Zwei Rennen über 5 km zählten zu einer Serie von Test-Veranstaltungen in Großbritannien. - Foto: London Marathon Events
Studien machen Hoffnung: Offenbar keine Fälle bei Londoner Testrennen – Die Situation der großen Straßenrennen mit Blick Richtung Herbst (Teil 2)
An der frischen Luft passiert nicht viel bezüglich Ansteckungen mit dem Corona-Virus, hieß es bereits im vergangenen Spätsommer immer wieder. Damals konnte man dies noch nicht stichhaltig beweisen, doch nun wird diese These nach und nach mit Versuchen und Studien untermauert.
Die Ergebnisse machen auch für die geplanten Laufveranstaltungen im Herbst Mut. Vor allem in Verbindung mit Testungen könnten auch größere Rennen wieder starten. Intensive Studien des japanischen Leichtathletik-Verbandes bei etlichen Veranstaltungen förderten so gut wie keine Fälle zutage.
Und in London, wo vor kurzem ein Testrennen mit 1.000 Läufern sowie Zuschauern ohne Abstandsregeln gestartet wurde, gab es offenbar danach keinen einzigen positiven Corona-Fall. Dies geht aus jüngsten britischen Medienberichten hervor.
Diese Ergebnisse decken sich mit den Aussagen der Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF). „Viele Studien belegen inzwischen, dass die Virus-Infektion ein Innenraumproblem ist. Gerade wurde in einer irischen Studie gezeigt, dass von über 232.000 Infektionen nur 0,1 Prozent draußen stattgefunden haben“, heißt es auf der Webseite der GAeF, deren Präsident Christof Asbach vor kurzem in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erklärte: „Im Freien gibt es keine Gründe, die dagegen sprechen würden, Sport wieder zu erlauben.“
In einem in den Medien viel beachteten offenen Brief haben die Aerosolforscher vor einigen Wochen eine Erklärung abgegeben, um damit „zum Verständnis möglicher Übertragungswege beizutragen“. Hierbei sei in der öffentlichen Diskussion einiges vermischt worden, erklärten die Forscher. „Im Freien finden so gut wie keine Infektionen durch Aerosolpartikel statt. Allerdings können Tröpfchen-Infektionen auftreten, insbesondere in Menschenansammlungen, wenn Mindestabstände nicht eingehalten und/oder keine Masken getragen werden“, heißt es in dem Brief der GAeF. Das Tragen von Masken und die Einhaltung von Abständen seien bei Menschenansammlungen daher auch im Freien wichtig, erklären die Forscher, deren Ergebnisse bisher von der Politik bei den diversen Verordnungen offenbar außer Acht gelassen wurden.
„In einer Untersuchung von Infektionsketten wurde von Qian et al. … festgestellt, dass die COVID19-Infektion im Wesentlichen ein Phänomen in Innenräumen ist und im Außenbereich, also außerhalb geschlossener Räume, nahezu keine Ansteckungen auftreten. Von über 7.000 beobachteten und dokumentierten Infektionen fand nur eine einzige im Außenbereich statt (dies entspricht rund 0,015 %, d. Red.). Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass im Außenraum eine schnelle Verdünnung der mit Viren beladenen Aerosolpartikel zu erwarten ist, wodurch das Infektionsrisiko sinkt … . Vor allem in größeren Menschenmengen mit geringen Abständen ist aber auch im Freien eine Ansteckung nicht ausgeschlossen“, schreiben die Aerosolforscher in ihrem Bericht.
In dem Interview mit dpa erklärte Christof Asbach: „Wir sehen die Gefahren in Umkleidekabinen, Toiletten oder bei der Anfahrt im Auto oder Bus. Sie lauern nicht auf dem Sportplatz.“ Befragt nach der Aerosol-Situation wenn zwei Läufer nebeneinander rennen und schwerer atmen, erklärte der Wissenschaftler: „Natürlich können die Partikel auch lange in der Luft verweilen; dies gilt für draußen wie in Innenräumen. Der Unterschied ist: Im Innenraum ohne Luftaustausch steigt die Virenkonzentration kontinuierlich an. Im Außenbereich ist das nicht der Fall. Wenn man sich vorstellt, wie viele Viren man ausatmet und wie viel Luft um einen ist, dann ist die Konzentration so gering, dass ich – wenn überhaupt – mal einen Virus einatme.
