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09
03
2021

DAs Deutsche Sportabzeichen - Foto: Horst Milde

Vor 100 Jahren erlangte erstmals eine Frau das Sportabzeichen … Adele Schacke aus Göttingen

By GRR 0

Das Deutsche Sportabzeichen kennen alle. Aber nicht alle habe schon einmal alle Bedingungen für das Sportabzeichen erfolgreich absolviert, das heute leistungsmäßig differenziert in Bronze, Silber oder Gold verliehen wird.

Und dann könnte man so ganz nebenbei auch mal fragen: Wann und an wen wurde eigentlich das erste Deutsche Turn- und Sportabzeichen (so hieß es damals noch offiziell) an eine Frau in Deutschland verliehen?

Daraus ließen sich tatsächlich ganz gut gleich zwei Fragen für das Günther-Jauch-Quiz-Spiel „Wer wird Millionär? formulieren … sogar als die Eine-Millionen-Euro-Frage?

Egal – dazu seien erstmal ein paar sporthistorische Fakten schnell in Erinnerung gerufen: Die Idee dieser „öffentlichen Auszeichnung für allgemeine Körperertüchtigung“ geht zurück auf den Sportfunktionär Carl Diem (1882-1962), der bei einer Reise nach Schweden das dortige Sportabzeichen erlangte und nach diesem „Erlebnis mit Ergebnis“ im Jahre 1913 eine solche körperliche Vielseitigkeitsprüfung zunächst nur für männliche Vereinsmitglieder in Deutschland einführte.

Das geschah in Regie des damaligen Deutschen Reichsausschusses (DRA) für Leibesübungen. Das war – wenn man so will – eine Vor-Vorläufer-Organisation des heutigen Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), der seit seiner Gründung 2006 die Wettbewerbe für das Deutsche Sportabzeichen im ganzen Land mit den kommunalen Stützpunkten verantwortet.

Und wie war das nun mit der ersten Frau?

Dazu hat das Niedersächsische Institut für Sportgeschichte (NISH) in Hannover dieser Tage erste Ergebnisse einer bemerkenswerten akribischen Recherche vorgelegt: Im Jahre 1921 (der genaue Tag ist leider nicht dokumentiert) hat eine Adele Schacke (1898-1974) aus Göttingen die vier damals für sie vorgesehenen Bedingungen mit „Bravour“ erfüllt – nämlich: 6,75m im Kugelstoßen, 1,40m im Hochsprung, 14,5 Sek. im 100m-Lauf und 26 Min. für 1.000m im Schwimmen.

Adele Schacke war eine durchaus vielseitige Sportlerin: Sie spielte Hockey und Tennis und war im Skisport aktiv.

Das Sportabzeichen für Frauen wurde überhaupt erst am 29. Januar 1921 vom DRA genehmigt, nachdem im September 1919 ein Gremium aus Wettkampf- und Frauenausschuss im DRA gegründet worden war, das die leistungsmäßigen Anforderungen für die Prüfung von Frauen auszuarbeiten hatte.

Im ersten Jahr der Einführung für Frauen wurde es in ganz Deutschland (nach derzeitiger Quellenlage) überhaupt nur 189 mal an Frauen vergeben, während es im gleichen Jahr von 4.443 Männern erworben wurde: „Das Sportabzeichen war damals noch nicht sehr verbreitet; für den DRA war die erste Verleihung an Adele Schacke auch nur eine Randnotiz wert“, sagt Prof. Dr. Dr. Bernd Wedemeyer-Kolve, der Wissenschaftliche Leiter und Geschäftsführer des NISH in Hannover, auf den das archivierte Auffinden dieser sporthistorischen Premiere zurückgeht.

Von Adele Schacke ist noch überliefert, dass sie einer bekannten Göttinger Textilreinigungsfamilie entstammte und auch eine turnerische Heimat in der Göttinger Turngemeinde von 1846 hatte.

Nach den Quellen des DRA hat Frau Schacke das Sportabzeichen im April 1921 beim Schwimmverein Göttingen absolviert. Allerdings hat die Absolventin später erklärt, sie habe die leichtathletischen Leistungen zusammen mit „ihren Kameraden“ im Akademischen Sport-Club Göttingen erbracht, während  die Schwimmprüfung außerhalb im Wiesenbecker Teich abgenommen wurde: „Das alles mag der komplexen Fusionsgeschichte Göttinger Vereine geschuldet sein. Leider sind noch keine final klärenden Unterlagen aufgetaucht. Wir wissen aber, dass die Prüfungen auf dem Göttinger Jahnspielplatz abgenommen wurden“, sieht Bernd Wedemeyer-Kolve weiteren Recherchearbeiten entgegen.

Erst Ende der 1960er Jahre erinnerte man sich im Landessportbund (LSB) Niedersachsen an die Sportabzeichen-Pionierin aus Göttingen: Albert Lepa (1907-1991), damaliger Vorsitzender des LSB Niedersachsen und gleichzeitig Sportabzeichenbeauftragter des Deutschen Sportbundes, eine der Vorläuferorganisationen des heutigen DOSB, lud Adele Schacke als Ehrengast zur niedersächsischen „Ehrung Deutscher Meister“ im Januar 1970 nach Hannover ein, weil „Sie als Trägerin des Goldenen Sportabzeichens Nr. 1 auf Landesebene eine besondere Ehrung verdienen“, so Albert Lepa in seiner Laudatio … und damit zurück zur „Eine-Millionen-Euro-Frage“.

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann

 

author: GRR