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21
07
2019

Symbolbild - Foto: Hannover Marathon - eichels Event

TOUR DE FRANCE 2019: EMANUEL BUCHMANN: „Man darf eben nie die Nerven verlieren“ – Von KLAUS BLUME

By GRR 0
TARBES – „Wer weiß, was noch alles passiert? Emanuel Buchmann hat ja noch immer Luft nach oben.“ So mutig orakelte ARD-Experte Fabian Wegmann im Ziel der 14. Etappe der Tour de France. Noch weiter mochte sich der Ex-Rennfahrer dann aber doch nicht aus dem öffentlich-rechtlichen Fenster lehnen.

Warum eigentlich nicht?

Als Vierter hatte der 26-jährige Ravensburger Emanuel Buchmann den Tourmalet, den legendärsten aller legendären Pyrenäenpässe, erklommen, als Vierter am Sonntag auch die letzte Pyrenäen-Eatppe beendet. Im Gesamtklassement trennen ihn nur noch 27 Sekunden vom dritten Platz.

Da darf man durchaus träumen! Zumal Buchmann, kurz vor dem Tourmalet, sogar selbstbewusst versucht hatte, mit energischem Antritt die Spitzengruppe zu sprengen. Zu denen, die danach den Berg mut- und atemlos hinaufkraxelten, gehörte auch der britische Vorjahrssieger Geraint Thomas.

Buchmann aufs Podest

Ein deutscher Kletterspezialist auf dem Weg zum Podest in Paris, das in einer Woche auf den Champs-Elysees errichtet wird? Als letztem Deutschen gelang so das vor 13 Jahren Andreas Klöden – damals als Zweitplatziertem. Doch danach sprinteten deutsche Rad-Profis – wie auch Marcel Kittel – ausschließlich um Tagessiege. Die Gesamtwertung hatte niemand im Kopf, vor allem aber nicht in den Beinen.

Immer wieder wird die Motivation als ein leistungsbegrenzender Faktor für sportliche Beanspruchungen genannt. Darunter versteht man die Antriebsintensität für eine bestimmte Aufgabe, die als psychologische Größe der Großhirnrinde entstammt.

Für eine hohe sportliche Leistung ist auch eine hohe Gehirnaktivität erforderlich.

In der internationalen Radsport-Welt hoch beachtet, in Deutschland so gut wie nicht wahrgenommen. Er habe dabei, sagt Buchmann dort, vor allem gezeigt, dass er gar kein so schlechtes Renngefühl habe. Was er aus dem Dauphiné an Erfahrungen in die 106. Tour de France mitgenommen habe? „Man darf nie die Nerven verlieren und muss im richtigen Moment vorne dabei sein oder selbst attackieren.“

Er hat sich bislang daran gehalten.

Auch in seinen selten Gesprächen mit Journalisten. Die „taz“ nannte ihn deshalb einen „Leisetreter“, der „Spiegel“ empfand ihn als „scheu und schüchtern.“ Wäre es wirklich so, könnte er dann in einem internationalen Spitzenteam, wie Bora-hansgrohe, die Kapitänsrolle ausfüllen? Buchmann erklärt: „Ich bin niemand, der am Essenstisch oder im Bus die großen Ansagen macht. Aber im Rennen sage ich schon, was ich brauche, oder wie man verfahren muss. Ich versuche, die Leute zu motivieren. Ich scheue mich auch nicht, es anzusprechen, wenn es mal nicht gut gelaufen ist. Aber ich starte dann keine Riesenansage.“

Seine Freundin Claudia Eder, eine Ernährungsberaterin, hat vor der Tour mit ihm gemeinsam das Höhentrainingslager im italienischen Livigno besucht. Das Paar kocht und wandert ohnehin gern gemeinsam. Er sagt: „Ich genieße es, wenn ich Zeit mit ihr verbringe.“ Das bringe ihm bei allem Radsport-Stress die notwendige Ruhe. Denn er beschäftige sich auch außerhalb der Rennen mit den Rennen, die auf ihn warten.

Was dann in ihm abläuft? „Es ist eine Mischung aus Gefühl und Erfahrung. Man fährt ja viele Rennen mit den anderen. Da weiß man schon, wer was drauf hat. Wen man nicht fahren lassen sollte und bei wem man mitgehen muss. Ein bisschen Bauchgefühl gehört aber auch immer dazu.“ Und das gehe ihm ständig durch den Kopf.

Erst auf der Tour wurde übrigens im Team Bora-hansgrohe entschieden, wer die Mannschaft als Kapitän durch Frankreich führen soll: der österreichische Meister Patrick Konrad oder „Emu“ – Emanuel Buchmann. Die Rolle fiel in der zweiten Tour-Woche Buchmann zu. Und nun auch die des Mit-Favoriten.

Bevor jedoch die Erwartungen in den Himmel wachsen, sei an die ebenfalls dreiwöchige Spanien-Rundfahrt im Jahr 2018 erinnert. Es war die erste große Landes-Rundfahrt, die Buchmann als Kapitän bestritt. Dank seiner aggressiven und mutigen Fahrweise lag er auf der Vuelta 2018 lange auf den Plätzen zwei bis vier.

Und geträumt wurde viel. Doch am Ende baute Buchmann ab. Es langte nicht einmal mehr zu einem Platz unter den besten Zehn. 

Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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