Drei Schweizer Finalqualifikationen in Berlin
08. August 2018
Lea Sprunger - Foto: Victah Sailer
Lea Sprunger (COVA Nyon) strotzt vor Selbstvertrauen. Das Ziel an den Europameisterschaften in Berlin ist nicht weniger als der Gewinn der Goldmedaille über 400 m Hürden.
16. August 2016. Sprunger ist nach dem Vorlauf an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro ein Häufchen Elend, hat sie doch den Einzug in den Halbfinal verpasst. Fünfeinhalb Monate später bot sich das gleiche Bild, nachdem sie an den Hallen-Europameisterschaften in Belgrad als Topfavoritin über 400 m nur Fünfte geworden war. Die Zweifel der 28-jährigen Waadtländerin waren gross.
Genau diese bitteren Momente haben sie aber weiter gebracht. „Das war schwierig für mich, aber auch wichtig“, blickte Sprunger zurück. „Ich habe dadurch andere Sachen gemacht, die ich ohne die Enttäuschungen vielleicht nicht gemacht hätte.“ So arbeitet sie nun viel mit einem Mental-Coach daran, sich auf ihre Qualitäten zu fokussieren.
Zuvor hatte sie Angst vor den Konkurrentinnen, hatte sie das Gefühl, dass diese viel besser sind als sie. Das ist nun anders. Sie sagte gar: „Wenn ich das zeigen kann, was ich in den Beinen habe, dann müssen die anderen mich schlagen und nicht umgekehrt“. Ausserdem sei sie nicht das erste Mal eine der Favoritinnen, das helfe auch. Diese Aussagen unterstreichen die positive Entwicklung, die sich durchgemacht hat.
Schnellste Europäerin 2018
EM-Gold war von Anfang Saison an ihr Ziel. Nun weiss sie, dass der Titelgewinn möglich ist, schliesslich geht sie im Olympiastadion von Berlin mit 54,79 Sekunden als europäische Jahresbeste an den Start. Ausserdem ist sie überzeugt, noch deutlich schneller laufen zu können, sie will lieber früher als später den 27-jährigen Schweizer Rekord von Anita Protti (54,25) tilgen. Warum sie bislang nicht an ihre Bestzeit von 54,29 Sekunden herangekommen ist, weiss sie nicht genau. „Es waren verschiedene Läufe“, so die EM-Dritte von 2016. „Manchmal war der Beginn sehr gut und der Schluss weniger oder umgekehrt.“ Allerdings zähle an Meisterschaften nur die Platzierung.
Sprunger erachtet die 400 m Hürden als eine offene Disziplin, in der viel passieren kann. Sie ist sich auch bewusst, dass Gegnerinnen wie die Tschechin Zuzanna Hejnova, die Weltmeisterin von 2013 und 2015, die Britin Eilidh Doyle, die Europameisterin von 2014, oder die dänische Titelverteidigerin und Olympia-Zweite Sara Slott Petersen wohl ebenfalls noch Potenzial haben. Den Halbfinal, die Top 12 Europas sind gesetzt, bestreitet sie am Mittwochabend, der Final findet am Freitagabend statt. Dass sie die erste Runde nicht laufen muss, „ist für mich ein riesiger Vorteil, aber ich finde es nicht fair“.
Trainingslager in Davos
Den letzten Schliff für Berlin in Form eines Aufbaus holte sich Sprunger in einem zehntägigen Trainingslager in Davos. Im Bündnerland machte sie mehr Kraft und Ausdauer – längere Läufe mit weniger Pausen -, also Sachen, die während der Wettkampfphase nicht auf dem Programm stehen. „Das war interessant und gut für meinen Kopf, dass ich abschalten konnte und nicht immer im Wettkampfmodus bin“, erklärte Sprunger. Nun ist sie überzeugt, in Topform zu sein.
Die letztjährige WM-Fünfte ist in diesem Jahr auch über 400 m flach die Nummer 1 Europas. In dieser Disziplin besitzt sie aber nicht so viel Erfahrung wie über 400 m Hürden. „Über die Hürden kannst du weniger falsch machen, da der Rhythmus gegeben ist“, so Sprunger. „Zudem ist es meine Herzdisziplin. Ich glaube dort, an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen mehr Chancen zu haben.“ Warum kein Doppelstart? „Das wäre zu viel gewesen. Es ist schon schwierig genug, einen Titel zu holen. Da ist es besser, nicht sofort zwei Versuche zu unternehmen. In zwei Jahren vielleicht.“
Quelle: Swiss Athletics – News (sda)
08. August 2018
Am Mittwochabend standen an den Europameisterschaften in Berlin aus Schweizer Sicht ausschliesslich Halbfinals auf dem Programm. Mit Alex Wilson (Old Boys Basel), Lea Sprunger (COVA Nyon) und Selina Büchel (KTV Bütschwil) schafften gleich drei von ihnen den Vorstoss in den Final.
