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13
09
2020

Dr. Dr. Lutz Aderhold - Foto: privat

Sehnenbeschwerden im Laufsport – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

By GRR 0

Sehnenbeschwerden (Tendinopathien) werden als ein Prozess aus vorhandenen Schmerzen und eingeschränkter Funktionsfähigkeit verstanden, der durch eine Überlastung verstärkt oder verursacht werden kann.

Sie sind von strukturellen Veränderungen (Tendinose) und/oder begleitenden entzündlichen Veränderungen (Tenosynovitis) gekennzeichnet (Cook et al. 2016; Engelhardt u. Mauch 2017; Engelhardt et al. 2018).

Risikofaktoren für Tendinopathien sind (Khalid u. Zhanel 2005, Tsai u. Yang 2011; Kirchgesner et al. 2014, Budny u Ley 2015; Engelhardt u. Mauch 2017):

  • männliches Geschlecht,
  • erhöhtes Gewicht,
  • Stoffwechselstörungen (Diabetes, Hypercholesterinämie, Gicht),
  • frühere Einnahme von Medikamenten: Kortison, Chinolon-Antibiotika, Statinen und Aromatase-Hemmern,
  • strukturelle Instabilitäten und Abweichungen,
  • funktionelle Defizite,
  • Vorverletzungen,
  • Degeneration der Sehne im Alter,
  • erhöhte Steifigkeit der Sehne,
  • unzureichende Ausrüstung (Schuhe),
  • Trainingsumfang ≥ 60 km/Woche.

Chronische, belastungsabhängige Sehnenbeschwerden sind Ursache für eine reduzierte körperliche Belastbarkeit im Freizeit- und Leistungssport. Es resultieren Trainings- und Wettkampfausfälle. Häufig betroffen sind bei Läufern die Achillessehne, die Patellasehne, die Quadrizepssehne, die Plantarfaszie, die Sehne des M. tibialis posterior und der Tractus iliotibialis (Lopes et al. 2012; Engelhardt und Mauch 2017; Khodaee 2017).

Weiterhin kommen auch Sehenansatzreizungen am großen Rollhügel, am Sitzhöcker, des Kniekehlenmuskels, des Zehenstreckers und des kurzen Wadenbeinmuskels vor. Die Sehne ist gemessen am Muskel ein vergleichsweise schlecht durchblutetes Gewebe, was die Heilungsvorgänge verzögert. Die Behandlung kann im Einzelfall komplex sowie zeit- und kostenintensiv ausfallen.

Charakteristische Symptome sind Schmerzen am Anfang der Belastung, die nach der Aufwärmphase abklingen können. Bei zunehmender Belastungsintensität nehmen die Beschwerden meist wieder zu. Einige Zeit nach dem Training und nach dem Aufstehen am Morgen sind die Schmerzen häufig am intensivsten.

Lokal besteht eine schmerzhafte Sehnenstruktur mit knotenförmigen Auftreibungen. In der Sonografie und im MRT zeigen sich Läsionen, Adhäsionen und Verdickungen im Bereich der Sehne. Weit verbreitet ist immer noch die Annahme, dass es sich um eine lokale Entzündung (Tendinitis) handelt. In neueren Untersuchungen fand man aber keine Entzündungszellen, sondern eine örtliche Kollagendegeneration, Mikrorupturen, eine Aufhebung der üblichen Anordnung der Kollagenfasern und die Einsprossung von Neogefäßen und Nervenendigungen (Movin et al. 1997; Riley 2004; Kjaer 2004; Schubert et al. 2005; Knobloch 2009). Konsequenterweise spricht man heute nicht mehr von einer Tendinitis, sondern von einer Tendinose oder Tendinopathie (Rees et al. 2014). Zur allgemeinen Klassifikation von Tendinopathien im Sport wird die Einteilung nach Gremion und Zufferey (2015) empfohlen, welche degenerative und entzündliche Veränderungen sowie Rupturen unterscheidet.

