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Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche - Altar - Foto: Horst Milde

„Du stellst meine Füße auf weiten Raum“ – Ökumenisches Abendgebet zum 45. BMW Berlin-Marathon in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am 15. September 2018

By GRR 0

Heute,  vor vier Wochen am Sonnabend, dem 15. September 2018, fand in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Breitscheidplatz das ökumenische  Abendgebet zum 45. BMW Berlin-Marathon statt. Die Predigt hielt Marathonläufer und Pfarrer Lars Charbonnier.

Thema: Du stellst meine Füße auf weiten Raum“

Musik: Alan Wilson (*1947) – Processional

Votum und Begrüßung (Pater Maximilian, Katharina Stifel)

Pater Maximilian: „Wir sind hier zusammen im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“ 

Lied: Lobe den Herren EG 316 (deutsch, französisch und englisch)

Psalm 31 (Irina Mikitenko)

„Der Psalm 31 erzählt von dem weiten Raum, auf den unsere Füße gestellt sind. Sie finden den Psalm auf dem Begleitblatt. Wir beten ihn im Wechsel. Ich beginne und Sie antworten mit den eingerückten Versen.“

Irina Mikitenko: Gott, auf dich vertraue ich, lass mich nimmermehr zuschanden werden, errette mich durch deine Gerechtigkeit!

Alle: Neige deine Ohren zu mir, hilf mir eilends! Sei mir ein starker Fels und eine Burg, dass du mir helfest!

Mikitenko: Denn du bist mein Fels und meine Burg, und um deines Namens willen wollest du mich leiten und führen.

Alle: Du wollest mich aus dem Netze ziehen,  das sie mir heimlich stellten; denn du bist meine Stärke.

Mikitenko: In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, HERR, du treuer Gott.

Alle: Ich freue mich und bin fröhlich über deine Güte, dass du mein Elend ansiehst und kennst die Not meiner Seele und übergibst mich nicht in die Hände des Feindes.

Mikitenko: Du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Alle: Gelobt sei der HERR; denn er hat mir seine wunderbare Güte in einer festen Stadt erwiesen.

Mikitenko: Seid getrost und unverzagt alle, die ihr auf Gott vertraut!

Alle zusammen: Amen.

Lied: Auf Seele Gott zu loben SJ 95 – Musik: Gunnar Idenstam (*1961) – Choral

Fürbitten (Pater Maximilian, Irina Mikitenko, Lars Charbonnier, Horst Milde)

Pater Maximilian: „Lasst uns füreinander und miteinander beten1. Pater Maximilian: Barmherziger Gott, Schöpfer und Lenker unseres Lebens,
du Quelle unserer Energie und unsere Zuversicht,am Vorabend des großen Marathonlaufs, auf den die Läufer und Läuferinnen seit geraumer Zeit hin trainieren, und der auch für deren Angehörige eine wichtige Rolle spielt, am Vorabend dieses Laufes bitten wir dich um deinen Schutz und SegenIrina

Mikitenko: Lass den Tag zu einem erfüllten Läufertag werden. Gib, dass wir die Ziele erreichen, die wir uns vorgenommen haben. Hilf, dass wir uns unterwegs gegenseitig auf der Strecke bestärken. Lass die Freude und Dankbarkeit überwiegen, auch wenn wir vielleicht aufgeben müssen. Das Leben ist mehr als die Leistung, die wir uns abverlangen.

Horst Milde: Bitte behüte alle Läuferinnen und Läufer vor der Versuchung, durch Selbstüberforderung ihre Gesundheit oder gar ihr Leben zu gefährden. Und hilf, dass es keine Zwischenfälle oder Bedrohungen gibt.

Unser Gott, wir danken dir für alle Menschen, die morgen für Sicherheit sorgen: Für die Helferinnen und Helfer an der Strecke, die Einsatzkräfte der Verkehrsbetriebe, der Stadtreinigung, der Polizei und Feuerwehren, der Ärzte und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Sanitätsdienste.

Lars Charbonnier: Gott, wir danken dir auch für die Organisatoren, die diesen Lauf überhaupt ermöglichen und die das ganze Jahr hindurch darauf hin arbeiten.

