Der Altar in der "Blauen Kirche" der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche - Foto: Horst Milde
OSTERPREDIGT 2020 für Läuferinnen und Läufer – Ostern findet statt!
Ostern 2020 findet statt!
Die Kinder einer zweiten Klasse in Berlin haben eindeutig analysiert: Der Osterhase kommt auch in diesem Jahr, Ostern findet statt. Denn: Er macht seine Arbeit allein, er meidet jeden Kontakt mit Menschen und er ist extrem systemrelevant!
Also:
Ostern findet statt – jetzt erst recht!
Es ist eine ganz besondere Zeit. Und besondere Zeiten erfordern besondere Anpassungen. Ein bisher unbekanntes Virus bestimmt nun schon seit einigen Wochen unser Leben. Das erinnert an Zeiten, die die meisten von uns nur aus historischen Filmen oder Geschichtsbüchern kennen. Solange wir weder Medikamente noch Impfstoff gegen das Corona-Virus kennen, gibt es nur den einen Weg, sich und andere zu schützen: Abstand halten! Aus Rücksicht und Achtung vor dem Leben der Schwächeren. Abstand halten und so wenig mit anderen Menschen in Kontakt kommen wie nur möglich.
Ostern im Kloster Jerichow – Foto: Horst Milde
Es ist eine ganz besondere Zeit. Ganz andere Fähigkeiten oder Eigenschaften werden jetzt benötigt: die Fähigkeit zur guten Selbstorganisation, Vertrauen in die Welt und in meine Mitmenschen, Gelassenheit und Demut. Heute erhielten wir eine dieser ermutigenden E-Mails mit dem schönen Spruch: „Geduld und Humor sind wie Kamele, die durch die Wüste tragen.“ Ja, solche Kamel-Fähigkeiten sind jetzt gefragt, um auf dem Weg durch die Wüstenzeiten Hoffnung und Zuversicht nicht zu verlieren.
Was sind das für beeindruckende Zeichen der Hoffnung, wenn Menschen abends auf den Balkonen stehen und gemeinsam singen – gegen die Krankheit und für das Leben! In allen Radiostationen Europas wurde am 20. März um genau 8.45 Uhr „You’ll never walk alone“ gespielt – das richtige Lied verbindet Europa! Viele bieten ihre Hilfe an, weil sie es jetzt wichtig finden, etwas ganz konkret zu tun. Für spirituelle Menschen gehören auch Lieder, Bibelworte, Gebete und Gottesdienste zu dem, was ihnen jetzt Lebenskraft gibt und die Hoffnung stärkt.
Ostern findet auch auf dem Balkon statt – Foto: Horst Milde
Es ist eine ganz besondere Zeit. Die Kirchen sind geschlossen. Und ebenso die Spielplätze, die Sportanlagen und die Fitness-Studios. Der Bewegungsspielraum ist eingeschränkt, nur Weniges ist erlaubt, bei uns mehr als in anderen Ländern.
Laufen ist überall erlaubt.
„ZEIT online“ hat eine ganze Serie zum Laufen gestartet. Unter anderem lesen wir dort, dass in Frankreich ein Läufer auf seiner – sieben Meter langen – Terrasse einen Marathon gelaufen ist, er brauchte 6 Stunden und 48 Minuten. Und dann heißt es dort, ganz lapidar: „So sind sie, die Läufer, ein wenig wundersam. Ohne können sie nicht, auch nicht in diesen Tagen, vor allem nicht in diesen Tagen.“
Super. Ja, so ist es gerade auch bei uns. Laufen stabilisiert das Immunsystem, trainiert das Herz-Kreislauf-System, stärkt die Abwehrkräfte und baut Stress ab: „Sich draußen zu bewegen, ist wohl das Beste, was man derzeit machen kann.“ Natürlich gilt das nicht nur fürs Laufen, sondern auch für Skaten, Walken, Wandern und Radfahren.
Osterblumen im Koster Jerichow – Foto. Horst Milde
Läuferinnen und Läufer – und alle Ausdauersportler – wissen, wie sehr diese tägliche Praxis Leib und Seele guttun.
Wir versuchen beide, jeden Tag eine Stunde unterwegs zu sein: laufend, Rad fahrend, gehend. Und dabei erinnern wir uns an Bibelworte wie den Psalm 23:
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln…
oder an den Vers aus dem Römerbrief (12,12):
Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet.
oder (1. Timotheus 1, 7)
Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Manchmal sind es Lieder, die uns in den Sinn kommen; Lieder, die Menschen in ganz anderen bedrängten Zeiten aufgeschrieben haben, wie z.B. Jochen Klepper im Jahr 1938:
Der Du allein der Ewge heißt und Anfang, Ziel und Mitte weißt im Fluge unsrer Zeiten: Bleib du uns gnädig zugewandt und führe uns an Deiner Hand, damit wir sicher schreiten.
„Im Garten zu pflanzen bedeutet an morgen zu glauben“ – Kloster Jerichow – Foto: Horst Milde
So laufen wir und summen und meditieren Liedverse, die auf einmal da sind; z.B. dieses Lied aus Taizé:
Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht, Christus, meine Zuversicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht.
Oder wir erinnern uns an die Dinge, für die wir heute besonders dankbar sind, und denken an die Menschen, die wir Gott besonders anvertrauen möchten: an die Menschen, die in Pflegeheimen und Krankenhäusern arbeiten, an die Kranken, an die Überforderten, an diejenigen, die nun Entscheidungen treffen.
Gerade weil jetzt die gemeinsamen Zeiten und Ort fehlen, an denen wir mit anderen gemeinsam singen, beten und Gottes Gegenwart nachspüren können, bleibt auf diese Weise eine gute Möglichkeit, Bewegung und Spiritualität zu verbinden.