Therapie

Das primäre Behandlungsziel ist die Schmerzreduktion sowie die Verringerung bzw. Vermeidung der Ursachen. Als Standardtherapie gelten lokale physiotherapeutische und physikalische Verfahren wie Querfriktionen, Eis-, Ultraschall-, Magnetfeldtherapie, Stoßwellentherapie und Softlaserbestrahlung (Brosseau et al. 2004). Die Literatur belegt gute Effekte der Stoßwellentherapie in Kombination mit exzentrischem Training (Al-Abbad u. Simon 2013; Wiegerinck et al. 2013; Gerdesmeyer et al. 2015; Mani-Babu et al. 2015). Ergänzend kann auch Flossing eingesetzt werden (Kreutzer et al. 2016). Außerdem müssen die sportlichen Aktivitäten reduziert oder geändert werden. Im Gegensatz zu anderen Verletzungen (z.B. der Muskulatur) sollten Sehnenpathologien nicht zu einer Ruhigstellung führen. Bei Schädigung sollte eine Belastungsmodifikation erfolgen.

Querfriktionen sollen Adhäsionen lösen und die Proliferation von Fibroblasten fördern, Ultraschall wiederum soll die Kollagensynthese stimulieren (Ramirez et al. 1997; Brosseau et al. 2004). In Ergänzung zur Physiotherapie können sensomotorische Trainingsformen und exzentrische Belastungen eingesetzt werden (Holm et al. 2004; Shalabi et al. 2004; Engelhardt u. Mauch 2017). Auch die Schuhe und Einlagen müssen optimiert werden (Leppanen et al. 2014; Peters et al. 2016). Eine gesicherte (evidenzbasierte) Leitlinie zur Therapie existiert derzeit aber nicht. Eine Ergänzung stellen Mikronährstoffe wie Glucosamin- und Chondroitinsulfat, Kollagenhydrolysat, Hyaluronsäure, Kieselsäure, Omega-3-Fettsäuren, Antioxidanzien sowie Enzyme dar (Knobloch u. Weinert 2012). Der Einsatz entzündungshemmender Medikamente (nichtsteroidale Antiphlogistika und Kortikosteroide) kann unterstützend zur Physio- und Trainingstherapie zum Einsatz kommen, muss aber individuell abgewogen werden. In der initialen Heilungsphase sollte auf diese Medikamente verzichtet werden, da die für die Heilung notwendige lokale Entzündungsreaktion unterdrückt wird (Engelhardt u. Mauch 2017).

Dies betrifft sowohl die systemische Gabe als auch die lokale Injektionstherapie (Mayer et al. 2008). Als Alternativen zur Schmerztherapie bieten sich Paracetamol und Metamizol an. Individuell abgewogen werden muss auch die Injektion von PRP (Platelet-Rich-Plasma – Di Matteo et al. 2015; Engelhardt u. Mauch 2017) und die Sklerosierungstherapie mit Polydocanol (Alfredson u. Ohberg 2005; Lind et al. 2006; Knobloch 2008; Hoksrud et al. 2012; Morath et al. 2018).

Achillessehnenprobleme

Die Achillessehne verbindet die Wadenmuskulatur mit dem Fersenbein. Sie ist die stärkste Sehne des menschlichen Körpers.

Sie besteht zu 95 % aus Typ-1-Kollagen, das kräftiger und flexibler ist als das restliche Typ-3-Kollagen. In ihrem Verlauf vollzieht die Sehne eine 90-Grad-Rotation und kann dadurch wie eine Feder wirken, indem sie Kraft speichern und wieder abgeben kann. Bei der Heilung einer Verletzung wird zunächst das schwächere und unflexiblere Typ-3-Kollagen gebildet. Die Spannkraft und Federwirkung der Sehne ist damit zunächst reduziert.

Die Achillessehne hat keine typische Sehnenscheide, sondern wird von einem Gleitlager und einer Umhüllung (peritendinöses Gewebe) umgeben. Diese Hülle ist reich an Blutgefäßen und dient der Ernährung der Sehne.

Durch Kontraktion des Wadenmuskels wird über die Sehne das Fersenbein angehoben und so der Abdruck beim Laufen vorgenommen. Aufgrund der Hebelverhältnisse wirken enorme Kräfte, die schon im normalen Stand beim Anheben der Ferse das 2,5-fache des Körpergewichts betragen und in der Abstoßphase das Siebenfache des Körpergewichts erreichen können. In Anbetracht der anatomischen Besonderheiten verwundert es nicht, dass viele Sportler, bei denen über den Fuß Sprungkraft entwickelt wird, Achillessehnenprobleme haben. Hierzu gehören aufgrund der Dauerbelastung der Sehne auch Langstreckenläufer. Dabei bestimmt vor allem der Trainingsumfang die Wahrscheinlichkeit einer Achillestendinopathie (Mayer u. Dickhuth 2002). Auch als Folge von veränderten Schuhkonstruktionen kann diese Problematik zunehmen (Mayer et al. 2000).

