Krisen: Herausforderungen für die Autonomie des Sports Auf der Suche nach begründeten Antworten - Arete Verlag
Sport in Zeiten der Krise … ein neuer Band von Sven Güldenpfennig
Alle reden von der Krise, die spätestens seit März unseren Alltag verändert und den Sport weitgehend lahmgelegt hat(te). Viel ist darüber seitdem geschrieben worden, auch im und über den Sport. Jetzt hat sich – manche mögen mutmaßen – „endlich“ auch Sven Güldenpfennig zu Wort gemeldet.
Der langjährige und tiefschürfende Vielschreiber über „Sport als Kultur“ hat vor ein paar Wochen Band 17 seiner eigenen Reihe mit „Studien zum Sinn des Sports“ vorgelegt.
Der abermals fast 500 (!) Seiten dicke Brocken trägt den Haupttitel: „Krisen: Herausforderungen für die Autonomie des Sports“ und den Untertitel „Auf der Suche nach begründeten Antworten“. Das geht uns alle an …
Der Autor hatte die Arbeiten am Band zeitlich deutlich vor der Corona-Krise begonnen, ist aber dann irgendwann kurz vor der Fertigstellung in sie hineingeschlittert und hat das Werk mitten in der Krise im Mai 2020 abgeschlossen. In genau dieser Zeit muss demnach das letzte der insgesamt 15 Kapitel entstanden sein: Auf rund 60 Seiten wird „Die Corona-Krise als Timeout“ (Haupttitel) salopp, aber sportiv formatiert, um daraus (hoffentlich: kluge) „Lehren für die kulturelle Autonomie des Sports“ (Untertitel) zu ziehen.
Die Corona-Krise ist nach wie vor für uns alle Gegenwart, die Lehren daraus müssen aber Schritt für Schritt in die Zukunft weisen – mehr Aktualität geht kaum. Also kommt es darauf an, sich jetzt klar zu werden, welche Bedrohungen für den Sport im Zuge der Krise sichtbar geworden sind oder noch sichtbar werden: Ist es tatsächlich nur mal eben so zwischendurch ein kurzzeitiges „Timeout“, bei dem sich alle Beteiligten dicht beieinander gedrängt zusammenraufen, um schlagwortartig festzulegen, wie es danach „erfolgreich“ mit dem „Sport-Spiel“ weitergeht? Oder steht hier und heute gar die existenzielle Bedeutung des Sports auf dem Spiel, zumal Corona keine hausgemachte Krise „von innen“ ist, sondern der Sport diesmal völlig überrascht und daher gänzlich unvorbereitet „von außen“ infiziert wird?
Sven Güldenpfennig belegt seine „Timeout-Darstellung“ mit konkreten Geschehnissen aus dieser Zeit, die er nicht nur als emsiger Chronist notiert, sondern umfassend darlegt, argumentativ passend unterfüttert, um sie dann hinsichtlich der möglichen Folgen (im besten Sinne sind das dann die von ihm erhofften „Lehren“) für den Erhalt der kulturellen Autonomie des Sports einzuordnen. Dabei kommt es ihm – Corona hin oder her – geradezu „zwangsläufig“ darauf an, den Sport vor dem „Virus“ der Instrumentalisierung zu immunisieren. Am konkreten Beispiel dazu so viel: IOC-Präsident Dr. Thomas Bach musste sich viel massenmediale Kritik im Rahmen der (vermeintlich zögerlichen) Absage der Olympischen Spiele in Tokio 2020 gefallen lassen und wurde sogar als „Versager“ angeprangert.
Sven Güldenpfennig kleidet das Ergebnis seiner umfassenden Analyse dieses Falles bzw. die Entscheidung von Bach ab S. 447 in ein Wortspiel ein … „nämlich in dem Sinne, dass er sich im Bewusstsein seiner sportpolitischen Verantwortung einer kurzfristig als vorzeitig erscheinenden Entscheidung versagen wollte. Aber: Versager Bach? Nein. Bei realistischer und vorurteilsfreier Betrachtung eben nicht.
Denn nachdem der Entscheidungsdruck auch vonseiten verunsicherter Sportler, Verbände und sogar erster Länder wie Kanada früher und nachdrücklicher eingesetzt hatte, als man angesichts der bis Ende Juli verbleibenden Zeitspanne und der bis dahin eintretenden Entwicklungen zunächst erwarten konnte, hat Bach für das IOC und in Absprache mit der bis dahin ebenfalls noch zögerlichen japanischen Regierung die Verschiebung der Spiele auf 2021 dann doch bereits weit vor der von ihm ursprünglich angekündigten Frist entschieden“. Dem folgt bei Güldenpfennig wenige Abschnitte später noch ein demokratiepolitischer Argumentationsstrang, der Bach eben nicht in ein Licht rückt, als habe er als IOC-Chef schnell und allein und damit quasi „diktatorisch“ entschieden.
Nur der Vollständigkeit halber seien die Themen bzw. Titel der übrigen 14 Kapitel im neuen Buch von Sven Güldenpfennig (geb. 1943), dem früheren Berliner Sport- und Kulturwissenschaftler, der u.a. dort als Wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Olympischen Instituts am Wannsee tätig war, hier genannt. Sie verdeutlichen eindrucksvoll die große Palette der Spielfelder des Kulturgutes Sport, auf denen Sven Güldenpfennig als aktiver „writing player“ unterwegs ist:
Was heißt und zu welchem Ende studiert man Sportpolitik? (1), Sport als Feld der Sinnstiftung (2), „Starke Weiblichkeit entfesseln!“ Sportlicher Eigensinn und Frauen-Power im Fußball (3), Helden im Sport? Nein. (4), Über zwei Boxsport-Legenden (5), Liberalismus versus Fundamentalismus im Sport. Über Systemdenken im sportpolitischen Diskurs (6), Zu den Beziehungen zwischen Sport und Kunst (7), Homo technologicus sportivus? (8), Friedenstaube auf dem Siegerpotest. Eine Bildbetrachtung (9), Politische Biographie aus der Perspektive eines Fußballfans (10), Ein halbes Jahrhundert danach: Lehren aus „1968“ für den Sport (11), Zur Geschichte des Sports in Aachen (12), Federball. Ein Sportroman (13) und Sportgroßveranstaltungen: Kulturereignisse und Problemkinder (14).
Sven Güldenpfennig: Krisen: Herausforderungen für die Autonomie des Sports. Auf der Suche nach begründeten Antworten. Hildesheim 2020: arete Verlag. 490 S.; 34,95 €
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
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