Valentin Pfeil - Foto: Victah Sailer
Valentin Pfeil/AUT – Pure Freude am anderen Ende der Welt.
Valentin Pfeil hat ein hartes Jahr hinter sich. In Neuseeland trainiert er 13-mal pro Woche für den Wien Marathon und hat wieder Spaß am Laufen.
Greifst du nach den Sternen?
Schon lustig, wenn man Valentin Pfeil um 20 Uhr mit „Guten Morgen“ begrüßt. Das liegt nicht daran, dass der 30-Jährige die Nacht zum Tag macht, sondern daran, dass er gerade ein temporärer Antipode ist. Pfeil, Mitglied des „VCM Team Austria“, trainiert seit Anfang Jänner in Neuseeland. Erst am 23. März, zwei Wochen vor dem Wien Marathon, kehrt er in die Heimat zurück.
Das diesjährige VCM-Motto „Greif nach den Sternen“ hat Pfeil privat schon 2018 umgesetzt – mit dem Heiratsantrag an seine damalige Freundin und jetzige Frau. Schon 2017 war ein großartiges Jahr, als Valentin in London mit Platz 23 (achtbester Europäer) für das bisher beste WM-Marathon-Ergebnis eines Österreichers sorgte. Und 2018 hätte überhaupt perfekt werden können. Hätte.
Denn so perfekt das Jahr privat verlaufen ist, so unglücklich war die Wende in der sportlichen Karriere. Hartnäckige Verletzungen (Achillessehne, Oberschenkel) sorgten dafür, dass Valentin am liebsten gar nicht mehr von 2018 sprechen will. Der negative Höhepunkt: Bei der EM in Berlin musste er kurz nach Halbzeit aufgeben. Wäre er ins Ziel gekommen, hätte er wie seine Kollegen Herzog, Ketema und Steinhammer Team-Bronze in Empfang nehmen dürfen.
Da Valentin Pfeil aber kein „Hättiwari“ ist, blickt er nach vorn. Auf 2019, auf den Vienna City Marathon, auf Olympia 2020. „Ich lechze nach einem guten Jahr“, sagt er. Die Sinnfrage habe er sich nicht gestellt, „aber ich habe länger gebraucht, um wieder in Schwung zu kommen.“ Jetzt ist er optimistisch. Dreizehn
Trainingseinheiten wöchentlich absolviert der aus Steyr stammende Oberösterreicher auf Rotorua. Er hat sich über persönliche Kontakte einem Team des SCC Berlin angeschlossen und bereitet sich in einer Gruppe mit u.a. den Deutschen Lisa Hahner und Philipp Baar sowie dem Japaner Hideyuki Ikegami auf die Saison vor.
Mit Baar und Ikegami teilt Pfeil nicht nur Tisch und Trainingskilometer, sondern auch ein gemeinsames Ziel. Beide Läufer werden ebenfalls am 7. April beim Vienna City Marathon starten.
„Die Bedingungen sind großartig“, erzählt er vom anderen Ende der Welt. „Ich fühle mich hier extrem wohl. Die Vegetation ist abwechslungsreich, das Training im Wald und auf der Straße macht extrem Spaß. Und meine Erfahrung ist, dass es hier doch noch mehr Menschen als Schafe gibt“, lacht er.
Valentin hat in Neuseeland „die Freude am Laufen wiedergefunden.“
Wohin geht die Reise?
Mit der Motivation kommen auch die neuen Ziele, wenngleich der studierte Veterinärmediziner diesbezüglich vorsichtig ist. Seine Bestzeit liegt bei 2:14:50 Stunden – eine Marke, die er sich heuer zutraut. „Aber bitte nicht wörtlich nehmen.
Ich bin im Training erst bei der Halbzeit. Genauere Prognosen gibt es später.“ Das heißt, etwa eine Woche vor dem Vienna City Marathon. „Dann sollte ich wissen, wo ich stehe.“
Wien wird jedenfalls der erste Saisonhöhepunkt. Und sollte es dort mit einer neuen persönlichen Bestzeit nicht klappen? „Dann werde ich es weiter probieren. Nach Neuseeland zu fliegen, war eine gute Entscheidung. Ich bin extrem motiviert und dadurch fällt vieles leichter.“ Aber sich festlegen? Nein, das will er nicht. „Meine Ziele sind ein wenig gedämpfter, die Verletzungen, diese schwierige Zeit, haben
mich schon demütiger gemacht.“
Letztlich wäre er aber sehr glücklich, wenn ihn die Reise über Neuseeland und Wien nach Tokio führen würde. Die greifbare Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020 macht für Valentin einen ganz besonderen Reiz aus. Das Zeitlimit steht noch nicht fest, dass das Starterfeld radikal verkleinert wird (wahrscheinlich von 160 auf 80), hingegen schon. „Es ist sehr schade, dass die Königsdisziplin so
heruntergefahren wird, aber ich kann’s eh nicht beeinflussen“, sieht er die Situation pragmatisch.