Merksatz

Fast alle Muskeln der Körperrückseite neigen aufgrund ihrer haltenden (tonischen) Funktion zur Verkürzung und einer erhöhten Grundspannung. Hierzu gehören die Nackenmuskulatur, die ischiokrurale Muskelgruppe, die lumbalen Muskeln und auch die Wadenmuskulatur.

Die Folge ist eine erhöhte Anspannung der Achillessehne mit Behinderung des Stoffwechsels und chronischer Reizung. In aller Regel sind Schmerzen im Bereich der Achillessehne (Achillodynie) auf eine Reizung des die Sehne umhüllenden Gleitgewebes, des Peritendineums, zurückzuführen.

Früher ging man davon aus, dass es sich um einen entzündlichen Prozess handelt. Inzwischen hat sich jedoch die Ansicht durchgesetzt, dass in den meisten Fällen eine Degeneration von Kollagenfasern mit Veränderung der Faserstruktur sowie Mikrorisse die Ursachen sind (Wünnemannn u. Rosenbaum 2009; Magnan et al. 2014; Engelhardt u. Mauch 2017). Die nachweisbaren Zeichen der Degeneration sind sogenannte Neogefäße mit einer gesteigerten Durchblutung und eine Anhäufung von freien Nervenendigungen (Knobloch 2009).

Es kann auch zu Verkalkungen im Bereich des Sehnenansatzes im Sinne eines dorsalen Fersensporns kommen. Bei Belastungsbeginn treten häufig stechende Schmerzen auf, die mit zunehmender Laufbelastung abnehmen und erst bei hochintensiver, längerer Belastung stärker oder nach Trainingsende wieder auftreten. Die Schmerzen sind häufig verbunden mit einer verdickten Sehne. Sie äußern sich als Druckschmerzen. Bei Bewegung verspürt der Sportler ein Knirschen im Sehnenbereich, ähnlich wie beim Formen eines Schneeballs. Die Liste der möglichen Ursachen ist lang und reicht von Instabilitäten des Bandapparates, muskulären Schwächen über Fehlstellungen bis hin zur falschen Schuhauswahl und Trainingsfehlern.

Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer – Lutz Aderhold – Mit Beiträgen von Stefan Weigelt – ELSEVIER Verlag

 

Achtung

Die fortgesetzte Einnahme von Antibiotika (Chinolonpräparate), Statinen, Aromatase-Hemmern, Kortison und Anabolika (Doping!) schwächt das Sehnengewebe (Tsai u. Young 2011; Kirchgesner et al. 2014; Budny u. Ley 2015). Auch zu hohe Harnsäure- und Cholesterinwerte können zu Ablagerungen im Bereich der Achillessehne führen und eine Reizung bewirken.

Therapie

In fast allen Fällen ist eine Einlagenversorgung mit optimierter Schuhauswahl und orthopädischer Schuhzurichtung empfehlenswert.

Empfohlen wird auch ein orthopädischer Fersenschuh für die Nacht. Dadurch wird während des Schlafs eine sanfte, anhaltende Dehnung auf den Fuß ausgeübt. Auch die Verwendung einer pneumatischen Fersenbandage kann zu einer Verbesserung führen. In der akuten Phase der Achillessehnenentzündung kann auch ein Fersenkeil bzw. ein Schuh mit hoher Sprengung zu einer Entlastung führen.

Achtung

Die Empfehlung, auf weichen Untergründen mit extrem gedämpften Schuhen zu laufen, wird derzeit kritisch gesehen. Ein Lauftraining auf Sandboden führt durch das Einsinken zu einer erheblichen Mehrbelastung der Sehne.

TIPP

Sie sollten ein konsequentes Dehnungsprogramm (nur bis an den Schmerz heran) durchführen. Am besten eignet sich eine einfache Übung (exzentrisches Training), bei der Sie mit durchgedrückten Knien auf einer Stufe stehen und das Körpergewicht auf den Ballen halten. Die über die Kante hinausstehenden Fersen senken Sie etwa zehn Sekunden lang ab. Die Intensität erhöhen Sie, indem Sie abwechselnd nur eine Ferse senken.

