Bei Temperaturen um 0°C wurde das Rennen am Freitagmorgen um 11 Uhr gestartet und sah neben Jornet fünf weitere Mitstreiter am Start, die aber eigentlich nur die Regel konforme Staffage für den Star der Veranstaltung bildeten.
Von einem großen Sportausstatter großzügig unterstützt, drehten die sechs Unentwegten ihre (400m-)Runden, wobei man sich schon fragen musste, ob die dick vermummten Läufer zu dieser Jahreszeit im hohen Norden die für ein solches Unterfangen erforderlichen Bedingungen vorfanden. Unter Corona bedingtem Ausschluss der Öffentlichkeit fand der wesentliche Teil der Veranstaltung im Dunkeln statt, wegen der Eisbildung mussten die beiden Innenbahnen mit Salz lauffähig gehalten werden.
Der 24h-Lauf fand in Mandalen, nördlich von Oslo statt. (c) GOOGLE-Maps
Am Anfang sah alles noch bestens aus, nach ersten 5 km in 21:38, 10 km in 43:03 und 20 km in 1:26:18 hatte der in Norwegen lebende, gebürtige Spanier ein flottes Tempo mit km-Abschnitten um 4:18 Minuten/km gefunden und befand sich auf Kurs zu einer 24-h-Distanz von 334 km – also deutlich schneller als der Weltrekord. Eine erste Überraschung gab es schon nach 2 Stunden bei einem Stop von Jornet, als sich Sebastian Conrad Håkansson (NOR) allein an die Spitze setzte und der Abstand zum Favoriten schnell wuchs.
Kilian Jorent nach 12,8 km in 55 Minuten. (c) Livestream/Screenshot
In für einen 24 Stunden-Lauf aberwitzigen 2:58:16 legte Håkansson den Marathon zurück, Kilian folgte nach 3:03:13. Bei 50 km betrugen die Splits 3:31:46 und 3:35:09, womit man deutlich hinter den Durchgangszeit von 3:24 Stunden von Kouros beim WR-Lauf in Adelaide im Jahr 1997 zurücklag. Schon ab diesem Zeitpunkt konnte Jornet den Rückstand auf Håkansson von gut einem Kilometer nie maßgeblich reduzieren, bei 100 km in 7:13:08 lag Jornet in 7:23:06 volle 10 Minuten zurück. Beide waren aber deutlich im Regime des Weltrekords, der spätere Sieger des Events Harald Bjerke (NOR), der unbeeindruckt von der Tempohatz vorne seine Runden drehte, agierte hier in 9:05:15 fast 2 (!) Stunden zurück.
Der Rest der Aktion ist schnell berichtet. Jornet fühlte sich bald darauf etwas schwindlig, hatte zudem Schmerzen im Knie und musste das Rennen nach 337 Runden mit 134,80 km aufgeben und wurde ins Krankenhaus gebracht. Auch Håkansson, der im Marathon eine PB von 2:26 Stunden aufweist und erst kürzlich einen 12 Stunden-Lauf am Sandefjord gewann, ließ nun dramatisch nach, erreichte aber noch Landesrekorde für 12 Stunden (ca. 153,8 km) und 100 Meilen (12:55 Stunden) und beendete nach 403 Runden = 161,20 km den Lauf.
Dadurch rutschte dann – im Vorfeld völlig unerwartet – der vermeintlich „schwächste“ aller Teilnehmer, Harald Bjerke, an die Spitze, die dieser bis zum Ende mit 580 Runden = 232,0 km souverän verteidigte. In einer Vorschau zum Lauf war über Bjerke zu lesen: „Coming into this event as the least accomplished runner, he´s got nothing to prove. Athletes who have nothing to prove and everything to win are normally the one who do. So keep an eye on him!“
Da die Hauptakteure überzogen und sich Geduld auszahlt, ist dann auch so gekommen.
Diese drei Akteure hielten bis zum Schluss durch: Norum, Bjerke und Holvik (v.l.). (c) Livestream/Screenshot
Damit gab es statt eines Weltrekords über 24 Stunden am Ende international wenig überzeugende Ergebnisse, vor allem auch bei den zwei weiteren „Überlebenden“ Jo Inge Norum (NOR) und Simen Holvik (NOR), die 219,2 km und 208,0 km zurücklegten.
Organisatorisch war dieses Event sehr gut inszeniert, der Livestream sehenswert und engagiert produziert. Die Macher vor Ort denken bereits über eine Neuauflage bei wärmeren Temperaturen und mit einem genesenen Kilian Jornat nach.
Dazu schon heute viel Erfolg!
Helmut Winter
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