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23
06
2021

Radrennen - Symbolbild - Foto: Horst Milde

TOUR DE FRANCE 2021: Die Bretagne – Heimat des Radsports – „Hier lässt sich Bernards Vater die Haare schneiden“ – Von KLAUS BLUME

By GRR 0

Wer, wie unsereins, viele lange Jahre auf der oft sturmumtosten Halbinsel im Westen Frankreichs zugebracht hat, gelangt zwangsläufig zu der Einsicht: Die Bretagne und der Radsport gleichen einem Tandem.

Warum das zu sein scheint?

Der Radsport ist hart und die Bretonen sind es ebenfalls. Was sich übrigens auch in den Tour-Statistiken niederschlägt:  30 Prozent aller französischen Tour-Triumphe und insgesamt elf Gesamtsiege gehen auf das Konto bretonischer Profis.

Lucien Petit-Breton gewann 1907 und 1908 gleich in Folge die Fahrt durch Frankreich; Jean Robic errang 1947 den Gesamtsieg; Louison Bobet stand dreimal hintereinander, in den Jahren 1953, 1954 und 1955, auf dem Siegerpodest und Bernard Hinault siegte sogar fünfmal.

Das heißt in Zahlen: Insgesamt 95 bretonische Fahrer erkämpften einen Tour-Etappensieg; 16 Fahrer aus der Bretagne trugen das Gelbe Trikot des Gesamtführenden und über 150 bretonische Fahrer nahmen bisher an der Tour de France teil. Bereits siebenmal gab es übrigens den Grand Départs, den Tour-Start, in der Bretagne, viermal in Brest, einmal in Rennes, in Plumelec und in Saint-Brieuc. Insgesamt ging die Tour bislang durch 34 bretonische Etappenstädte.

Die Bretagne und der Radsport – das sind freilich auch Geschichten mit sagenumwobenen Ecken. Aber auch mit merkwürdigen. Als wir, zum Beispiel, 1979 den fünfmaligen Tour-Sieger Bernard Hinault in dessen Heimatstädtchen Yffiniac besuchten, hatte der Friseur in großen ungelenken Buchstaben auf seine Schaufensterscheibe geschrieben: „Hier lässt sich Bernards Vater die Haare schneiden.“ Aber kein Wort über den Sohn, den Tour-Triumphator. Oder da ist, auch ein bretonisches Beispiel, die Geschichte des legendären Jean-Marie Corre, des wahren Vaters der Tour de France.

Schon 1895 brach er zu seiner eigenen, ganz persönlichen Frankreich-Rundfahrt auf, einem Etappenrennen über 25 Tage von je etwa 200 Kilometern Länge. Corre engagierte dafür zwar einen Schrittmacher. Dennoch: Den Chroniken zufolge wurde er überall begeistert empfangen. Henri Desgrange, der offizielle Begründer der Tour, hat ihn bei einem seiner 1000-Kilometer-Fahrten betreut – aber nicht gern darüber gesprochen,

Zu einem DER Helden der Tour de France stieg – selbstredend – ebenfalls ein Bretone auf: Louison Bobet. Wer heute in das Städtchen Quiberon reist, um dort den Spuren des Fim-Stars Romy Schneider zu folgen,  wird sich dabei, ungewollt, auf Straßen, Wegen und Plätzen bewegen, die immer wieder den Namen Louison Bobet tragen. Denn der aus Saint-Meen-le-Grand stammende Ex-Weltmeister hatte in Quiberon seine erste überaus erfolgreiche Hotel-Klinik für Thalasso-Therapien aufgebaut. Und zeitweilig auch dort gelebt. Er wurde damals nicht müde, neben dem Radfahren auch Tischtennis zur körperlichen Ertüchtigung anzubieten. Immerhin hatte er es darin einmal zur bretonischen Meisterschaft gebracht.

Ähnlich wie Louison Bobet wird in der Bretagne Jean Robic verehrt, der 1947 – nach dem Krieg – die erste Tour gewonnen hatte. Erst auf der letzten Etappe erkämpfte Robic damals das Gelbe Trikot und damit den Tour-Sieg! Auf dem Heimweg an jenem Tag verursachte er dann mit seinem Auto einen Unfall, bei dem er mit einem Lastwagen zusammenprallte. Robic war auf der Stelle tot.

Im idyllischen Radenac haben die Bretonen nun Jean Robic – ihrem wohl populärsten Rennfahrer – ein ganz besonderes Denkmal gewidmet: Eine 21,9 Kilometer lange Trainingsrunde, die man übrigens nicht nur auf dem Fahrrad, sondern auch als Läufer oder als Wanderer bewältigen kann.

Stets im stillen Gedenken an den unvergesslichen Jean Robic.

Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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