Dieses exzentrische Krafttraining sollte mindestens 12 Wochen lang mit sechsmal 15 Wiederholungen durchgeführt werden (Krämer et al. 2010; Habets et al. 2015; Zwiers et al. 2016; Engelhardt u. Mauch 2017). Eine geringere Dosis ist aufgrund des langsamen Zellumbaus in der Sehne nicht wirksam (Knobloch 2009). Durch dieses exzentrische Krafttraining verschwinden die krankhaften Gefäße samt schmerzleitenden Nerven. Auch die Selbstmassage der Wadenmuskulatur mit der Blackroll® und Flossing sind hilfreich.

Transkutan aufgebrachtes Nitroglyzerinspray (2 × 2 Hübe/Tag) fördert die Durchblutung und verbessert den Kollagenstoffwechsel. Ultraschall-kontrolliert kann auch eine Sklerosierung der Neogefäße mit Polidocanol vorgenommen werden (Morath et al. 2018).

Die Kältetherapie direkt nach dem Training, Salbenumschläge (z. B. Magerquark-Packung über Nacht), Querfriktionsmassage, Stoßwellentherapie, Elektrotherapie und Magnetfeldtherapie fördern die Durchblutung, regen den Stoffwechsel an und blockieren die Schmerzrezeptoren (Al-Abbad u. Simon 2013; Gerdesmeyer et al. 2015; Mani-Babu et al. 2015; Zwiers et al. 2016; Korakakis et al. 2018). Das Training sollte umgestellt und eventuell reduziert werden (als Alternativen bieten sich Radfahren und Aqua-Jogging an), bei stärkeren Beschwerden ist eine Trainingspause notwendig.

TIPP

Nach Besserung können Sie mit reduziertem Lauftraining schmerzlimitiert wieder beginnen. Das Lauftraining führen Sie am besten in ebenem Gelände durch, da dies die Sehne am wenigsten belastet. Ein zusätzliches Balancetraining ist auch bei Sehnenbeschwerden sinnvoll.

Tritt keine Besserung ein, kann eine Injektionsbehandlung mit stoffwechselaktivierenden und schmerzlindernden Substanzen vorgenommen werden. Die Injektionen dürfen nur in das umhüllende Gewebe und nicht in die Sehne erfolgen. Bewährt haben sich Kombinationen von Lokalanästhetika mit homöopathischen Komplexmitteln. Auch gefäßverödende Medikamente und Hyaluronsäure werden eingesetzt. Auf die peritendinöse Injektion von Glukokortikoiden sollte verzichtet werden, weil dies zu einer Störung des Tenozytenstoffwechsels und erhöhter Rupturgefahr führt (Wong et al. 2005; Coombes et al. 2010; Engelhardt u. Mauch 2017). Kurzfristig ist die Gabe von Antiphlogistika gerechtfertigt, ergänzend können Homöopathika (Rhus toxicodendron, Traumeel®) und Akupunktur eingesetzt werden. Eine Supplementierung mit Glukosamin und Kieselsäure (Ackerschachtelhalm-Konzentrat) unterstützt die Regeneration. Die Ruhigstellung im Gipsverband, wie teilweise praktiziert, bringt nach heutigen Erkenntnissen keinen Nutzen.

Merksatz

Die Rehabilitation bei Achillestendinopathie ist langwierig. Das liegt an der langen Teilungszeit der Sehnenzellen von acht Wochen.

Nur bei Versagen der konservativen Therapie ist eine Operation zu erwägen, wobei das chronisch entzündliche bzw. narbig veränderte Sehnengleitgewebe entfernt wird (Sehnendebridement).

Vorbeugung

Zur Prävention sollten Sie dreimal in der Woche das vorgestellte exzentrische Krafttraining durchführen. Eine adäquate Laufschuhversorgung kann prophylaktisch wirken (Leppanen et al. 2014; Peters et al. 2016).

Ein Propriozeptionstraining (Koordinationstraining am Fußgelenk, Balanceübungen) reduziert die Häufigkeit von Achillesehenenverletzungen.

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

Die Literaturhinweise finden Sie in:

Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. München: Elsevier 2018.

RETTET UNSERE LÄUFE – SAVE THE EVENTS – Foto: Victah Sailer

„Rettet unsere Läufe“ – Wir brauchen jede Stimme, um den Laufsport zu retten. Helfen Sie bitte mit und beteiligen Sie sich an der Petition!

Hier geht es zur Petition:

https://www.openpetition.de/petition/online/save-the-events-o-rettet-unsere-laeufe

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DANKE für Ihre HILFE!

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author: GRR