Werner Sonntag erhält den "Horst-Milde-Award" , (Lks.) Gerd Steins vom Forum für Sportgeschichte , (ganz rechts Prof. Dr. Detlef Kuhlmann und Horst Milde (2.v.r.) Foto: 18.10.2014 - Juergen Engler -
Protagonist der Laufbewegung: Werner Sonntag zum 95. Geburtstag
Werner Sonntag, einer der ältesten noch lebenden Protagonisten der Laufbewegung in der Bundesrepublik Deutschland, vollendet am Dienstag, dem 22. Juni, sein 95. Lebensjahr.
Werner Sonntag ist nach wie daheim in Ostfildern bei Stuttgart und hat als langjährig Aktiver in über 50 Jahren die lokale, regionale und (inter-) nationale Laufszene mit vielen Impulsen mitgeprägt.
Der Jubilar hatte u.a. im Jahre 1974 in Stuttgart einen der ersten Lauftreffs in Deutschland gegründet und in dieser Zeit selbst mehrere Laufbücher publiziert: Sein „Spaß am Laufen. Jogging für die Gesundheit“ aus dem Jahre 1979 war eines der ersten populärwissenschaftlichen Laufbücher in deutscher Sprache überhaupt und zugleich eine „laufpädagogische Anleitung“, andere Menschen zum regelmäßigen Laufen zu bewegen und dafür möglichst einen der sich damals verbreitenden Lauftreff aufzusuchen.
Das Format Lauftreff stellte seinerzeit ein völlig neues Angebot für den in Vereinen und über Verbände organisierten Sport und darüber hinaus dar. Lauftreffs standen im ganzen Land als Sinnbild für die Formel „Sport für alle“, mit der der damalige Deutsche Sportbund am 16. März 1970 seine bundesweite Breitensport-Offensive in Berlin gestartet hatte: Sport für alle bedeutete für Werner Sonntag „Laufen für alle“ – für Männer und Frauen ohne bestimmte Leistungsvoraussetzungen, ohne Vereinsbindung und quasi an jedem Ort.
Der gebürtige Görlitzer, im Hauptberuf Journalist u.a. bei der „Stuttgarter Zeitung“, hatte sich dieser „revolutionären“ Idee gleich angeschlossen und sie mit läuferischem und in der Folgezeit mit laufliterarischem Leben gefüllt.
Er selbst kam mit Ende 30 auf ärztlichen Rat zum ausdauernden Laufen. Während seiner breitensportlichen Läuferkarriere hat u.a. an über 300 Marathon- und Ultraläufen (z.B. beim Spartathlon über 245 km) teilgenommen und dem 100km-Lauf in Biel (Schweiz) mit seinen „Irgendwann musst du nach Biel (erstmals erschienen 1978 und seitdem ein bis heute viel zitierter „Klassiker“) und „Bieler Juni-Nächte“ (2008) zwei laufliterarische Denkmäler gesetzt. Sonntag gilt neben Günter Herburger (1932-2018) auch als der (Mit-) Begründer des belletristischen Genres „Laufliteratur“ – erinnert sei an die illustre Textsammlung mit dem Titel „Laufende Vorgänge“ (1996). Sonntag war Mitarbeiter der ersten Stunde beim Fachmagazin „Spiridon“, eine der ältesten deutschsprachigen Fachzeitschriften für das Laufen, die vor über 45 Jahren von dem Arzt Dr. Ernst van Aaken (1910-1984) und Marathon-Olympiateilnehmer Manfred Steffny in Düsseldorf gegründet wurde.
Bis vor kurz vor seinem 90. Geburtstag hatte Sonntag monatlich eine eigene Kolumne in der deutschen Ausgabe von „Runner`s World“, der weltweit größten (amerikanischen) Laufzeitschrift.
Werner Sonntag wurde für seine großen Verdienste in der modernen Laufbewegung u.a. im Oktober 2014 mit dem erstmals vergebenen Horst-Milde-Award ausgezeichnet, mit dem gleichsam die Lebensleistung des Begründers und langjährigen Direktors des Berlin-Marathons für den Laufsport im kollektiven Gedächtnis unserer Zeit lebendig erhalten werden soll.
Der Deutsche Verband langlaufender Ärzte und Apotheker hat Sonntag (obwohl berufsfremd) die Ehrenmitgliedschaft verliehen. Im Jahre 2003 ist Sonntag mit dem Medien-Award des München-Marathons ausgezeichnet worden; im Jahre 2006 erhielt er den Adolf-Weidmann-Preis der Deutschen Ultramarathon-Vereinigung, deren Gründungs- und Ehrenmitglied er ebenso ist wie beim „100 Marathon Club“.
Auch mit über 90 Jahren war Werner Sonntag immer noch sportlich und journalistisch aktiv – allen voran mit seinen Beiträgen im Internet-Magazin „LaufReport“ und läuferisch zuletzt im moderaten Wandermodus.
An seinem 95. Geburtstag, den er leider ohne seine kürzlich verstorbene Ehefrau Marianne (geb. 1928), einer ehemaligen Grundschullehrerin, verbringen muss, kann Werner Sonntag mit großer Zufriedenheit und Genugtuung auf das zurückblicken, was er für die Laufbewegung geleistet hat … und wir können ihm dankbar sein und ihm gleich zweifach gratulieren: zum Ehrentag und zu seiner „laufenden“ Lebensleistung!
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann