Die erste Rose legen wir in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand ab und erinnerten uns an Mildred Harnack (1902-1943). - Foto: Bernd Hübner
Rührende Einzelschicksale von beeindruckenden Frauen, die uns sagen, dass es so nie wieder sein darf! Dr. Erdmute Nieke
Zweiter Frauentagslauf für alle Geschlechter des Lauftreffs Bernd Hübner in Berlin am 8. März 2020 von Dr. Erdmute Nieke
Warum laufen Menschen? 23 Läufer*innen haben im Berliner Tiergarten den sportlichen Aspekt mit einem sich „schlau machen“ verbunden. Oder: Diese Läufer*innen haben den Frauentag genutzt um sich an fünf Frauen zu erinnern, die sich und ihr Leben für Freiheit, Kunst, Gerechtigkeit, Demokratie, Bildung oder Gesundheit eingesetzt haben.
Wie das lief? Wir starteten um 10 Uhr am Restaurant Giraffe im Tiergarten. Zuvor haben alle Teilnehmer*innen einen Sticker mit der Aufschrift „8. März 2020 – Hübis Frauenpower – Ich war dabei!“ erhalten.
Wir liefen 12 Kilometer durch Berlin, im Laufgepäck waren fünf Rosen und fünf Frauenporträts. Unterwegs stoppten wir an fünf Orten und lernten fünf Frauenbiographien kennen, die eine Teilnehmerin nach dem Lauf zu dem folgenden Satz im Laufforum Bernd Hübner veranlasste:
Rührende Einzelschicksale von beeindruckenden Frauen, die uns sagen, dass es so nie wieder sein darf!
Die erste Rose legen wir in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand ab und erinnerten uns an Mildred Harnack (1902-1943). Eine amerikanische Literaturwissenschaftlerin, die aus Liebe nach Deutschland kam und gemeinsam mit ihrem Mann Arvid im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv wurde und dafür in Berlin-Plötzensee hingerichtet wird.
Ihre letzten Worte sind überliefert: „Und ich habe Deutschland so geliebt.“
Unsere Gespräche auf dem nächsten Laufstück: Dass es so nie wieder sein darf!
Die zweite Rose legen wir für Tilla Durieux (1880-1971) im gleichnamigen Park am Potsdamer Platz ab. Die Schauspielerin wird in Wien geboren und spielt in den berühmten „goldenen“ zwanziger Jahren in Berlin kostenlos für Arbeiterversammlungen in den Berliner Vororten, zum Beispiel in der Hasenheide. Während der NS-Zeit ist ihr Leben von Flucht und Widerstand gekennzeichnet, denn sie war mit drei jüdischen Männern verheiratet.
Die zweite Rose für Tilla Durieux (1880-1971) – Foto: Bernd Hübner
Unsere dritte Rose widmen wir Maria Fenski (1905-1942) am Gedenkort T4 vor der Berliner Philharmonie. In der Tiergartenstaße 4 (T4) wurde in der NS-Zeit der Mord an 200.000 Menschen mit geistigen oder seelischen Einschränkungen geplant und organisiert. Maria Fenski war eines dieser sogenannten „Euthanasie-Opfer“. Die Mutter von drei Kindern wurde wegen angeblicher Schizophrenie in die Landesanstalt Neuruppin gebracht, wo sie innerhalb eines Jahres auf 42 Kilogramm abgemagert, den Hungertod erleiden musste.
Unsere dritte Rose widmen wir Maria Fenski (1905-1942) – Foto: Bernd Hübner
Ihre Enkelinnen haben diese furchtbare Geschichte 2003 mit der aufgefundenen Krankenakte für die Nachwelt bewahrt: Dass es so nie wieder sein darf!
Die vierte Rose haben wir für Hannah Arendt (1906-1975) am Holocaustmahnmal an der Hannah-Arendt-Straße abgelegt. Die Philosophin und Journalistin hat hat ihr gesamtes akademisches Denken unter das Motto „dass es so nie wieder sein darf!“ gestellt. Als sie 1961 in Jerusalem den Prozess gegen Adolf Eichmann verfolgt, prägt sie den Begriff von der „Banalität des Bösen“. Sie mahnt uns, immer in Freiheit zu handeln.
Die vierte Rose für Hannah Arendt (1906-1975) am Holocaustmahnmal an der Hannah-Arendt-Straße – Foto: Bernd Hübner
Unsere letzte und fünfte Rose tragen wir in die Berliner Charité. Hier wirkte von von 1903 bis 1919 Rahel Hirsch (1870-1953) als erste Medizinprofessorin in der Geschichte Preußens. Mit dem Titel „Professor“ war für sie weder eine Lehrerlaubnis noch ein Honorar verbunden, denn sie war ja nur eine Frau!
Bereits 1913 hat sie eine Schrift „Körperkultur der Frau“ verfasst, in der sie sich für die körperliche Betätigung und natürliche Bekleidung der Frauen einsetzt. Rahel hätte sicherlich heute ihre Freude an 21 laufenden Frauen und zwei laufenden Männern gehabt. Nach dem ersten Weltkrieg verlässt sie – von den aus dem Krieg zurückkehrenden Ärzten verdrängt – die Charité und gründet am Berliner Kurfürstendamm eine eigene internistische Praxis.
Die fünfte Rose für Rahel Hirsch (1870-1953), die erste Medizinprofessorin in der Geschichte Preußens, Bronzefigur auf dem Charitégelände. – Foto: Bernd Hübner
Als Jüdin verliert sie 1938 ihre Approbation und kann kurz vor ihrer Verhaftung im November 1938 nach London fliehen. Dort darf sie nicht mehr als Ärztin arbeiten und leidet bis zu ihrem Tod an dieser Situation. Auch hier sind wir uns einig, dass es so nie wieder sein darf! Auf dem Charitégelände steht seit 1996 eine Bronzefigur, die an Rahel Hirsch erinnert. Sie trägt jetzt unsere Rose.
Nach 12 Kilometern wieder am Ausgangspunkt angekommen, erhalten alle Teilnehmer*innen statt einer Medaille ein kleines Heft mit den fünf Frauenbiographien. Danach schmeckt allen das Frühstück im Restaurant Giraffe und wir reden noch viel über die beeindruckenden Frauen, an die wir uns nicht nur zum Frauentag erinnern sollten. Diese Frauen mahnen uns, dass es so nie wieder sein darf! Denn auch heute ist unser Einsatz für Freiheit, Gerechtigkeit, Demokratie, Bildung oder Gesundheit nötig!
Am 8. März 2021 – in Berlin ein gesetzlicher Feiertag – werden wir wieder uns laufend schlau machen und andere beeindruckende Frauen treffen und kennen lernen, dann startet der dritte Frauentagslauf für alle Geschlechter.
Dr. Erdmute Nieke
Erster Frauentagslauf für alle Geschlechter 2019:
https://germanroadraces.de/?p=120307