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16
10
2018

IAAF Präsident Sebastian Coe - Foto: Victah Sailer

Sportpolitik-Kommentar: Nadelstich von Lord Sebastian – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0
IOC-Präsident Thomas Bach, hat neue Mitglieder in den olympischen Orden berufen. Dabei fehlte ein bestimmter Kandidat, wohl wegen der Aufarbeitung eines Dopingskandals. Dieser ist jedoch auch Bachs größter Konkurrent.

Der frühere Fechter und der einstige Läufer scheinen ihre Politik der Nadelstiche fortzusetzen. Wieder hat Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitee (IOC), Sebastian Coe übergangen, den Präsidenten des Weltverbandes der Leichtathleten (IAAF) und damit den ersten Mann der olympischen Kernsportart.

Dabei hat er in Buenos Aires gerade neun neue Mitglieder in seinen olympischen Orden berufen, das ist eine ganze Menge.

Bisher schien eine Wartezeit zu gelten, bis der Skandal der IAAF endlich auch gerichtlich aufgeklärt sei. Als der damalige IAAF-Präsident Lamine Diack von seinem zweiten Wohnsitz im Luxushotel in Monte Carlo aus Bestechungsgeld dafür einforderte, dass er positive Doping-Befunde besonders russischer Athleten verschwinden lassen wollte, war Coe sein Vizepräsident. Von all dem Treiben, das behauptet er, habe er nicht das Geringste bemerkt, bis er 2015 Präsident wurde und die französische Polizei seinen Vorgänger festnahm.

Die Ungeheuerlichkeit der Vorwürfe lässt es vertretbar erscheinen, die Leichtathletik und deren Vertreter vorerst nicht mit einer solchen Beförderung zu ehren. Vielleicht ist es auch gar nicht provokativ gemeint, Sergej Bubka, den Erfinder der Salami-Taktik beim Aufstellen von Weltrekorden im Stabhochsprung, im Gegensatz dazu zu fördern. Er hat sich von der Athletenkommission über die durch das Amt begründete IOC-Mitgliedschaft als NOK-Präsident der Ukraine zur persönlichen Mitgliedschaft im IOC hochgedient.

Bubka war wie Coe Vizepräsident von Diack. Wie der Brite kämpfte er mit riesigem Aufwand, nicht zuletzt finanziellem, um die Nachfolge Diacks. Diese Rivalität ist passé.

Nun gelten Coe und Bach als Konkurrenten um die Führung des Weltsports. In der angelsächsischen Welt wird Lord Sebastian seit der Reform seines Verbandes von Grund auf und durch den konsequenten Umgang mit dem russischen Doping-Skandal – der russische Verband ist weiterhin ausgeschlossen, Athleten können sich individuell um das Startrecht bewerben – als weißer Ritter betrachtet, als Herausforderer des IOC-Präsidenten. Als Bach und sein IOC nun die Olympischen Jugendspiele 2022 an Dakar vergaben, nutzte Coe die Anwesenheit des senegalesischen Präsidenten Macky Sall, um zu punkten.

Während die Versammlung sich an dem Song „This Time for Africa“ berauschte – „Waka, Waka“ –, sprach Coe den Staatschef auf den von Interpol gesuchten Papa Massata Diack an. Dieser ist der Sohn und Helfer des in Frankreich unter Hausarrest stehenden Lamine Diack und lebt unbehelligt in Dakar. Coe bat Sall nicht nur um Hilfe bei der Auslieferung, sondern machte dies, vor allem, öffentlich. Die französische und die amerikanische Justiz wollen Diack junior zu Doping-Proben und einigen Millionen Dollar befragen, die er unterschlagen haben soll. Und sie ermitteln, welchem Olympia-Bewerber er die Gunst seines Vaters verkaufte, der als einflussreiches IOC-Mitglied über mehr als sein eigenes Votum verfügt haben soll. Ob Senegal seinen Staatsbürger ausliefert oder nicht – mit seinem Nadelstich in die Feierlaune hat Coe getroffen.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, dem 11. Oktober 2018

author: GRR