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17
03
2021

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann - Foto: privat

Sport und Gewalt – 3. Sportethischer Fachtag mit großer Resonanz – Prof. Dr. Detlef Kuhlmann

By GRR 0

Die Sportethischen Fachtage scheinen sich mehr und mehr zu einem Format mit breiter Resonanz in Sportkreisen, aber auch außerhalb in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zu etablieren.

In der vergangenen Woche wurde der 3. Sportethische Fachtag über sechs Stunden lang pandemiebedingt „online“ aus der Evangelischen Akademie in Frankfurt ausgestrahlt, wo die beiden Vorgängertage im letzten und vorletzten Jahr vor Ort stattfanden.

Rund 150 Gäste (virtuelle Rekordbeteiligung!) an ihren Monitoren zu Hause und unterwegs verfolgten die Referate und beteiligten sich mit Diskussionsbeiträgen in den anschließend parallellaufenden themenbezogenen Workshops.

Der Mainzer Theologe Prof. Dr. Michael Roth stellte in seinem Eingangsreferat „Gewalt als anthropologisches Phänomen“ dar und erwies sich dabei gleichzeitig als profunder Kenner des Sports, indem er den Gewaltbegriff auf das aktive Sporttreiben projizierte: Im Sport wird unter vorher vereinbarten Regeln und unter Einsatz körperlicher Mittel freiwillig „um etwas gekämpft“.

Alle Sportarten bieten dafür ein riesiges Spielfeld, das die Sportlerinnen und Sportler nur betreten, um sich sodann friedlich zu streiten. Der Gewaltbegriff erhält dadurch einen besonderen Anstrich, seine Formen werden im Sport durch die Regeln kanalisiert, ohne dass am Ende vorsätzlich ein Schaden produziert wird: Fairplay lässt grüßen!

In insgesamt fünf weiteren Impulsreferaten ging es um differenzierte Betrachtungen des Gewaltphänomens im Sport und im Drumherum des Sports – sei es z.B. in Formen von Gewalttätigkeiten, die von Fans in die Stadien hereingetragen werden oder außerhalb zum Ausbruch kommen. Nicht unwesentlich ist auch die vielschichtige Rolle der Polizei, deren Einsätze bei Großveranstaltungen im Sport auf der Achse zwischen präventiv auf der einen und reaktiv auf der anderen Seite abzutragen sind, worüber Frankfurts Polizeipräsident Gerhard Bereswill sehr anschaulich Auskunft gab.

Der Journalist, Fußball-Schiedsrichter und Buchautor („Ich Pfeife!“) Christoph Schröder (ebenfalls Frankfurt) referierte quasi als „Selbst-Beobachter“ über das, was sich alltäglich an Gewalt gegen Schiedsrichter auf unseren Fußballplätzen (wegen Corona gerade nicht) abspielt, aber sich niemand wünscht. Das Problem kratzt an der Existenz der Rolle von „Unparteiischen“: Wer kann zukünftig überhaupt noch für einen solchen nicht ganz gewaltfreien Job gewonnen werden? Was ist zu tun, damit Neulinge auch längerfristig dabeibleiben? Wer hat tragfähige Lösungen für das Problem?

Das Thema sexualisierte Gewalt im Sport ist seit einiger Zeit aus der „Dunkelkammer“ an das Tageslicht der Öffentlichkeit geholt worden. Die Sportsoziologin Prof. Dr. Bettina Rulofs (Wuppertal), die selbst im Rahmen einer international angelegten Forschungsprojektes Befragungen von Betroffenen durchgeführt hat, gab dabei nicht nur verbale Einblicke, wie es Opfern in ihrer Karriere ergangen ist, sondern ließ auch die Forderung anklingen, gezielt Anstrengungen zu unternehmen, damit Opfer entschädigt werden.

Dazu bedarf es jedoch erstmal einer Anlaufstelle, wohin sich diejenigen wenden können, die Hilfe benötigen. An Tagesaktualität kaum zu überbieten war das Statement von Michaela Röhrbein, der Generalsekretärin des Deutschen Turner-Bundes (DTB). In ihrem Impuls für eine gewaltfreie Kultur im (Spitzen-) Turnen wurde einmal mehr deutlich, dass „Leistung mit Respekt“ mit einer Kultur des „Hinsehens“ einhergeht, die es durch verbandliche Mechanismen (nicht nur allein im DTB) systematisch zu steuern gilt.

Das Sportethische Forum der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist ein Zusammenschluss von Vertreterinnen und Vertretern aus Kirche, Sport, Sportwissenschaft, Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien unter der Leitung des Sportbeauftragten und Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Dr. Dr. h.c. Volker Jung (Darmstadt), und mit dem EKD-Referenten Kirche und Sport, Pfarrer Eugen Eckert (Frankfurt) als Geschäftsführer, die beide mit ihren Redebeiträgen den Tagungsrahmen gaben bzw. moderierten. Die Fachtage werden in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Akademie Frankfurt organisiert.

Die Mitglieder des Sportethischen Forums treffen sich in Kürze wieder, um das Thema für den 4. Sportethischen Fachtag zu vereinbaren, der schon für Dienstag, den 22. März 2022, wiederum „vor Ort“ in Frankfurt terminiert ist.

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann

 

 

author: GRR