Semliner Seenlauf - Foto: Klaus Weidt
Starten ohne Startgeld? Unglaublich, aber wahr: Zwischen Havel und Elbe gibt es Läufe, bei denen Teilnehmer nichts bezahlen. – Klaus Weidt berichtet
Bei einem bekam tatsächlich jeder noch einen Euro „Zielprämie“
Wo findet man den Semliner Dreiseen-Lauf?
Nicht weit von Berlin, nördlich von Rathenow. An drei der schönsten Seen des westlichen Havellandes, wie die Organisatoren zu Recht hervorheben. Schon deshalb sollte man sich jenen Sommer-Lauf-Hit merken.
Und auch deshalb: Seit seiner Geburt im Jahre 1979 kann jeder ohne Startgeld starten. Über 25 Kilometer, über die Halbmarathon- oder 8-Kilometer-Strecke. Zu Fuß oder per Rad. Auch ein Kinderlauf über 550 Meter ist dabei, für den die Kita „Mittendrin“ Kindermedaillen aus Holz bastelt.
Im Vorjahr kamen 1300. In diesem Jahr hatten die rührigen Organisatoren auf einen neuen Teilnehmerrekord spekuliert. Ende Juli wie immer. Doch auch hier machte Corona einen Strich durch die Dreiseen-Prognose.
„Nun freuen wir uns auf ein Wiedersehen am 31. Juli 2021. Bis dahin eine schöne Zeit und vor allem bleibt gesund“, mailten Uli, Carsten, Alfred und Gerd, die Cheforganisatoren mit ihren mehr als 100 ehrenamtlichen Helfern.
Der gebürtige Laufveteran Gerd Last hatte einst die Idee zu einem familiären Lauf. Ein See lag ja direkt vor seiner Semliner Haustür. Zwei Ereignisse gaben damals, 1977, den Anstoß für 15 Leute, um die drei Gewässer zu rennen. Das waren die überregionale DDR-Meilenbewegung und der Rennsteiglauf. Als die Begeisterung den kleinen Familien-Rahmen sprengte, forcierten vor allem der Arzt Dr. Hauke Czyborra und Martin Keune die kleine Runde, die einst vor dem Häuschen von Gerd Last startete und in dessen Garten endete.
„Rund um die Hedemicke“ in Kamern, nahe Havelberg – Foto: Klaus Weidt
Sie dachten 2002 an etwas Neues, wollten aber auch bei der bisherigen Tradition bleiben: kein Startgeld. „Wir wollten zugleich diese schöne Landschaft durch Laufen und Wandern noch bekannter machen,“ so Hauke Czyborra, der in Rathenow praktiziert. Sie schafften das über ein Jahrzehnt.
Als sie dann die Seenlauf- Geschicke in jüngere Hände gaben, setzte sich manch schöne Tradition fort: kein Startgeld und kostenlos eine, meist aus edlem Naturstein gestaltete, Finisher-Medaille.
Für alle, gleich ob Läufer, Radler oder Walker, gleich ob auf kurzen oder längeren Strecken. Und danach auf dem Festplatz ein Volksfest, mit Grill, Musik und auch einem „Blasenball“. Bei diesem bekommt jeder, der vom zurückgelegenen Wettkampf eine Blase nachweist, ein Getränk umsonst! Und ein spezielles T-Shirt wird natürlich alljährlich auch angeboten. Obst, Getränke gibt’s im Ziel und hin und wieder auch mal Sauerkraut. Ist jesund. Das alles dank der unermüdlichen Sponsoren – von der Volksbank bis zum Autohaus Dehn.
Noch eine Attraktion gefällig? Unbedingt die Badestelle am Ziel nutzen. Oder den kostenlosen Service der Stechower Physiotherapeuten für verhärtete Muskeln.
Startgeldlos zwischen Elbe und Havel
Dass es Läufe gab und gibt in dieser Anhaltiner Region, die kein Obolus fürs wettkampfmäßige Laufen und Walken verlangen, ist nicht zuletzt einem der rührigsten Laufveranstalter zu danken, den ich je kennengelernt habe: dem viel zu früh verstorbenen Gerd Engel.
Eine Stendaler Legende!
Gerd und Liesel Engel, die Initiatoren des „Ein-Euro-Laufs“, mit der sagenhaften Frau Harke
Foto: Klaus Weidt
Er hob den startgeldfreien Stendaler City-Lauf aus der Taufe, hatte seinen Anteil am Sandauer Pfannkuchenlauf und krönte einst seine Ideen in Kamern, einem reizvollen Ort nahe Havelberg. Frau Harke, eine Riesin, hatte hier der Sage nach eine Eiche gepflanzt, die der Startpunkt für das Rennen und Walken „Rund um die Hedemicke“ wurde. Und nicht genug, dass das allein schon sagenhaft wäre, setzte der Engel noch eins drauf. Jeder, der die 6 oder 9,8 km bewältigte, erhielt auf der Ziellinie gleich zwei Medaillen: eine aus Keramik und eine am grünen Bändchen. An letzterer hing doch tatsächlich ein eingerahmter Euro dran. Somit kein Startgeld, aber noch einen Obolus fürs Mitmachen. Unglaublich, aber wahr. Dank dem Sponsoring einer Sparkasse. Und die velen Helfer stellten sich ehrenamtlich zur Verfügung. Ganz selbstverständlich.
Das alles dürfte wohl einmalig sein!
Oder?
Klaus Weidt