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23
02
2018

OLYMPIA 2018 ©Horst Milde

OLYMPIA: Martin Fourcade – der Katalane mit dem Gewehr – Warum Biathleten in Frankreich nicht populär werden – Von KLAUS BLUME

By GRR 0

Was bleibt, wenn am Sonntag in Pyeong Chang die olympische Flamme erlischt? Über den Tellerrand hinausgeblickt, wohl in erster Linie die Erinnerung an den französischen Biathleten Martin Fourcade.

In Südkorea sammelte der Mann aus den Pyrenäen drei Goldmedaillen und erhöhte damit das Konto seiner Olympiasiege auf insgesamt fünf. Soviel, wie zuvor kein anderer französischer Sportler. Das hat sogar den Elysée wachgerüttelt. Staatspräsident Emmanuel Macron schrieb spontan:

„Martin lässt uns erzittern und träumen. Eine Legende der Olympischen Winterspiele und des Biathlon.“

Ob Macrons Landsleute das auch so sehen? Biathlon ist schließlich in Frankreich noch immer nicht sonderlich populär. Das Pariser Weltblatt „Le Monde“ schrieb, zum Beispiel, dieser Tage: „In Frankreich, wo auf Langlauf-Ski mit einem Gewehr auf dem Rücken eine Art Exotik betrieben wird, war Martin Fourcade selbst dann noch ein unbekannter Champion, als er in Skandinavien längst als Superstar gefeiert wurde.“
Wir erinnern uns an so manche Tour de France im heißen Juli, wenn dort an einem Ruhetag plötzlich die Gebrüder Martin und Simon Fourcade im Pressesaal auftauchten, um für ihre olympische Sportart zu werben. Während sich die ausländischen Kollegen die Beiden ausfragten, hackten die französischen Reporter – ohne von den beiden Biathleten Notiz zu nehmen – ihre Stories in die Tasten.
Fourcades prominentem Vorgänger Raphael Poiree erging es ähnlich. Auch von dem achtmaligen Weltmeister und viermaligen Gewinner des Gesamt-Weltcups nahm in dessen Heimat kaum jemand Notiz. Als wir während der Tour de France einmal in seinem Heimatort in den französischen Alpen Station machten, erkundigten wir uns bei unserem Wirt nach dem Weg zu seinem Haus. „Ach, Sie wollen zu dem Verrückten mit dem Gewehr?“ fragte er, um uns bereitwillig, jedoch kopfschüttelnd den Weg zu weisen.
Ein französischer Kollege aus dem wintersport-fernen Paris erklärte uns bei einer der alljährlichen Treffen nordischer Skisport-Journalisten, seine Landsleute in der Bretagne, der Normandie, in Lyon, Bordeaux oder in der Provence könnten nun einmal mit den Skiläufern, die ein Gewehr mit sich herumtragen würden, nicht allzu viel anfangen.
Würde man dort nach historischen französischen Wintersport-Größen fragen, bekäme man, auch von den Jüngeren, die Antwort: „Jean-Calude Killy und Marielle Goitschel, die alpinen Olympiasieger. Aber niemals Poiree oder Fourcade.“ 

Nun aber ist Martin Fourcade, der Mann aus den Pyrenäen, Frankreichs erfolgreichster Oympionike aller Zeiten.

Allerdings einer, der es seinen Mitmenschen nicht gerade leicht macht, ihn auch noch zu verehren. Der „Le Monde“ sagte er einmal: „Zu wissen, dass ich in die Geschichte eintrete, motiviert mich nicht. Ich bin kein Kannibale wie der Radrennfahrer Eddy Merckx.“ Und in seinem Buch „Mein Traum von Gold und Schnee“ offenbar er sich als ein von tiefen Zweifeln zerrissener Mensch. 
Was er betreibe, sei eine Art  psychologischer Selbstversuch, und dieser würden nur ihn selbst etwas angehen. Darüber würde er nicht debattieren. Schluss, aus. Allenfalls über Doping.

Dann aber mit aller Härte, ohne jede Diplomatie. 

Martin Fourcade – ein Unbequemer. Aber ein überaus erfolgreicher Sportler. In Deutschland hätten sie ihm längst den Roten Teppich ausgerollt, in Norwegen als Ikone verehrt, doch daheim nennen sie ihn, ein wenig abfällig, und weil er aus den Pyrenäen stammt, „den Katalanen mit dem Gewehr“ (L‘Equipe).

Ihn, den wohl derzeit beeindruckendsten Olympioniken der Welt.

Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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