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02
03
2021

Die Teilnehmer an der virtuellen Tagung - Zweiter v.lks. oben: Peter Hanisch - Foto: Horst Milde

Virtuelle Tagung über den Weg in die Berliner Sporteinheit … 1989/1990

By GRR 0

„Sport ohne Grenzen“ … wer sehnt sich nicht im Zuge des leider immer noch anhaltenden Lockdowns nach „Sport ohne Grenzen“? Das Motto „Sport ohne Grenzen“ war neulich sogar kurzzeitig Thema, nämlich in zeithistorischer Perspektive und fand – der Pandemie sei Dank – in einem (virtuellen) „Raum ohne Grenzen“ statt.

Also „Sport ohne Grenzen“ einmal anders? Warum und wie?

Schnell mal der chronologischen Reihe nach: Das Zentrum deutsche Sportgeschichte Berlin-Brandenburg hatte in Zusammenarbeit mit dem Landessportbund Berlin, dem Sportmuseum Berlin und mit Unterstützung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur zu einer Erinnerungstagung mit dem Thema „Sport ohne Grenzen: Der Weg in die Berliner Sporteinheit“ eingeladen.

Die Tagung war ursprünglich schon für den Herbst 2020 im Manfred-von-Richthofen-Haus, dem Sitz des Landesportbundes (LSB) Berlin im Olympiapark, als Präsenzformat mit geladenen Gästen geplant gewesen, präzise passend zum 30. Jahrestag der deutschen bzw. Berliner Wiedervereinigung im Jahre 1990.

Diesem Vorhaben hatte die Pandemie kurzfristig jedoch eine (hygienische) Grenze gesetzt, die – wenn man so will – jetzt insofern aufgehoben werden konnte, als die Tagung virtuell über den youtu.be-Kanal live ausgestrahlt wurde und hier immer noch für weitere Interessierte abrufbar ist … sogar weltweit über alle (sportlichen) Grenzen hinweg!

Wer also am vergangenen Montag zwischen 16 und 18.20 Uhr nicht vor dem Monitor von zu Hause oder unterwegs zugeschaltet war, kann die gehaltvollen Darbietungen der Expertinnen und Experten sowie der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen im „entgrenzten Raum“ mit der Moderation von Jutta Braun und Lorenz Völker vom Zentrum für deutsche Sportgeschichte Berlin-Brandenburg weiterhin verfolgen.

Worum ging es bei dem vielstimmig in Bild und Ton aufgezeichneten Weg in die Berliner Sporteinheit genau? Die Antwort lautet: Es wurde ein vielseitiger Blick zurückgerichtet in die Wendezeit 1989 bis Anfang der 1990er Jahre im Berliner Sport, und zwar „auf die sportkulturell prägenden, aber historisch kaum beleuchteten Ereignisse im Handball, Basketball und Volleyball.

Gerade hier kam es zu Fusionen, die Teams und Sportstandorte aus Ost und West dauerhaft zusammenführten“, hieß es dazu schon in einer Ankündigung zu dieser virtuellen Tagung. Für die Sportart Volleyball z.B. gab Susanne Lahme, damals eine der weltbesten Volleyballspielerinnen mit ostdeutscher Biografie (aktiv beim SC Dynamo Berlin), prominent Auskunft zusammen mit dem West-Berliner Kaweh Niroomand, hier nicht so sehr gefragt als amtierender DOSB-Vizepräsident Finanzen, sondern hauptsächlich als damaliger Landestrainer und Volleyball-Manager im SCC Berlin (heute Geschäftsführer der Berlin Recycling Volleys).

Kaweh Niroomand – Foto: Horst Milde

Natürlich war zwischendurch auch von den verkorksten Berliner  Olympia-Bewerbungen für 2000 und 2004 die Rede, genauso wie von der allerersten sportpolitischen West-Ost-Begegnung im Berliner Sport am 24. November 1989, als der damalige Präsident des LSB Berlin, Manfred von Richthofen, seinen Ostberliner Kollegen Rudi Ebmeyer zu einer gemeinsamen Pressekonferenz empfing, wo beide verkündeten, „die Zusammenarbeit bei der Organisation des Sports in beiden Teilen der Stadt zu verstärken“.

Ähnlich erging es LSB-Ehrenpräsident Peter Hanisch, damals u.a. Vorsitzender der Deutschen Sportjugend, der noch zu Mauerzeiten erste „Annäherungsgespräche“ nicht mit Verantwortlichen des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB) der DDR, sondern mit dem DDR-Jugendverband Freie Deutsche Jugend (FDJ) und deren Vorsitzenden Egon Krenz führen durfte. Auch wenn der Transformationsprozess vom „Staatssport“ zum „Vereinssport“ längst vollzogen worden ist, bleibt die flächendeckende Versorgung mit attraktiven Sportangeboten und entsprechender Infrastruktur als eine auf Dauer gestellte Aufgabe weiterhin bestehen, was LSB-Direktor Friedhard Teuffel in einer Gesprächsrunde mit zukunftsweisenden Ideen für Berlin unterstrich.

Martina Behrendt (lks.) , die Direktorin des Sportmuseums Berlin und Friedhard Teuffel, Direktor vom Landessportbund Berlin – Foto: Horst Milde

Und was die Erinnerungskultur im Sport anbelangt, verwies Berlins Sport-Staatssekretär Aleksander Dzembritzki – übrigens ein in der Wendezeit an der FU Berlin examinierter Sportlehrer – auf die für 2025 terminierte Eröffnung des („alten und neuen“) Sportmuseums Berlin auf dem Maifeld im Olympiapark, wo dann Deutschlands größte museale Sammelstätte für Sport nicht nur Sportgeschichte zum Anfassen präsentieren wird, sondern auch als Anlaufstelle für Diskurse dienen soll, um „ein verstärktes Bewusstsein für das Kulturgut Sport in den nachwachsenden Generationen zu schaffen.“    

Sport ohne Grenzen: Der Weg in die Berliner Sporteinheit – Der Berliner NEUJAHRSLAUF 1990 – Foto: Horst Milde

Der Sport in Berlin, so hatte es schon LSB-Präsident Thomas Härtel in seiner Begrüßungsansprache formuliert, „war einst ein Leuchtturm in der eingeschlossenen Stadt, wobei die beiden Sportsysteme durchaus in einem Wetteifer mit gegenseitiger Beobachtung zueinanderstanden“ – nur sich sportlich begegnen und gemeinsam Sport erleben konnten die Menschen zu Mauerzeiten damals nicht (grenzenlos). Insofern führte das Tagungsmotto „Sport ohne Grenzen“ von einst ganz aktuell hin zum fehlenden Miteinander im Sport in Zeiten der Pandemie.

Jetzt bleibt immer noch Zeit, sich dieser Erinnerungskultur im Sport via youtu.be zu widmen – nicht nur, aber auch, um sich dem „Sport ohne Grenzen“ neu zu vergewissern und auf sich auf die hoffentlich baldige Wiederkehr zum „grenzenlosen Sport“ im direkten Miteinander zu freuen.

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann

author: GRR