Ein Virus macht noch keine Infektion. Dazu braucht man einige hundert bis einige tausend. Hinzu kommt noch, dass man im Außenbereich natürliche UV-Strahlen hat, die dazu führen, dass die Viren sehr schnell inaktiviert werden. Ein gewisses Restrisiko bleibt aber in Fällen, wo sich zwei Personen direkt gegenüberstehen und miteinander sprechen. Dann kann es dazu kommen, dass eine Person die Aerosolwolke oder ausgeatmete Tröpfchen des Gegenübers direkt einatmet. Hier sollte ausreichend Abstand gehalten und gegebenenfalls eine Maske getragen werden.“ Während des Joggens käme es durch die Bewegung zu einer starken Verdünnung, so dass die Wolke nicht direkt in den Atemtrakt des anderen Joggers strömen würde, sagte Christof Asbach.
Nur zwei Fälle bei über 1.000 Leichtathletik-Veranstaltungen in Japan
Der japanische Leichtathletik-Verband (JAAF) hat vor kurzem Ergebnisse von Studien veröffentlich, die über genau ein Jahr hinweg vorgenommen wurden. Untersucht wurden mögliche Corona-Infektionen bei 1.044 Leichtathletik-Meetings sowie 74 Straßenläufen. Wie die „Japan Running News“ berichten, wurden bei genau 750.389 Sportlern und Offiziellen innerhalb von zwei Wochen nach den jeweiligen Veranstaltungen insgesamt zwei positive Fälle festgestellt. Einer dieser Fälle betraf den Straßenlauf mit insgesamt 25.936 Teilnehmern sowie 8.240 Offiziellen.
In die Untersuchungen eingeflossen ist dabei auch das größte Straßenrennen, das in diesem Jahr bisher weltweit stattgefunden hat: Beim reinen Frauen-Marathon in Nagoya waren im März über die 42,195-km-Distanz knapp 5.000 Läuferinnen an den Start gegangen. Die Veranstalter hatten ein entsprechendes Hygiene-Konzept umgesetzt. Es gab dabei aber trotzdem einen großen Start – und keinen einzigen Corona-Fall. Entscheidend seien die Hygiene-Regeln gewesen, da in Japan bisher erst sehr wenige Menschen geimpft sind, heißt es in den „Japan Running News“.
Keine Fälle bei Sport-Freiluft-Veranstaltungen in Großbritannien
In Großbritannien hatte die Regierung in Kooperation mit den Gesundheitsbehörden sowie ausgewählten Veranstaltern im April und Mai eine Reihe von Test-Events im Kultur- und Sportbereichen initiiert. Insgesamt 58.000 Menschen besuchten die Veranstaltungen beziehungsweise nahmen an ihnen teil. Darunter waren auch zwei 5-km-Läufe mit Zuschauern in einem Parkgelände am Rande von London, die von den Organisatoren des London-Marathons umgesetzt wurden. An den beiden Rennen nahmen jeweils 1.000 Läufer teil.
Der erste Lauf fand mit Abstandsregeln und Starts in Zweiergruppen statt. Bei dem zweiten Rennen gab es einen Massenstart ohne jegliche Abstände. Alle Teilnehmer und die Zuschauer wurden vor und nach der Veranstaltung getestet. „Das war ein entscheidender Schritt auf dem Weg zurück zu Massen-Veranstaltungen. Wir alle brauchen die Freude und die Inspiration, die das gemeinsame Laufen gibt – dies ist enorm wichtig für die psychische und physische Gesundheit“, sagte Hugh Brasher, der Chef des London-Marathons.
Während die Regierung die Ergebnisse noch nicht offiziell vorgestellt hat, berichten verschiedene Zeitungen, darunter die „Times“, das „Liverpool Echo“ und der „Evening Standard“, sowie die BBC übereinstimmend von insgesamt 15 Fällen nach den Veranstaltungen. Abgesehen von der Snooker-WM in einer Halle in Sheffield, wo während der 17-tägigen Titelkämpfe mit Zuschauern vier Fälle nachvollzogen wurden, gab es im Sportbereich demnach keine Ansteckungen. Neun Fälle betrafen eine zweitägige Club-Veranstaltung in Liverpool mit insgesamt 6.000 Menschen.
Zu den Versuchsprojekten zählte auch das FA-Cup-Finale mit 20.000 Zuschauern im Londoner Wembley Stadion, aus dem keine Corona-Fälle hervorgingen. Dies bestätigte der britische Minister Oliver Dowden, der für Kultur und Sport zuständig ist, dem „Evening Standard“. Da alle 15 Fälle den jeweiligen Veranstaltungen zugeordnet wurden, ist davon auszugehen, dass es bei den Läufen in London zu keinerlei Ansteckungen gekommen ist.
Die britische Regierung hofft, dass ab dem 21. Juni große Teile der Veranstaltungs-Branche wieder öffnen können.