Und wir danken für alle, die mit ihren Trommeln und Musikinstrumenten für Stimmung sorgen. Wir danken für die alljährliche Begeisterung der Zuschauerinnen und Zuschauer an der Strecke, ihre Anfeuerungsrufe, ihre Freude und ihr Mitgefühl. Wir danken für die Treue und Unterstützung der Angehörigen und für ihre Geduld.

Pater Maximilian: Gemeinsam beten wir mit Jesu Worten: Vater Unser…

 

Dr. Lars Charbonnier (Pfarrer und Marathonläufer) – Die Predigt:

Du stellst meine Füße auf weiten Raum!

Liebe Laufgemeinde,

wie leicht wir diesen Satz gerade miteinander gebetet haben. Dabei ist das gar nicht so einfach: den muss man erst einmal herstellen, diesen weiten Raum! Da muss einiges getan werden, damit er da ist in der Marathonhauptstadt Berlin, der freie Raum für 60.000 Läuferinnen und Läufer, Skaterinnen und Handbiker, Rollstuhlfahrerinnen und die 1.000.000 Fans an der Strecke. Die sonst mit Autos, Bussen, LKW beengten Straßenräume müssen frei werden. Und mir macht das immer schon Vorfreude, wenn ich in der Woche vor diesem Tag die ersten Halteverbotsschilder an der Strecke sehe, die das ankünden: Hier müssen Räume weit gemacht werden, damit Platz ist für alle Füße, Rollen und Räder, die hier entlang wollen.

Für mich ist das immer wieder ein tolles Gefühl, wenn ich dann diese Straßen entlanglaufen darf. Wenn ich manches noch mal anders sehen kann, weil die Räume plötzlich da sind. Eine meiner Lieblingspassagen ist der Weg zur Friedrichsstraße, die Reinhardtstraße  leicht bergab, den Friedrichstadtpalast am Horizont, und davor Tausende laufender Körper. Ein tolles Bild!

Du stellst meine Füße auf weiten Raum!

Wenn dieser Satz für das Laufen, für das Marathonlaufen gelten soll, dann muss ich aber auch zugeben: Nicht in jedem Moment des Laufes geht mir das so. Da gibt es auch diese ersten Minuten nach dem ersehnten Start, wo ich die Worte des engen Netzes, die der Psalmbeter anführt, gut verstehen kann. Also dann, wenn ich mit so vielen gemeinsam auf die Strecke gehe und es eng ist. Alle suchen ihr Tempo, aber alles ist noch startblockdicht gedrängt. Ich ergreife den Raum, wenn er sich öffnet, mal nach links, mal nach rechts, von Rhythmus noch keine Spur. Nur wenn die Räume weit sind, hab ich wirklich die Chance, meinen Raum zu nehmen – das ist auch eine Lauferfahrung – und eine Lebenserfahrung.

Und schon geht es hinein in die vielen Vergleiche, die sich anstellen lassen, zwischen den Erfahrungen des Laufens und des Erfahrungen des Lebens, und schon geht es für mich dann immer auch hinein in die weiten Räume des Glaubens.

Du stellst meine Füße auf weiten Raum

Das ist ja nicht nur ein bemerkenswerter Satz, es ist tatsächlich ein ungewöhnliches Bild für Gottes Wirken unter uns Menschen. Die Bibel nimmt gern Bilder unseres Körpers auf, wenn sie von Gottes Tun spricht, aber eher selten kommen dabei die Füße in Betracht.

Dass Gott unsere Hände nimmt, dass er unsere Augen öffnet oder dass er unsere Zunge berührt, das ist vertraut. Aber hier widmet er sich den Füßen. Unseren wesentlichen Lauforganen. Den Teilen meines Körpers, die die Grundlage bilden, dass ich fest auftreten und sicher stehen kann. Standfestigkeit kommt hier zum Ausdruck, und auch sie hat etwas mit meinem Glauben zu tun.

Der Satz, der unserem Leitvers voraus geht, heißt: „Du übergibst mich nicht in die Hände des Feindes.“

Wenn Gott meine Füße auf weiten Raum stellt, dann heißt das also auch: Er gibt mir Sicherheit und Gewissheit. Da kann man schon mal einen Schlag einstecken, in manchem Sport ganz real, in vielen Sportarten aber eher im übertragenen Sinne, da kann man schon einen Schlag einstecken, eine Niederlage kassieren, ohne gleich umzufallen, ohne  aufzugeben.

