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04
2020

Christoph Höhne hier bei der Untersuchung vor dem Start zum 3. Rennsteiglauf (50-Meilen GutsMuths-Gedenklauf) 1975 in Schnepfenthal. - Foto: U. Hengelhaupt

Prominente Sportler beim 3. Rennsteiglauf 1975 – Dr. Hans-Georg Kremer berichtet aus der Vergangenheit

By GRR 0

 Bei der Aufarbeitung von Archivmaterial stieß ich auf einige Meldeunterlagen für den III. 50-Meilen GutsMuths-Gedenklauf 1975, die sich über die Jahre erhalten haben.

Eine genauere Durchsicht förderte bekannte Namen von erfolgreichen Sportlern aus der DDR zu Tage. Der 50km Olympiasieger Christoph Höhne, der Olympiateilnehmer (1.500 und 10.000m) Siegfried Herrmann, der 800m Europameister und Olympiateilnehmer Manfred Matuschewski, der 10.000m Europameister und Olympiateilnehmer Jürgen Haase, der Friedenfahrer Lothar Meister II und der Gehörlosenweltmeister über 3.000m-Hindernislauf Siegfried Zapfe um nur einige zu nennen.

Christoph Höhne schrieb uns einen ausführlichen Brief, den ich nachfolgend wörtlich wiedergebe:

„Liebe Sportfreunde!
Zunächst herzlichen Dank für ihre Zusendung der Ausschreibung zum Guts Muths Gedenklauf 1975. Ich hatte schon von der vorjährigen Veranstaltung gehört und freue mich über die große Resonanz, die diese hoffentlich zur Tradition werdende Veranstaltung in diesem Jahr unter den Laufbesessenen offensichtlich findet. Schon immer habe ich mir gewünscht, daß auch bei uns eine solche Langstreckenveranstaltung mit Massencharakter entstehen möge, wie es beispielsweise der Wasalauf darstellt.

Sie hatten den Mut, so etwas in Angriff zu nehmen und dazu beglückwünsche ich Sie von ganzem Herzen! Sie schließen damit eine Lücke, die im Ausdauerbereich zwischen Volkssport und Leistungssport vorhanden war.

Mit einigen Mitgliedern unseres Meilenkomitees, die ich Gelegenheit hatte zu sprechen, befinde ich mich in Übereinstimmung darüber, daß sie etwas unglücklich beraten sind, die Streckenlänge nach Meilen statt nach km auszuschreiben.

Folgende Überlegungen spielen dazu eine Rolle: Der Begriff „Eile mit Meile“ steht für eine Bewegung, die das Ziel verfolgt, noch nicht regelmäßig sporttreibende Bürger an ein regelmäßiges Laufen heranzuführen. Die Leute sollen dabei Freude und körperliches Wohlbefinden spüren und etwas für ihre Gesundheit tun. Mehr nicht! Der Guts Muths-Gedenklauf um 100km wendet sich dagegen an trainierte Sportler, die ein vielfaches mehr laufen, als für ihre Gesundheit nötig wäre und trägt dazu m. E. Wettkampfcharakter, welches der Meilenbewegung fremd ist!

Selbst wenn Sie wollten wird es für dieses Jahr zu spät sein, nun an der Ausschreibung noch etwas zu ändern. Im Grunde ist es auch nicht mehr so tragisch. Ich möchte Sie nur bitten, meine hiermit erfolgte Vormeldung, mit der Bitte um Zusendung eines Meldezettels, so zu werten, daß hier nicht der Vorsitzende des Meilenkomitees sein Interesse an einer Teilnahme bekundet, sondern ein Ausdauersportler.

Wenn Sie meine grundsätzlichen Bedenken oder wenigsten die meine Person betreffenden Vorbehalte ihrem für die Pressearbeit verantwortlichem Sportfreund mitteilen würden, wäre ich Ihnen sehr dankbar. In der Hoffnung, daß der diesjährige Lauf ein großer Erfolg für Sie und alle Teilnehmer wird, verbleibe ich mit sportlichen Grüßen
Christoph Höhne“

Seine Argumentation betreffs der Verwendung des Meilenbegriffs für die Streckenlänge war richtig. Einige wenige Läufer monierten auch, dass im Sport der Meilenbegriff durch die „englische“ Meile schon besetzt sei. Die Verwendung des Meilenlauf-Terminus aus der Meilenlaufbewegung durch uns führte dazu, dass Läuferinnen und Läufer die „Rennsteiglauf-Meilen“ und die im Training für den Rennsteiglauf gelaufenen Meilen mit in ihren „Meilenpass“ eintrugen und so zu teilweise sehr hohen Anzahl kamen.

Die regelmäßig in der Tagespresse oder als Einzelkarten gedruckte „Meilenpässe“ konnten damit gefüllt und sowohl bei der zentralen „Meilentombola“ als auch Wettbewerben auf Betriebs-, Kreis- der Bezirksebene eingereicht werden.