Es ist eine ganz besondere Zeit. Und besondere Zeiten erfordern besondere Anpassungen. Und in dieser Zeit lesen wir die dicke Zeitungs-Überschrift „Ostern fällt in diesem Jahr aus“. Gemeint sind die Oster-Gottesdienste. Und in der Tat ist es unglaublich, dass die Christenheit auf der ganzen Welt in diesem Jahr kaum „analoge“ Ostergottesdienste feiern wird. Ob es so etwas wohl schon einmal gegeben hat?
Aber fällt deshalb Ostern aus?
Ostern kann nicht ausfallen. Besonders dann nicht, wenn das Leben so sehr bedroht ist. Ostern findet statt. Gerade jetzt glauben Menschen an gegen die Angst und setzen darauf, dass Gottes Liebe bei jedem Kranken und Sterbenden ist.
Ostern findet statt – Kloster Jerichow – Foto: Horst Milde
Ostern heißt, dass die Liebe und das Leben stärker sind als jede Bedrohung und als der Tod.
Ostern bedeutet, dass der Tod keine Macht mehr über das bedrohte Leben hat. Und daraus schöpfen Menschen seit 2000 Jahren Glaube, Vertrauen und Hoffnung.
Ostern ist die starke Botschaft des Lebens gegen die Angst:
Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht, Christus, meine Zuversicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht.
Und was wir haben, sind Geschichten gegen den Tod und die Aussichtslosigkeit. Es sind Geschichten von Menschen, für die es plötzlich wieder Hoffnung gibt. Es sind Geschichten von Menschen, die in der Dunkelheit wieder Licht gesehen haben.
Der gewaltsame Tod Jesu am Kreuz war für seine Freunde eine Katastrophe, die schwerste Niederlage, die sie sich vorstellen konnten. Zu Tode betrübt und ohne Hoffnung gehen sie zurück in ihre Dörfer. Eine Geschichte erzählt von zwei Jüngern, die ebenfalls unterwegs waren in ihr Dorf nach Emmaus. Und auf diesem Weg begegneten sie Jesus, der sie fragt, warum sie so traurig sind. Aber sie erkannten ihn nicht. Und erst als Jesus ihnen von Gott erzählte und sie miteinander das Brot brachen, wie Jesus es immer getan hatte, da „gingen ihnen die Augen auf“ und sie erkannten ihn. (Lukas 24, 13-35).
Ja, manchmal sind wir blind für das Offensichtliche. Die Lösung liegt so nahe und wir sehen nichts. Die Antwort liegt auf der Hand, aber ich mache weiter wie bisher. Da muss erst einer kommen und ein Stück mit mir unterwegs sein, mitgehen und mir vom Leben erzählen, Geschichten der Hoffnung!
Ostern findet statt.
Jeden Tag, wenn ein Mensch einem anderen weiterhilft, aufhilft, tröstet, pflegt, Mut macht, findet Ostern statt.
Jedes Mal, wenn die E-Mail, der Brief, das Video etwas Liebe in die einsame Wohnung bringt, findet Ostern statt.
Jedes Mal, wenn eine Antwort gefunden wird und der kranke Mensch wieder aufstehen kann, findet Ostern statt.
Und wenn uns diese Hoffnung einmal verloren geht, dann brauchen wir die alten und neuen Geschichten, die Gebete und Lieder beim Laufen oder zum Einschlafen.
Ostern findet statt. Jetzt erst recht, damit das Leben siegt.
Im Zeitungsartikel heißt es ganz lapidar: „So sind sie die Läufer, ein wenig wundersam. Ohne können sie nicht, auch nicht in diesen Tagen, vor allem nicht in diesen Tagen.“
So ist es auch mit denen, die auf Gott vertrauen und Ostern feiern.
Sie glauben daran und hoffen darauf, dass das Leben und die Liebe und die menschliche Gemeinschaft stärker sind als Krankheit und Tod. Das ist Ostern.
Und wer darauf setzt, der oder die ist auch „ein wenig wundersam“. Ohne Ostern können wir nicht, auch nicht in diesen Tagen, vor allem nicht in diesen Tagen.
Impression aus dem Kloster Jerichow – Foto: Horst Milde
Voll und ganz auf die Hoffnung zu setzen, ist wohl das Beste, was man derzeit tun kann.
In diesem Sinne: Frohe Ostern 2020!
Gebet für Viele (Lothar Zenetti, 1959)
Behüte, Herr, die ich dir anbefehle,
die mir verbunden sind und mir verwandt.
Erhalte sie gesund an Leib und Seele
und führe sie an deiner guten Hand.
Sie alle, die mir ihr Vertrauen schenken
und die mir soviel Gutes schon getan.
In Liebe will ich dankbar an sie denken,
o Herr, nimm dich in Güte ihrer an.
Um manchen Menschen mache ich mir Sorgen
und möchte helfen, doch ich kann es nicht.
Ich wünsche nur, er wär’ bei dir geborgen
und fände aus dem Dunkel in dein Licht.
Du ließest mir so viele schon begegnen,
so lang ich lebe, seit ich denken kann.
Ich bitte dich, du wollest alle segnen,
sei mir und ihnen immer zugetan.
Peter Burkowski und Dr. Lars Charbonnier, Berlin
(beide sind Pfarrer und Läufer)
Die Pfarrer und Marathonläufer Peter Burkowski (lks) und Dr. Lars Charbonnier bei ihrer Predigt 2019 beim oekumenischen Abendgebet beim 46. BMW BERLIN-MARATHON in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche – Foto: Horst Milde