Die gemeinnützige Organisation myclimate bietet Klimaschutzstrategien für Großveranstaltungen – und ist jetzt Partner von German Road Races. Denn auch Marathon-Veranstalter können dem Klimawandel nicht davonlaufen.
UMWELT – Kleine Schritte mit großer Wirkung – Für German Road Races (GRR) ist der Klimaschutz ein wichtiges, der Zukunft zugewandtes Anliegen.
Alle sprechen vom Wetter. Spätestens seit der MLP Marathon Mannheim Rhein-Neckar wegen Unwetterwarnung oder der AirportRun in Berlin-Schönefeld wegen hoher Ozonwerte abgesagt werden mussten und der Zugspitz-Extrem-Berglauf wegen starker Schneefälle sogar zwei Todesopfer forderte, ist das Wetter auch bei Laufveranstaltungen ein wichtiges Thema.
Vordergründig werden die unmittelbaren Auswirkungen Auslöser für spontane Reaktionen sein, doch weitaus bedeutsamer sind mittel- und langfristig ausgelegte Maßnahmen, durch die gravierende Klimaveränderungen vermindert oder vermieden werden könnten.
Können wir mit ausgelassener Freude Lauffeste mit Tausenden von Gleichgesinnten feiern und genießen, wenn wir wissen, dass dadurch die Umwelt durch erhöhte Mobilität, Müllberge und den verstärkten Verbrauch fossiler Brennstoffe übermäßig stark belastet wird?
Nach Auffassung der meisten Wissenschaftler ist ein Klimawandel, hervorgerufen durch eine unnatürliche globale Erwärmung, nicht mehr gänzlich zu stoppen, sondern nur noch zu mildern und zu begrenzen – sei es durch den verringerten Verbrauch fossiler Brennstoffe und wirksame Maßnahmen zur Anpassung an den unvermeidlichen Klimawandel wie z.B. Deichbau oder Katastrophenvorsorge. Hauptansätze des Klimaschutzes sind zum einen die Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen, die durch industrielle und landwirtschaftliche Produktion, durch Energieverbrauch im Verkehr, in Privathaushalten und im öffentlichen Raum freigesetzt werden.
Zum anderen sind das die Erhaltung und gezielte Förderung von Naturarealen (Meere, tropische Regenwälder und große Waldflächen sowie Feuchtgebiete), die das mengenmäßig bedeutsamste Treibhausgas Kohlenstoffdioxid oder auch die stark vertretenen Treibhausgase Wasserdampf, Methan und Lachgas aufnehmen.
Neben den Treibhausgasen beeinflussen auch die als feine Partikel auftretenden Aerosole (z.B. Rußpartikel) das Erdklima. Zum Klimaschutz gehören allerdings im weiteren Sinne neben großtechnischen Maßnahmen und makroökonomischen Ausrichtungen und einer weitsichtigen nationalen und internationalen Klimaschutzpolitik auch die Aufklärung und die Verhaltensänderung der Menschen – vornehmlich in den Industriestaaten, die durch einen hohen Energiekonsum einen Hauptanteil an den weltweiten Treibhausgas-Emissionen haben.
Gemäß dem Motto „Emissionen messen, dann reduzieren bzw. vermeiden und die nicht vevermeidbaren Emissionen kompensieren“ bietet myclimate, eine Schweizer Non-Profit-Stiftung mit der deutschen Dependance myclimate Deutschland GmbH, ganzheitliche Klimaschutzstrategien für Unternehmen und Großveranstalter an. Das junge Unternehmen ist dabei in drei Geschäftsfeldern aktiv:
1. Carbon Management Services
Die Dienstleistungen beziehen sich auf Unternehmen bzw. Produkte und beinhalten Erstellung von CO2- und Öko-Bilanzen, CO2-Fußabdruck, Online-Plattformen wie z.B. Webrechner zur Berechnung von CO2-Emissionen, Beratungen über Klima- und Nachhaltigkeitsstrategien, Unterstützung in der Kommunikation.
2. Klimabildung
Sensibilisierung in Projekten für unterschiedliche Zielgruppen wie Schüler, Auszubildende und Unternehmensmitarbeiter für den Klimawandel und Klimaschutz. So soll gezeigt werden, wo sich im Alltag CO2 reduzieren lässt.
3. CO2-Kompensation
Die gemeinsam mit lokalen Partnern entwickelten Klimaschutzprojekte erfüllen die höchsten Qualitätsstandards und tragen zur nachhaltigen Entwicklung in der Projektregion bei.
Als gemeinnützige Organisation garantiert myclimate, dass mindestens 80 Prozent der Kompensationserlöse in Klimaschutzprojekte fließen. Die offengelegten, von unabhängigen Dritten überprüften Jahresberichte zeigen dabei die Mittelverwendung. Namhafte Unternehmen und Institutionen arbeiten inzwischen mit myclimate zusammen, damit der Klimaschutz weltweit ein gutes Stück vorankommt und nicht nur ein Lippenbekenntnis ist.
