Blog
18
02
2018

OLYMPIA 2018 ©Horst Milde

OLYMPIA/ Skispringen Warum immer ein Österreicher gewinnt – nur nicht in Österreich – Von KLAUS BLUME

By GRR 0
Egal, wer in Pyeong Chang eine olympische Goldmedaille im Skispringen gewonnen hatte  – am Ende jubelte immer ein Österreicher. 
Als Andreas Wellinger aus Ruhpolding auf der Normalschanze am weitesten flog, wäre dessen österreichischer Coach Werner Schuster am liebsten vor Begeisterung vom Trainerpodest gesprungen. Als nach dem Springen von der Großschanze – wie schon vor vier Jahren – nun erneut der Pole Kamil Stoch Gold gewann, rannen dessen österreichischem Trainer Stefan Horngacher die Freudentränen nur so übers Gesicht.
Und wenn am  Montag die norwegischen Favoriten – sie hatten beim Einzel-Wettbewerb von der Großschanze bereits die Plätze drei, vier, fünf und acht belegt – erwartungsgemäß triumphieren sollten, werden sie ihren österreichischen Coach als Meistermacher der ganz besonderen Art hoch leben lassen: den 43jährigen Alexander Stöckl.
Verrückt – aber Tatsache: Von den acht wichtigsten Skisprung-Mannschaften der Welt werden sechs von einem österreichischen  Cheftrainer betreut:
Finnland, Deutschland, Norwegen, Polen, Tschechien und Österreich. Lediglich die Japaner, mit Tomoharu Yokokawa, und die Slowenen, mit Janus Goran, vertrauen – jedoch mit weit weniger Erfolg als die internationale Konkurrenz – ihre besten Springer einem Landsmann an.
Warum aber sind vor allem österreichische Trainer derart gefragt? Toni Innauer, derzeit ZDF-Kommentator, 1980 selbst Olympiasieger in Lake Placid und, mit Unterbrechungen, bis 2001 auch erfolgreicher österreichischer Cheftrainer, erklärt: „Die Erfolge und die Arbeit unserer Trainer fußen auf der Strategie, dass die Athleten schon im Kindesalter gefördert werden. Vereine, Stützpunkte und der Verband bilden dafür ein einheitliches Konzept.“
Allerdings braucht es dafür Fingerspitzengefühl und vor allem viel Geduld. 2008, zum Beispiel, trat der Österreicher Werner Schuster sein Amt als Cheftrainer des Deutschen Ski-Verbandes (DSV) an. Zuvor hatte er an der Universität Innsbruck Sport und Psychologie studiert, und das Studium mit einer hochgelobten Diplomarbeit gekrönt, die den sperrigen Titel trägt: „Sportgerichtetes Vielseitigkeitstraining als Leitprinzip für die koordinativ-technische Ausbildung im Skispringen.“ 
Schuster brauchte allerdings lange Jahre, um das deutsche Team zurück in die absolute Weltspitze zu führen. Diese Geduld zahlte sich aus. Inzwischen zählt man unter seiner Ägide 14 WM-Medaillen, 2014 in Sotschi den Olympiasieg im Mannschaftsspringen und in Südkorea – bisher – eine Gold- und eine Silbermedaille. 
Als Schusters österreichischer Assistent  Stefan Horngacher 2016  vom polnischen Verband als Chefcoach verpflichtet wurde, erkor Schuster, nein, keinen österreichischen Landsmann, sondern den viermaligen Skiflug-Weltmeister Roar Ljökelsoy aus Norwegen zu dessen Nachfolger. Ljökelsoy hatte daheim sowohl als Springer wie auch als Trainer miterlebt, wie Schusters Landsmann Alexander Stöckl das österreichische an das norwegische System erfolgreich angepasst hatte. Von diesen Erfahrungen profitiert nun das deutsche Team.
Übrigens, dass in Polen der nunmehr dreimalige Skisprung-Olympiasieger Kamil Stoch weitaus populärer als dessen Landsmann Robert Lewandowski ist, der Star des FC Bayern München, ist auch dem österreichischen Skisprung-Coach Stefan Horngacher zuzuschreiben.
Nachdem er Kamil Stochs Ehefrau, einer Fotografin, die Leviten gelesen hatte, funktionierte auch die Zusammenarbeit mit dem Überflieger aus Zakopane reibungslos. Stochs Frau managt nämlich dessen PR-Termine sowie den Verkauf einer eigenen Bekleidungslinie. So wurde Kamil nach seinem ersten Tournee-Triumph 2017, ohne Atem zu holen, wochenlang herumgereicht. Ehrungen hier, Fernsehauftritte dort – die Stochs waren auf allen Roten Teppichen Polens zu finden.
Horngacher aber holte ihn von dort zurück, um ihm vor allem Gelassenheit beizubringen. Nach dessen zweitem Tournee-Sieg im Januar 2018 sagte Horngacher: „Ich habe ihm gesagt, er kann doch die Tournee und Olympia in vollen Zügen genießen, und zwar in aller Ruhe, denn er hat bei beiden Veranstaltungen schon einmal gewonnen.“
Geduld braucht von allen österreichischen Trainern jetzt vor allem  Andreas Mitter als Chefcoach im skisprung-verrückten Finnland. Die Finnen, die einst Trainer ins Ausland exportierten, auch nach Österreich, sind derzeit meilenweit von der Weltspitze entfernt. Und Mitter weiß, wie schwierig es sein wird, Teile des österreichischen Erfolgssystems in seiner neuen Heimat in die Praxis umzusetzen. Denn es gibt dort sechs wichtige Klubs und Stützpunkte, in denen völlig unabhängig und ohne verbindliche Absprachen untereinander, vor sich hin gewerkelt wird. Allein diese Leute alle an einen Tisch zu bringen, kommt schon einer Herkulesaufgabe gleich.
Auch in Österreich scheint das so, wo der frühere Weltmeister Heinz Kuttin heute schon als Trainer jubelt, wenn einer seiner ehemaligen Größen, wie Michael Hayböck, auf der Großschanze Sechster wird.
In der heutigen Ausgabe des österreichischen Magazins „Profil“ sagt Toni Innauer zu diesem Niedergang:

„“Es überrascht nicht, dass gerade die Sportszene vom ungenierten Festhalten und Ausbauen von Macht, Kontrolle und öffentlicher Aufmerksamkeit geprägt und belastet ist.

,Starke Männer‘ in Führungspositionen feiern diesen steinzeitlichen Zustand als Errungenschaft und stehen damit sachlichen Lösungen und personellen Veränderungen im Weg.“
 
Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
22085 Hamburg
Tel: +49 (0) 40 229 7048
Mobil: +49 (0) 171 643 4018
klausblume@t-online.de

author: GRR

Comment
0

Leave a reply