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24
05
2021

Radrennen - Symbolbild - Foto: Horst Milde

SPEKTAKEL ÜBER SPEKTAKEL Ist der GIRO 2021 überhaupt noch ein richtiges Radrennen? Von KLAUS BLUME

By GRR 0

Ob Schnee- oder Platzregen – der Kolumbianer Egal Bernal beherrscht den Giro d‘Italia – und damit die Weltspitze des Radsports – fast nach Belieben. 

Zwar hatten sie die sogenannte Königsetappe am Pfingstmontag wegen winterlichen Wettereinbruchs um fünfzig Kilometer verkürzt, doch vor dem Etappenziel im Olympiaort Cortina d‘Ampezzo musste dennoch über den 2233 Meter hohen Passo Giau gefahren werden.

Als Erster oben und auch als Sieger unten, in Cortina: Egan Bernal.

Und so wird es wohl immer weiter gehen. Am Mittwoch, nach dem Ruhetag, gleich mit einem Schlussanstieg von 11,2 Kilometern; am Freitag mit einer Bergetappe, auf der alles, was in den drei Wochen zuvor erkämpft wurde, auf einen Schlag verloren gehen kann. Ist der Giro d‘Italia, wie er sich jetzt präsentiert, überhaupt noch ein Radrennen?

Denken wir einmal an das Jahr 1989 zurück, als der Giro auf Sizilien startete. Damals saß ich einen Tag vor dem Prolog auf dem kleinen Flugplatz von Catania mit dem späteren Gesamtsieger Laurent Fignon beisammen. Gemeinsam warteten wir auf Fracht aus Rom, an die in deutscher Handwerksarbeit erstellten Laufräder für Laurent und eine Kiste, mit viel Statistiken und italienischer Literatur für mich. Danach machten wir uns in einem verbeulten winzigen Leihwagen zu unserem Hotel auf den Weg.

Wir mussten quer über den Markt von Catania, wurden aber von niemanden beachtet. Von wegen, weltbekannter Super-Star – Laurent Fignon lächelte still in sich hinein!

Heute wird jeder Rennfahrer wie ein  Hollywood-Star abgeschirmt – dochder Giro hat dennoch nicht seinen Charme eingebüßt. Ein Flair, das die Tour de France in den letzten 50 Jahren nie vermitteln konnte. Beim Giro war und ist bis heute nichts perfekt. Wer als Reporter nicht ständig improvisieren kann, wer sich von Offiziellen oder den Handwerkern am Etappenort einschüchtern lässt, sollte lieber gleich nach Hause fahren. Was machen Sie, wenn Ihre Computerleitung – während Sie Ihren Bericht schreiben – auf einmal abgeschraubt wird?

Sie hauen einmal kräftig auf die Hand, die den Schraubenzieher dreht – basta!

Und danach? Ab mit italienischen Kollegen in das angesagteste Ristorante des jeweiligen Örtchens. Denn jeder von ihnen hat überall Verwandte oder alte Freunde – und die laden uns ein. Wie im Süden zu „dicken“ Spaghetti mit angerösteten Knoblauchzehen in Olivenöl. Und dann sitzt man, stundenlang. Manchmal wird dabei sogar über den Giro geredet, wenn es der Anlass gebietet. Über die Schotterstraßen in der Toskana, die man hier die „weißen“ Straßen nennt. Auf denen der belgische Top-Favorit RE,co Evenpoel den Giro 2021 verloren hat.

Aber nicht nur den Giro, sondern gleich auch noch sein Selbstvertrauen. Warum, erklärte uns dessen Teamdirektor Patrick Levere so: „Als die anderen Jungens lernten, ihr Rad zu beherrschen, spielte Remco noch Fußball und träumte von Manchester City.“ Daher kommt wohl auch seine Angst auf den schwindelerregenden Abfahrten, bei den es mit neunzig Sachen zu Tale geht . . .

Dort passieren übrigens die wenigsten Stürze, weil die meisten wirklich ihr Rad beherrschen. Stürze hat es dennoch auf diesem Giro zuhauf gegeben. Irgendwo, hinter einer Straßenecke hatte es den Spanier Mikel Landa erwischt – Schlüsselbein gebrochen. Er hätte den Kolumbianer Bernal und dessen Ineos-Truppe in Schach halten können!

Wenn nicht er, wer sonst?

Elf Jahre lang fährt Landa schon in der World-Tour, beendete die Tour de France zweimal als Vierter und 2015 den Giro als Dritter. Nun liegt er ebenso im Spittal wie der deutsche Tour-Vierte Emanuel Buchmann.

Aber auch das gehört zum Giro. Und nicht nur 2021.

Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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