Blog
18
06
2020

Auf der Suche nach Geld für die Ausreise aus Frankreich: Wer hat 500.000 Euro für Lamine Diack? - Foto: Horst Milde

Prozess gegen Lamine Diack: Ein alter Knacker und 41 Millionen Euro – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Dem einstigen Präsidenten des Weltverbandes der Leichtathleten wird in Paris der Prozess gemacht. Lamine Diack erscheint dabei zeitweise verwirrt und orientierungslos – und nennt seinen Sohn einen „Gauner“.

Als zeitweise verwirrt und orientierungslos erscheint Lamine Diack dem Gericht und Teilnehmern der Verhandlung in Paris, in welcher dem einstigen Präsidenten des Weltverbandes der Leichtathleten (früher IAAF, jetzt WA) und Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Geldwäsche, Korruption und Bruch des Vertrauens vorgeworfen werden.

Zwar hielt der Mann aus Senegal auch in seiner aktiven Zeit gern unverständliche Monologe.

Nun scheint dem 87 Jahre alten ehemaligen Patron der Leichtathletik und der afrikanischen Sportpolitik, der im hellblauen Boubou im Justizpalast von Paris erschienen ist, an dem Eindruck geradezu gelegen, dass er nicht verstehe, was ihm vorgeworfen wird. Wie er auch auf dem Höhepunkt seiner Macht nicht wusste, was gespielt wird. In der vergangenen Woche nannte er seinen mitangeklagten Sohn einen Gauner.

In der Verhandlung am Montag sagte: „Ich werde ein alter Knacker.“

In die Erinnerungslücken von Diack senior fallen sieben- bis achtstellige Summen. Klage und Nebenklage beziffern, wie Papa Massata Diack, der vom Senior als Vermarkter eingesetzte Sohn, den Verband schröpfte. Die russische Bank VTB etwa zahlte für ihr Sponsoring im Vorfeld der WM von Moskau 2013 29 Millionen Dollar (25,5 Millionen Euro). Beim Verband kamen laut Diack 19 Millionen an, laut Weltverband sogar nur 7 Millionen Dollar (6,4 Millionen Euro). 20 Prozent Provision und üppige Spesen gestand die IAAF Diack junior zu, der sich PMD nennen ließ; für die Jahre 2012 bis 2015 stellte er zwei Millionen Euro in Rechnung.

Im Gegenzug überwies er seinem Vater, wie die Kläger ausführten, rund 620.000 Euro auf dessen Privatkonto. Warum, wofür? Diack senior kann sich an nichts erinnern, Diack junior, international zur Fahndung ausgeschrieben, bleibt zu Hause in Dakar. Auch die Überweisung von einigen hunderttausend Euro für das Personal eines Verbandsbüros in Dakar oder für die Witwe eines Verbandspräsidenten sind im Dunkel des Vergessens verschwunden.

World Athletics erhebt, wie im Prozess bekannt wurde, Rückforderungen gegen seinen einstigen Präsidenten in Höhe von 41 Millionen Euro. Er habe fast zehn Millionen Dollar Kommission verdient, sagte der Sohn bei der Vernehmung durch senegalesische Richter im November vergangenen Jahres. Bei solchen Einnahmen habe er doch nicht auch noch Doper erpressen müssen, wie es ihm vorgeworfen wird.

Vater und Sohn Diack wird vorgeworfen, knapp 3,5 Millionen Euro Schmiergeld kassiert zu haben. Papa Massata Diack bestritt jede Kenntnis von einem politischen Hintergrund dieser Zahlung. Sein Vater hatte in Untersuchungshaft angegeben, Russland hätte ihn via Sportverband mit dem Geld ausgestattet, damit er bei der Wahl 2012 den heutigen Präsidenten Macky Sall unterstütze und den damaligen Präsidenten Abdoulaye Wade stürze.

Der Justizminister Senegals, Malick Sall, kündigte an, dass Diack junior in Dakar der Prozess gemacht werde, sobald das Verfahren in Paris abgeschlossen sei. Papa Massata Diack sei in zwei Fällen angeklagt und vernommen worden und unterliege einer richterlichen Überprüfung, sagte er in Radio France International.

In einem Fall gehe es um eine Klage brasilianischer Behörden. PMD beteuert seine Unschuld. Am Donnerstag soll in Paris der letzte Verhandlungstag anstehen.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Mittwoch, dem 17. Juni 2020

Michael Reinsch

Korrespondent für Sport in Berlin.

 

author: GRR