich zwar auf die starke Konkurrenz aus Skandinavien, sagt Rosie Brennan, doch erinnert sie zugleich daran, dass sie als Fünfzehnte des Vorjahrs Einiges aus zu bügeln habe.
„Denn wenn du, wie jetzt, auf allen Distanzen die Nummer eins in der Welt bist, dann bist du es auch tatsächlich.“