Für German Road Races (GRR) ist der Klimaschutz ein wichtiges, der Zukunft zugewandtes Anliegen. GRR ist eine Partnerschaft mit myclimate eingegangen, um den Mitgliedern eine umweltfreundliche, möglichst klimaneutral organisierte Veranstaltung zu empfehlen. „Natürlich können wir unseren Mitgliedsveranstaltungen nur Empfehlungen aussprechen“, grenzt der GRR-Vorsitzende Horst Milde die Chancen auf eine flächendeckende Realisierung ein. „Letztlich ist es Sache eines jeden Veranstalters, sich verstärkt mit den durch die Event-Organisation entstehenden Emissionsbelastungen auseinanderzusetzen. Und eine im Idealfall klimaneutral gestellte Veranstaltung kostet auch Geld, das muss in Zeiten knapper werdender Etats auch gesagt werden!“
Umwelt und soziales Engagement sind die beiden tragenden Säulen einer Nachhaltigkeitsstrategie beim TUI Marathon Palma de Mallorca. Der „schönste Inselmarathon der Welt“ soll künftig unter dem Leitmotiv „Green Marathon“ laufen. „Als Veranstalter und Namensgeber des Marathons fühlen wir uns verpflichtet, den Aspekt der Nachhaltigkeit noch stärker und gezielter als bislang bei diesem sportlichen Großereignis zu berücksichtigen“, sagt Michael Lambertz, Direktor Konzernmarketing und Marathon-Verantwortlicher bei TUI, Europas führendem Reisekonzern. „Wir sind uns darüber bewusst, dass große Sportevents auch Umweltbelastungen mit sich bringen!“
Für TUI heißt dies konkret, dass unter anderem für jeden Mallorcaflug ein Spendenbetrag zur Waldpflege im Nordosten der Insel investiert wird. Bei der Veranstaltung, die inzwischen mit 10.000 Teilnehmern eine beachtliche Größe erlangt hat, wird der anfallende Müll getrennt gesammelt. Die Verpflegung der Läufer geschieht überwiegend mit Produkten aus lokaler Produktion und die Lauf-Utensilien bestehen überwiegend aus ökologischen und recycelbaren Rohstoffen.
Beispielhaft sind auch die Bemühungen der Organisatoren des Lucerne Marathon in der Zentralschweiz, die mit dem mit 30.000 Schweizer Franken dotierten „Prix Ecosport“ 2008 und 2009, einer gemeinsamen Initiative von Swiss Olympics und den Schweizer Bundesämtern für Sport, Energie und Raumentwicklung für einen konsequenten Landschaftsschutz ausgezeichnet wurde.
Die Luzerner haben sich den Status einer klimaneutralen Veranstaltung mit vielfältigem Engagement erarbeitet, diese beziehen sich auf die Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die Nutzung von Ökostrom, die Kompensation ihrer CO2-Emissionen, den Einsatz von recycelbaren Materialien und die Verwendung von Bio-Produkten im Catering. Inzwischen fokussiert sich der Lucerne Marathon allerdings eher auf Kleinprojekte.
„Wir sind zur Überzeugung gekommen, dass es wichtigerist, auf das Kleinklima in der Region Einfluss zu nehmen. Für das globale Klima leisten wir mit 65 Tonnen CO2-Emission einen verschwindend geringen Anteil“, meint Reto Schorno, der Geschäftsführer des Lucerne-Marathon. Gerne würde er auch etwas für globale Klima tun, dazu müssten aber viel mehr veranstalter – nicht nur im Sport – mitziehen. „Das Ecosport-Label ist sicherlich dekorativ, aber das Klimaschutz-Thema lässt sich nicht auf Veranstalterebene lösen, da ist vorrangig die Politik gefragt. Warum sollen wir als kleiner Veranstalter 3.000 Franken zur CO2-Kompensation und damit zur Förderung eines x-beliebigen Projekts irgendwo in der Welt zahlen? Unser Ansatz wird künftig vermehrt sein, vorrangig Maßnahmen in der Schweiz zu fördern“, sagt Schorno und verrät verschiedene Ansätze: „Wir haben u.a. die Lärmbelästigung für die Anwohner entlang der Strecke im Fokus. Deshalb treten mit Ausnahme von Start und Ziel nur Live-Bands ohne Verstärkeranlagen auf. Die Medaillen kommen aus einer Schweizer Produktion und nicht aus China oder Südafrika. Die Herstellung ist zwar teurer, dafür fallen lange Transportwege weg, was wiederum CO2 spart. Die Finishermedaillen werden nur nach Vorbestellung ausgegeben. Von den 8.000 Finishern wollen nämlich nur 40 Prozent eine Medaille. Auf diese Weise sparen wir Rohstoffe und leisten damit wiederum einen Beitrag für den Klimaschutz“.
Den größten Anteil der CO2-Emission liefert, laut Berechnung von myclimate, die Anreise der Teilnehmer. Deshalb zahlt der Lucerne Marathon einen erheblichen Betrag an die Betreiber des Personentransportes (Bahn, Bus, Schiff-Shuttle). Insgesamt beziffert Schorno den eigenen Beitrag an klimaverträglichen Maßnahmen auf rund 100.000 Schweizer Franken.
Die Beispiele zeigen, dass es sicherlich lobenswert ist, Emissionsbelastungen bei Großveranstaltungen im Auge zu behalten, um vorrangig das Kleinklima in der Region nicht weiter zu belasten. Doch um globale Auswirkungen zu erzielen, sind Einzelne überfordert, da ist die nationale und internationale Politik gefragt. Was nutzen partielle, kleinschrittige Maßnahmen, wenn andernorts große Emissionsschleudern zwar zum Wirtschaftswachstum eines Staates beitragen, aber die ehrlichen Bemühungen umweltbewusster Individualisten zunichte machen.
Entnommen dem GRR Sonderheft 2011 in Kooperation mit „aktiv laufen“.