Vorerst freut er sich auf das tägliche Training und auf den Vienna City Marathon am 7. April. Damit verbindet er beste Erinnerungen. „Ich fiebere dem VCM entgegen und habe eine super Beziehung zu Wien“, sagt er. „Ich habe dort studiert, bin dort meinen ersten Marathon gelaufen, was für mich eine große Sache war. Die Strecke ist wunderbar, die Hauptallee kenne ich aus dem Training in- und auswendig. Und wenn man über den Ring läuft, ist das ein tolles Erlebnis – allerdings nur beim
ersten Mal, das zweite Mal, kurz vor dem Ziel, tut eher weh.“
Heuer wird er es vielleicht in Begleitung des einen oder anderen Kollegen aus dem VCM Team Austria tun. Allein der Zusammenschluss der besten Marathonläufer des Landes ist für Valentin Motivation: „Als Marathonläufer bist du Einzelkämpfer, vor allem auf den letzten Kilometern. Entweder kannst du das Tempo mitgehen oder nicht. Aber wir können uns trotzdem gegenseitig pushen. Es wird in Wien auch für die Zuschauer spannend werden: Wie lange bleiben wir zusammen, wer ist an diesem Tag der Beste? Ich freue mich über jede gute Leistung eines anderen. Und medial können alle auch nur profitieren.“ Außerdem biete sich eine einmalige Gelegenheit, die Vorbildwirkung zu verstärken: „Es wäre das Schönste, wenn wir es schaffen, dass die nächste Generation etwas von diesem Projekt hat.“
Apropos Projekt: An Paris 2024 verschwendet er derzeit keinen Gedanken. „Jener an Tokio 2020 ist schön. Aber Paris? Irgendwann muss ich mich schon damit befassen, hauptberuflich als Tierarzt zu arbeiten.“ Den Berufswechsel zu verschieben käme nur dann in Frage, „wenn ich als Marathonläufer wirklich große Sprünge mache. Also schauen wir, was da kommt.“
Warum Marathon?
Die klassischste aller Marathon-Fragen ist für Valentin Pfeil einfach zu beantworten: „Ich war schon als Jugendlicher auf den längeren Distanzen besser. Da war es irgendwann fast logisch, beim Marathon zu landen. Außerdem laufe ich lieber auf der Straße als auf der Bahn.“ Die legendären 42,195 Kilometer allein wären als Distanz an sich gar nicht die große Herausforderung. „Das kann man schon schaffen, wenn man sich gut vorbereitet. Die Geschwindigkeit macht’s aus, die Kombination aus Tempo und Distanz ist spannend.“
Das aufg’legte Namenswortspiel kann man ihm an dieser Stelle nicht ersparen: Pfeilschnell will er sein, der Valentin …
Dass gewisse Ziele wie ein Olympiasieg oder ein WM-Titel für ihn außer Reichweite sind, tut der Freude des Valentin Pfeil am Marathon keinen Abbruch. „Ich kann damit leben, voraussichtlich nicht Olympiasieger oder Weltmeister zu werden. Es ist zur Kenntnis zu nehmen, dass das eher Läufern aus Ostafrika gelingen wird“, lächelt er. Aber gerade die EM in Berlin 2018 habe gezeigt, was auch vermeintlich kleine Nationen zu schaffen imstande sind. „Da hat man gesehen, was alles geht, wenn man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Team-Bronze für Österreich – das hätte doch niemand für möglich gehalten.“
Auch wenn der verletzungsbedingte Ausstieg aus dem EM-Marathon schmerzhaft war und ihn die Medaille kostete: Für Valentin Pfeil war die Sensation letztlich auch ein Zeichen dafür, dass der eine oder andere Stern zum Greifen nahe ist, wenn man sich danach streckt.
Manfred Polt