Die Freude war vielen alten Berglaufhasen ins Gesicht geschrieben, auch wenn der Restart bei der nunmehr 32. Auflage ein völlig anderes Streckenprofil aufwies als man dies bislang auf dem Kurs von Linsenhofen über Balzholz zur Burgruine Hohenneuffen - Foto: Wilfried Raatz - wus-media
Restart macht Laune – Gelungener Start am Hohenneuffen in die deutsche Berglaufsaison 2021 mit Startwellen von bis zu 20 Läufern – Aus dem klassischen Berglauf ist eine Corona-Variante bergauf-bergab geworden – Wilfried Raatz berichtet
Der Beurener Hohenneuffen-Berglauf geht mit der Corona-Variante als erster Berglauf in Deutschland in der allmählich sich lockernden Einschränkungen der Corona-Pandemie in die Historie des deutschen Berglaufes ein.
Während andernorts Absagen auf Absagen die Schlagzeilen bestimmten, gibt es dank der rührigen Organisatoren des Hohenneuffen-Berglaufes vor den Toren Stuttgarts erste Hoffnungen, dass sich auch der deutsche Berglauf noch im Jahr 2021 zurückmeldet.
Die Freude war vielen alten Berglaufhasen ins Gesicht geschrieben, auch wenn der Restart bei der nunmehr 32. Auflage ein völlig anderes Streckenprofil aufwies als man dies bislang auf dem Kurs von Linsenhofen über Balzholz zur Burgruine Hohenneuffen über 9,3 km und 438 Höhenmeter zu absolvieren hatte. Denn die Corona-Variante mit ebenfalls 9,3 km, aber 320 Höhenmeter bergauf und bergab, forderte andere Fähigkeiten, als man dies im Kur- und Badeort Beuren bislang gewohnt war.
Denn Corona machte auch bei den Machern um Frank Klaas bei den ausrichtenden Vereinen TSV Beuren und TSV Frickenhausen ein Umdenken erforderlich. Nach dem Ausfall 2020 keimte schon während des Winters die Idee eines neuen Streckenkonzeptes, denn selbst bei den zu erhoffenden Lockerungen der Pandemie-Beschränkungen Mitte des Jahres wäre ein Zieleinlauf im Burghof in vielerlei Hinsicht zu problematisch gewesen.
Nicht alleine wegen der doch beengten Verhältnisse im Burginnenhof, sondern vor allem wegen des zu organisierenden Rücktransports der Läufer und des zu erwartenden Besucher- und Zuschauerstroms an schönen Frühsommertagen. Nicht einmal bedacht dabei die zu erwartenden Bedenken der Burgen- und Schlösserverwaltung.
Nach zahlreichen Trainingseinheiten am Hausberg der Beurener Läufer entstand ein Streckenkonstrukt, das es in der aktuellen deutschen Berglaufszene alter Prägung kaum zu finden gibt, nämlich ein Parcours mit Bergauf- und Bergabpassagen. „Die neue Strecke als Alternative fand ich gut, der Lauf war toll!“ gesteht Christine Sigg-Sohn, die 2013 in Beuren siegreich war und in der Folge an starken Bergläuferinnen wie Monika Pletzer aus dem Veranstalterverein TSV Frickenhausen nicht mehr vorbeigekommen war.
Für die W45-Mastersläuferin war allerdings wie für alle der Mitfavoriten des diesjährigen Hohenneuffen-Berglaufes ein Lauf ins Ungewisse. „Man läuft vorweg, hat keine Orientierung“, bekennt Hannes Großkopf, der als Erster vom großflächigen Startareal am Bolzplatz Raufwäldle aus auf die Strecke ging – und als Erster aus dem Startblock 1 ins Ziel einlief.
Mit erheblichem Aufwand hatte das Organisationsteam ein weitläufiges Startareal mit eigenem Start- und Zielbereich gestaltet, sodass die insgesamt zwölf Startblöcke im 10-Minuten-Abstand ohne engeren Kontakt bei der Startaufstellung loslaufen konnten. Von 9.00 bis 11.20 Uhr gab es letztlich Start-Countdowns für die maximal 20 Starter eines Blocks. Diesen konnten die Teilnehmer freilich selbst wählen – mit dem Ergebnis, dass einige Startblöcke unterbesetzt waren. Denn nur 251 von 300 genehmigten Startplätzen wurden nachgefragt.
„Wir veranstalten heute die erste Laufveranstaltung der weiteren Region“, gesteht Frank Klaas mit berechtigtem Stolz. Schließlich war ein langer Atem erforderlich, bis letztlich Anfang der Woche vor dem Startschuss die finale Genehmigung seitens des Gesundheitsamtes des Landkreises Esslingen und des Ordnungsamtes der Gemeinde Beuren eintraf. „Im Januar haben wir uns im Organisationsteam ausgetauscht und am Konzept gearbeitet!“. Dreh- und Angelpunkt eines derartigen Konzepts natürlich die jeweils aktuellen Hygiene- und Abstandsbestimmungen des Bundeslandes bzw. des Landkreises, sodass das Konzept mehrfach überarbeitet werden musste. Je nach Inzidenzzahlen.