Überliefert ist der Studentenwettbewerb „Sport- und Wehrsport“ der Universität Jena von 1974, wo Rennsteig- und Orientierungsläufer dank ihrer vielen Trainings- und Wettkampfkilometer u. a. für den II. Rennsteiglauf an der Spitze des Wettbewerbs standen. In der Einzelwertung (I. und II. Studienjahr) gewann Peter Baumann von der Sprachwissenschaft mit 442 Punkten. Peter Baumann war langjähriges Mitglied der Orientierungslaufgruppe von Lok Weimar und Teilnehmer am 1. Testlauf 1971, an der Testwanderung 1972 und am R. Rennsteiglauf 1974. Im Uni-Wettbewerb Zweiter wurde Karl-Eberhard Gerlach, ebenfalls Orientierungsläufer aus Weimar und Teilnehmer am Testlauf 1971. In der Wertungsgruppe II (III. und IV, Studienjahr), gewann Hans-Joachim (Mathe-Student), Orientierungsläufer bei der HSH Uni Jena und Rennsteiglaufmitgründer, der sowohl 1973 und 1974 erfolgreich beim Rennsteiglauf war mit 367 Punkten. Dritter in dieser wertungsgruppe wurde Klaus Paukner (Wirtschaftswissenschaften), Teilnehmer am 2. Rennsteiglauf 1974 mit 159 Punkten.

2 Foto: U. Hengelhaupt (Foto: folgt)
Hier ein gestelltes Pressefoto von den Siegern des Studentenwettstreits Sport und Wehrsport an der Universität Jena 1974; links Hans-Joachim Römhild und rechts Peter Baumann.3

Zurück zu den Prominenten: Der in Borsdorf/Sachsen 1941 geborene Christoph Höhne gehörte in den 1960er und 1970er Jahren zu den erfolgreichsten Gehern in der Welt. „Höhnes Olympiasieg 1968 ging in die Geschichte des Gehersports ein, da er mit einem Vorsprung von zehn Minuten vor dem Zweiten ankam.

Zu den Episoden des „Kalten Krieges“ im Sport gehörte seine Teilnahme an den Olympischen Spielen 1972 in München: Am Abend vor dem Wettkampf wurde er anonym bei der DDR-Mannschaftsleitung denunziert. Angeblich wollte er während des 50-km-Wettkampfes am folgenden Tag flüchten. Die DDR-Funktionäre schenkten dem zwar keinen Glauben, Christoph Höhne ging jedoch entnervt an den Start und wurde nur Vierzehnter.

Nach seiner Sportlerlaufbahn studierte er Fotografie und wurde in der DDR ein bekannter Sportfotograf,“ findet man in Wikipedia. Seine größten Erfolge waren 1964 – 6. Platz Olympische Spiele, 1968 – Goldmedaille Olympische Spiele, 1969 – Europameister, 1971 –2. Platz Europameisterschaften, 1974 – Europameister.

Beim Rennsteiglauf 1975 belegte er in der Gesamtwertung der Gruppe A (Wertung nach Zeit) Platz 10 mit 6:49:40. In der Studentenwertung gewann er sogar. Christoph Höhne startete beim 5. GutsMuths-Rennsteiglauf 1977 noch einmal über die lange Strecke und wurde 20. in 5:57:30.

Siegfried Herrmann (1932 – 2017) stammt aus Südthüringen und startete für den SC Turbine Erfurt. In den 1950er- und 1960er-Jahren – galt er als einer der erfolgreichsten Mittel- und Langstreckler der DDR. 1956 gehörte er zum gesamtdeutschen Olympiateam, schied aber

3 Foto U. Hengelhaupt Siegfried Herrmann hier kurz vor dem Ziel 1975 in Neuhaus.4 (Foto: folgt)

wegen einer Verletzung über 1.500m aus. Bei den Olympischen Spielen 1964 wurde er 11. Über 10.000m. 1965 stellte er in Erfurt mit 7:46 einen Weltrekord über 3.000m auf. Über die gleiche Strecke wurde er 1966 Hallen-Vizeeuropameister.

Herrmann wurde insgesamt achtmal DDR-Meister: 1964, 1965 und 1966 über 5.000m, 1966 im über 10.000m, 1960 und 1961 im Kurzstrecken sowie 1964 und 1966 im Langstrecken-Crosslauf. 1955, Welt-Studentenspiele: Platz 3 im 1500-Meter-Lauf (3:42,6 min). Beim Rennsteiglauf 1975 belegte er Platz 42 in der A-Wertung mit 7:47:45.

Für den 800m-Europameister (1962 und 1966) Manfred Matuschewski, der ebenfalls für den SC Turbine Erfurt startete liegt ebenso wie für Jürgen Haase, Europameister 1966 und 1969 über 10.000m liegen zwar Anmeldeunterlagen für den Rennsteiglauf 1975 vor, aber keine Ergebnisse.

