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Rad-Profi Maximilian Schachmann auf dem Weg nach ganz oben: Siege, Stürze und Selbstzweifel – Von KLAUS BLUME
Die Rad-Profis brachten als letzte Sportler – trotz Corona-Krise – eine große internationale Veranstaltung zu Ende: die traditionelle Etappenfahrt Paris-Nizza.
Zwar endete das Rennen schon am Samstag in Valdeblore La Colmiane und nicht, wie vorgesehen, am Sonntag in Nizza – aber zum fünften Male mit einem deutschen Gesamtsieg; herausgefahren von dem 25jährigen Berliner Maximilian Schachmann aus dem Team Bora-hansgrohe.
Wobei es diesen Triumph ohne das Corona-Virus gar nicht gegeben hätte. Ursprünglich sollte sich Schachmann nämlich bei Rennen in Italien auf den – ausgefallenen – Super-Klassiker Mailand-San Remo vorbereiten. „Doch am 7. März erfuhr ich, dass wir wegen Corona, statt in Italien, bei Paris-Nizza starten sollen.“ Was Schachmanns Planungen durcheinander gebracht hat, weil er als Saison-Höhepunkt 2020 den dreiwöchigen Giro d‘Italia im Visier hatte.
Doch der Start am 14. Mai in Budapest wurde, auch wegen Corona, abgesagt. Nun harrt der 25-Jährige, wie am 4. April über den Giro 2020 entschieden wird. Zumal er an die Italien-Rundfahrt, von vielen Fachleuten als weit anspruchsvoller als die Tour de France gesehen, nur gute Erinnerungen hat. Denn 2018 feierte er dort – im blauweißen Trikot der belgischen Star-Equipe Quick Step – auf der 18. Etappe, einer Bergankunft am Prato Neroso, seinen ersten Profi-Sieg.
Eine Art Ritterschlag, weil das Team Quick Step unter 50 (!) Siegen per annum seit Jahr und Tag nichts anbrennen lässt. Um ein Haar hätte Schachmann sogar den berüchtigten belgischen Eintagsklassiker Fleche Wallonne gewonnen, doch 150 Meter vor dem Ziel – auf der steilen Mauer von Huy – wurde der Ausreißer aus Deutschland eingeholt. Am Ende kam Platz acht für ihn heraus. Spätestens seit jenem Rennen waren aber auch andere Teams an dem mittlerweile am Schweizer Bodensee-Ufer lebenden Berliner her.
Das Rennen machte dann die deutsche Equipe Bora-hansgrohe, für die Schachmann seit 2019 in die Pedale tritt. Als einer, wie er sagt, hinter den beiden Stars Emanuel Buchmann (Tour-Vierter 2019) und Peter Sagan, dem Straßen-Weltmeister von 2015, 2016 und 2017.
Doch Schachmann setzte sich im Frühjahr 2019, bei den berühmten Eintags-Klassikern in Belgien, den Niederlanden und Frankreich dessen ungeachtet in Szene. Beim berüchtigten Kopfstein-Rennen Lüttich-Bastogne-Lüttich, einer üblen Quälerei über steile Anstiege und durch enge Kurven, stand er am Ende sogar als Dritter auf dem Siegerpodest. Und erinnert sich: „Du musst bei einem solchen Rennen sechs Stunden lang hochkonzentriert bleiben und ständig bereit sein, dir weh zu tun. Richtig weh!“
Richtig weh tat er sich auf der 13. Etappe der Tour de France, einem Einzelzeitfahren in Pau. Eigentlich einer Spezialität von ihm. Schachmann steuerte eine Kurve zu eng an – „urplötzlich war ich völlig orientierungslos“ – flog über den Lenker und knallte aufs Pflaster. Mit gebrochenem Mittelhandknochen der linken Hand blieb er liegen. Aus! Heimfahrt. Saison beendet.
Nun weiß einer, wie Schachmann, dass Stürze zum Berufsrisiko gehören. Aber der deutsche „Radsportler des Jahres 2019“, weiß zugleich, dass Stürze dieser Art nicht nur physische, sondern auch psychische Narben verursachen können. Man dürfe deshalb nicht ständig grübeln und sich fragen: „War es mein Fehler oder höhere Gewalt?“ Sich also ins Unvermeidliche fügen? Hätte er auf der Fernfahrt Paris-Nizza anders gedacht, wäre niemals der fünfte Sieg eines deutschen Rennfahrers dabei heraus gesprungen.
Der Sieg in einem Rennen, das – nach der Tour de France, dem Giro, der Vuelta Espana und der Tour de Suisse – als viertwichtigste Etappenfahrt der Welt einzustufen ist. Ein Rennen, das seit 1933 als Großen der Branche gewonnen haben: Ob Jacques Anquetil oder Eddy Merckx, Sean Kelly, Miguel Indurain oder Alberto Contador.
Die Liste der deutschen Sieger liest sich wie ein Who is who des hiesigen Sports: Rolf Wolfshohl (1968), Andreas Klöden (2000), Jörg Jaksche (2004), Tony Martin (2011). Jetzt kommt Maximilian Schwarzmann dazu.
Nicht schlecht, doch eigentlich sei er in der Schule ein recht guter Läufer gewesen, doch das habe keinen Lehrer gekümmert, erinnert er sich heute. Und wie ist er zum Radsport gekommen? Weil ihn einst, den damals Elfjährigen, Jan Ullrich und Lance Armstrong mit ihren Duellen begeistert hätten.
Deshalb habe er sich einem Berliner Radsportverein angeschlossen. Sport sei zwar immer sein Ding gewesen, doch am Berliner Barnim-Gymnasium , wo er das Abitur mit 1,3 ablegte, vermasselte ihm ausgerechnet der „Sport“ eine bessere Gesamtnote – „denn es war mein schlechtestes Fach.“
Auf dem Weg zu einem der besten Rad-Profis der Welt hat ihn das alles nicht aufgehalten.
Klaus Blume
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