Vorlaufsieg und 20,16 Sekunden für die 200 m, dazu noch die letzten Meter Tempo rausgenommen: Was für ein Auftritt! Alex Wilsons Erleichterung nach diesem Halbfinal war gross, auch wegen dem verpassten 100-m-Final vom Dienstag. „Viele Leute belächeln mich, wenn ich grosse Ansagen mache“, gab Wilson zu Protokoll. Damit deutete er an, dass man ihn nicht ernst genommen habe, als er sich eine EM-Medaille zum Ziel setzte. „Das Wichtigste aber ist, dass ich dabei an mich selbst glaube und dass meine Familie an mich glaubt. Heute habe ich schon einmal gezeigt, zu was ich fähig bin.“
Wilson blieb winzige zwei Hundertstel über seinem Schweizer Rekord, welchen er an den Schweizer Meisterschaften in Zofingen aufgestellt hatte. Er war damit sogar schneller als Weltmeister Ramil Guliyev (TUR) und Titelverteidiger Bruno Hortelano (ESP). „Jetzt freue ich mich richtig auf den Final. Wer mich dort schlagen will, muss eine gute Kurve laufen, denn die Zielgerade ist momentan meine Stärke. Erst mal muss ich nun aber schlafen gehen. Gute Nacht miteinander.“
Final mit Wilson: Donnerstag, 21.05 Uhr.
Lea Sprunger souverän im Final
Lea Sprunger (COVA) ist im Halbfinal über 400 m Hürden ihrer Favoritenrolle vollauf gerecht geworden. Die Westschweizerin gewann nach einem technisch ordentlichen Lauf in 55,04 Sekunden und stellte die zweitbeste Zeit aller Halbfinalistinnen auf. Dies obwohl sie eher verhalten anlief und auf den letzten Metern nicht mehr voll pushte. „Ich bin zufrieden“, ordnete Sprunger ihre Leistung ein. „Aber die ersten 200 m müssten schneller sein.“ Im Final erwartet sie einen offenen Kampf. „Es wird interessant, denn es sind viele junge Athletinnen da, gegen die ich bisher nie gelaufen bin.“ Kommt dazu, dass mit Sara Slott Petersen (DEN) und Zuzana Hejnova (CZE) zwei namhafte Konkurrentinnen und ehemalige Europameisterinnen ausgeschieden sind.
Final mit Sprunger: Freitag, 20.50 Uhr.
Für Robine Schürmann (LC Zürich) endete der Abend ansprechend, wenn auch nicht mit der Finalqualifikation. Die Zürcher Oberländerin teilte sich ihr Rennen gut ein und kämpfte auf der Zielgerade hart um die Ränge zwei bis fünf. Schliesslich kam sie als Vierte ins Ziel. „Gerne wäre ich auch auf der zweiten Hälfte noch etwas aktiver gelaufen“, suchte sie Verbesserungspotenzial. „Heute passte es irgendwie nicht so.“ Gleichwohl schaffte sie in diesem Jahr eine weitere Zeit unter 56 Sekunden (55,89).
Einen erfolgreichen Abschluss ihrer EM-Kampagne erlebte Yasmin Giger (NET Sport Club Leichtathletik Amriswil). Die junge Athletin stellte mit 56,81 Sekunden eine Saisonbestleistung und ihre zweitschnellste Zeit überhaupt auf, schied damit im Halbfinal über 400 m Hürden aber aus. „Für mich war es vor allem sehr wichtig, hier Erfahrungen zu sammeln“, zog die Thurgauerin Bilanz. „Gleichzeitig muss man realistisch bleiben und sein eigenes Rennen laufen. Das gelang mir.“
Selina Büchel läuft befreit in den Final
Im Vorlauf über 800 m am Dienstag sei sie noch sehr nervös gewesen, sagte Selina Büchel: „Ich zweifelte immer noch ein bisschen an meiner Form, wusste nicht wo ich genau stehe. Nun habe ich die Antwort.“ Und die Antwort ist eine sehr schöne, die da heisst: Finalqualifikation! In einem Rennen, bei welchem die Läuferinnen wegen dem eher tiefen Tempo grösstenteils gleich zu Mehreren nebeneinander liefen, hielt sie sich geschickt aus Rempeleien heraus. Und vor allem: Ihr Timing stimmte so gut, dass sie auf der Zielgerade genau richtig positioniert war, um sich auf den rettenden dritten Rang vorzuarbeiten. „Nun gehe ich voller Selbstvertrauen in den Final und dort werde ich voll angreifen“, fügte Büchel an.
Final mit Büchel: Freitag, 21.20 Uhr.
Im anderen Halbfinal verblüffte Lore Hoffmann (CA Sierre) ein weiteres Mal. Auf dem Papier als eine der am schlechtesten klassierten Athletinnen angetreten, hatte sie ihr Husarenstück bereits im Vorlauf vollbracht, als sie den Cut unter die besten 16 schaffte. Bereits dort mit persönlicher Bestleistung (2:02,42 Minuten) im Vorlauf, steigerte sie sich ein weiteres gutes Stück auf 2:01,67. Damit wurde sie Gesamt-11. „Das ist verrückt!“, ordnete sie ihre Leistungssteigerung bei dieser EM ein.
Swiss Athletics berichtet auf der Website von der EM und führt auch eine eigene EM-Subsite mit hilfreichen Zusatz-Informationen rund um die Schweizer Equipe. Ausserdem werden die Social-Media-Kanäle Facebook, Twitter und Instagram laufend mit Fotos und Videos bespielt.
Die Fernseh-Stationen SRF, RTS und RSI übertragen ab Montag live und umfassend aus Berlin. Zusätzliche Video-Beiträge aus dem Umfeld des EM-Teams finden sich auf ubs-athletics.fans und athle.ch. Vor Ort ist auch ein Team von athletix.ch, dass die Schweizer Leichtathletik-Community laufend mit Fotos aus dem Olympiastadion versorgt.
Quelle: Swiss Athletics – (cg)