4 Foto Wilfried Zapfe. Foto; (folgt)
Anders sieht es bei dem Radsportler Lothar Meister II aus Gera aus, der 1975 in 13:03:20 und 1976 in 9:53:39 für die Sektion Wandern und Bergsteigen der BSG Lok Gera in den Ergebnislisten des Rennsteiglaufs zu finden ist. Er kam erst relativ spät zum Radsport. Mit 35 gewann er überraschend 1953 das Radrennen Berlin-Cottbus-Berlin vor der gesamten DDR-Elite. 1955 und 1965 gehörte er zum Friedensfahrtteam der DDR.

Wilfried Zapfe war 1975 der „Meldeverantwortliche“ der Rennsteiglaufteilnehmer der Hochschule für Architektur und Bauwesen (HAB) in Weimar und deren Hochschulsportgemeinschaft. Im Gegensatz zu den meisten anderen Teilnehmern ging er nach 1975 nie wieder beim Rennsteiglauf an den Start ging, ist Dr. Wilfried Zapfe. Er war auf der Hälfte der Strecke noch an der Spitze über die 82-Kilometer lange Strecke. Nach einem „Verläufer“ bei Oberhof schaffte Zapfe Platz 17, in 07:02:11. In der Studentenwertung kam er auf Platz vier.

Wilfried Zapfe hier im 1975 im Ziel in Neuhaus.5 (Foto: folgt)

In Oelze (Jg. 1946) geboren, ging Wilfried Zapfe anfangs in Keilhau in eine Einklassenschule. Da er auf Grund einer Erkrankung mit drei Jahren stark hörgeschädigt war, musste er aber nach Gotha in eine Internatsschule. Wilfried machte sein Abitur in Berlin, an der einzigen Oberschule der DDR für Hörgeschädigte, wo er seit der neunten Klasse lernte. Ein Sportplatz lag direkt gegenüber der Schule, so dass man ihn dort hin und wieder beim Lauftraining sah.

Als er bei den Berliner Crosslauf-Meisterschaften den Jugendmeistertitel holte, wurde er von mehreren Trainern angesprochen, ob er nicht aktiv Leichtathletik trainieren wolle. Er ging zum TSC Berlin und trainierte sehr eifrig, so dass er zum Leidwesen seines Vaters teilweise seine schulischen Aufgaben vernachlässigte. Als er dann auch noch Berliner Meister über 3.000.Meter Hindernislaufen wurde, sprach ihn ein Funktionär des Deutschen Verbandes für Versehrtensportler an, ob er denn auch für diesen Verband starten würde, was er in der Folge auch regelmäßig bei speziellen Wettkämpfen gegen andere „Schwerhörigenschulen“ im Ausland machte.

Angebote von Berliner Sportclubs, eine Kaderstelle als Leistungssportler anzunehmen, schlug er aus. Er wollte nach einem „normalen“ Studium einen „normalen“ Beruf ergreifen. Er studierte an der HAB Weimar. Hier fand er auch gleich einen Lauffreund, Ingo Heisch und einen Trainer, Wilfried Simmat, der spezielle Trainingspläne für ihn erarbeitete. 1973 wurde Zapfe DDR-Studentenmeister über 3000-Meter Hindernis in 9:02,7 min, was Weltrekord bei den Hörgeschädigtensportlern bedeutete. Für die Sportfunktionäre war damit eine Goldmedaille bei den Weltspielen der Hörgeschädigten in Malmö „Pflicht“. Für Zapfe war dies die Chance auf eine West-Reise,

5 Foto: HSG Weimar. (Foto: folgt)
was nach eigenen Aussagen: „…ganz schön an meinen Nerven zehrte.“

Dazu wurde er als Mannschaftskapitän gewählt und durfte die DDR-Fahne bei der Eröffnungsveranstaltung in das Stadion tragen. Außer 1973 in Malmö ging er noch 1977 in Bukarest und 1981 in Köln bei den Weltspielen an den Start.

Wilfried Zapfe holte sich bei allen drei Weltmeisterschaften den Titel über 3000-Meter. In der ewigen Bestenliste der deutschen Gehörlosensportler steht er noch heute über 1500 Meter auf Platz zwei mit 3:56,6 (1971), über 2000- Meter ebenfalls Platz zwei in 5:37,6 (1974) und drei Mal auf Platz eins über 3000.Meter in 8:34,4 (1971), 5000-Meter in 14:42,2 (1973) und 3000-Meter Hindernis in 9:02,8 (1973).

2014 kam Wilfried Zapfe noch mal auf den Rennsteig zurück und beteiligte sich am 4. Gesamtdeutschen Rennsteiglauf.

Dr. Hans-Georg Kremer

6 Foto Kremer ( Foto: folgt)

Gunda und Dr. Hans-Georg Kremer
Ziegenhainer Str. 77
07749 Jena
Tel.: 03641-363094
Stiftungen Spitzberglauf/Rennsteiglauf
Bankverbindung Flessabank Jena DE90 7933 0111 0002 3303 65
und Seniorensport
Bankverbindung Flessabank Jena DE63 7933 0111 0002 3303 66
Treuhänderisch verwaltet durch die Stiftung
„Annedore – Lebenshilfe im Alter“ in Jena

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