„Neben einer neuen Strecke musste natürlich auch das Startprocedere neu konzipiert werden, denn der übliche Massenstart am Bahnhof in Linsenhofen war nicht möglich. Was wir letztlich erreichen konnten, das waren Startwellen mit bis zu 20 Läufern“, so Frank Klaas. Mit 251 Meldungen gab es eine ansprechende Resonanz unter den Läufern, wenngleich das Flair fehlte bei der „Veranstaltung pur“. Schülerläufe, Walking-Angebote sowie die Festwirtschaft an und in der Sporthalle mussten Corona bedingt gestrichen werden. Ein Mund-Nasen-Schutz gab es zudem für die Läufer bei der Startnummern-Ausgabe auf „freiem Feld“ am Bolzplatz und für das helfende Personal im Start- und Zielbereich.
„Das Warten hat ein Ende, jetzt geht es endlich los!“ einstimmiger Tenor unter den Läufern allenthalben. Wenngleich selbst eine gewisse Unsicherheit unter den vermeindlichen Cracks festzustellen war. „Für mich ist dies der erste Wettkampf seit Oktober“, gesteht Simon Friedrich, während Christine Sigg-Sohn schon eine Wettkampf-Abstinenz seit 2019 aufzuweisen hat. „Man muss sich wieder an vieles gewöhnen. Wenn ich ehrlich bin, auch an die Nervosität vor dem Start….“
Viele Läufer berichten im lockeren Plausch im Ziel voller Hoffnung von weitreichenden Plänen für die nächsten Monate. So plant Simon einen Start beim London-Marathon im Oktober, wo der aktuelle Hausrekord von 2:33 fallen soll. Hannes möchte sehr gerne seine Straßenrekorde mit unter anderem 32 Minuten über 10 km angreifen und Christine plant einen Start beim Stelvio Marathon am 24. Juli über die zur Austragung kommende Halbmarathonstrecke mit stolzen 2100 Höhenmetern.
Oder Jonas, der „dank Corona“ mit dem Laufen begonnen hat und am Hohenneuffen den ersten Lauf seiner Karriere absolvieren konnte. „Das hat viel Spaß gemacht. Obwohl ich ziemlich fertig war, haben mich die Kinder noch zu einem Spurt animiert! Na klar, jetzt mache ich weiter…“.
Die Strecke ist freilich nicht mit den bisherigen Ausgaben als reiner Bergauflauf zu vergleichen. Größere Teile der bisherigen Strecke sind enthalten, so der Anstieg zur Balzholzer Hütte oder auch die Schlosssteige zur Burg oder die Burgumrundung. Einige Passagen wurden allerdings in umgekehrter Richtung gelaufen und das brachte so manchen Läufer etwas aus dem Lot, denn kleinkörniger Split verhalf hier zu einer netten Rutschpartie.
Die Corona-Variante des Hohenneuffen-Berglaufes 2021 sicherte sich nach längerem Bangen letztlich doch Hannes Großkopf, der zufällig auch als Erster der ersten Startgruppe ins Ziel einlaufen konnte. „Wir wollten vom Sparda-Team etwas der Hitze ausweichen und haben uns deshalb für den ersten Startblock entschieden!“ so der Sieger zur Entscheidung für die erste Startgruppe. Durchaus spannend hätte es werden können, wenn mit Lukas Ehrle einer der talentiertesten jungen Bergläufer hierzulande um 10.20 Uhr auf Verfolgungsjagd gegangen wäre, doch der Schützling des inzwischen als Trainer arbeitenden fünffachen Berglaufmeisters Timo Zeiler musste kurzfristig passen.
So lag zwischen der Siegerzeit von Hannes Großkopf von 35.30 Minuten und dem zweitplatzierten Simon Friedrich eine halbe Minute, zum dritten Daniel Zuger waren es nahezu identische weitere dreißig Sekunden. Dahinter folgte mit Elias Tomas Gabure schon ein weiterer Läufer des Sparda-Teams Rechberghausen, dessen Teamkollege Alessandro Collerone zudem noch Sechster wurde.
Und Maximilian von Lippe, eigentlicher Mitfavorit für den Tagessieg, verpasste einen Abzweig bei Kilometer acht und lief stattdessen stolze elf Kilometer bis zum Ziel. „Bergauf lag ich sogar in Führung und wurde auf dem Singletrail abwärts eingeholt. Da habe ich einfach keinen Rhythmus gefunden“, so der Läufer aus Schwäbisch Gmünd, der in dieser Saison allerdings zum PTSV Rosenheim wie auch Bruno Schumi gewechselt ist, um sich einen Traum zu erfüllen: „Wir wollen in Bad Kohlgrub Deutscher Mannschaftsmeister werden!“
Ohne Ergebnis fuhr Christine Sigg-Sohn aus Beuren weg. „Das macht aber auch nichts, dann erfahre ich das später. Der Modus hat aber auch etwas Gutes, dann hat man noch etwas vom Sonntag…“ sagt die Mastersläuferin der TS Esslingen. Mit 45:29 durfte sie sich zunächst auch als Tagesschnellste wähnen, bis in der nachfolgenden Startgruppe Romy Spannowsky mit 45:09 Minuten zwanzig Sekunden besser notiert wurde.
Hinter der Ultraläuferin Pamela Veit (45:50) und Julia Stier (47:23) lief Alexia Louvard als U20-Siegerin nach 47:29 auf Rang fünf ins Ziel, gefolgt von Bettina Spannowsky, der W50-Zweiten.
Wilfried Raatz