Da kommt der Husten doch, da lockert sich eine Sohle beim Laufen und die gewünschte Zeit wird unerreichbar. Ich wünsche es keinem morgen, aber selbst wenn es passiert – und sogar Eliud Kipchoge ist es schon passiert – selbst wenn es passiert, dass mir etwas die Erreichung meines Ziels verhagelt, dann kann ich standhaft bleiben, weil meine Füße auf festem Grund stehen. Auf unerschütterlichem Grund – mein Wert und meine Würde hängen nicht davon ab, was ich leiste, welche Ziele ich erreiche, Rechtfertigung nennen wir das auf theologisch. Und diese Lehre ist aktueller denn je, wie ich finde.

Du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Weite, das ist auch das Gegenteil von Enge, von Angst. Im Deutschen wie im Hebräischen, der Sprache des Psalmdichters, sind die Worte Enge und Angst verwandt. Im Buch Hiob gibt es eine Stelle, die genau zu diesem Gedanken passt: „So reißt er auch dich aus dem Rachen der Angst in einen weiten Raum, wo keine Bedrängnis mehr ist“ (Hi 36,16).

Gott stellt uns sicher auf die Füße und er befreit uns von Angst, so die Erfahrung des Psalmbeters. Wer auf Gott vertraut und sein Lebensentwurf auf diesen Glauben gründet, der muss nicht verzweifeln, der muss keine Angst haben, der findet Trost im Geist Gottes.

Die hebräischen Worte für „weiter Raum“ und für „Geist“ klingen zum Verwechseln ähnlich: „räwach“ und „ruach“. Wo der Geist wirkt, da ist der Raum weit. Ein schönes Kriterium ist das: Wenn keine Räume eröffnet, Weite ermöglicht wird in unseren Vorstellungen, wie wir miteinander leben wollen, dann können wir sie nicht mit Gottes Geist in Verbindung bringen.

Du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Wie geht das eigentlich? Das sagt sich so leicht, dass der Geist wirkt und Enge und Angst in Weite und Vertrauen verwandelt. Meine Erfahrung, und vielleicht geht es vielen von Euch ähnlich, meine Erfahrung ist, dass mir das oft beim Laufen passiert. Es beginnt damit, dass ich mir selbst Raum für mich nehme, wenn ich laufen gehe.

Ich gehöre zu denen, die den Marathon auch deshalb laufen, weil sie das Training brauchen, also den klaren Ansporn, regelmäßig laufen zu gehen. Das liegt daran, dass ich das Laufen zwischen allen Ansprüchen von Beruf und Familie als Zeit, als Raum für mich erlebe. Und wenn ich mir diesen Raum nehme, dann passiert beim Laufen noch mehr: Ich erlebe, wie sich in mir die Räume wieder weiten. Oft und vor allem bei den langen Läufen bin ich auf den ersten Kilometern bei allen möglichen Erfahrungen und Aufgaben meines Alltags.

rgendwann kommt die Phase, wo ich diese hinter mir lassen kann und eher Leere spüre. Aber dann kommt die Phase, in der ich plötzlich positiv gefüllt Weite erfahre. Wo sich mein Herz und meine Sinne öffnen und ich spüre, wie innerlich in mir der Raum weit wird. Und damit alles ein wenig weniger bedeutsam wird, was mich noch in der ersten Phase beschäftigt, ich mir aber wieder mehr bedeute.  Da wird Laufen für mich zu einer spirituellen Erfahrung.

Du stellst meine Füße auf weiten Raum!

Das stimmt auch im Blick auf das Teilnehmendenfeld. 133 Nationen sind vertreten, auch hier heute Abend sind einige dabei. Das ist mir gerade nach diesen Wochen mit den schockierenden und erschütternden Nachrichten aus Chemnitz und Köthen eine große Freude. Morgen findet die teilnehmendenreichste Demonstration für ein gastfreundliches, völkerverständigendes und buntes Deutschland statt, das sich gerade in solchen Sportfesten hervorragend zeigt!

Da unterstützt der Däne die Italienerin, der Mexikaner die Amerikanerin, die Kenianerin den Deutschen. Ja, wir sind mehr, und wir zeigen, wie schön es ist, gemeinsam Sport zu treiben und einander in Würde und mit Freude zu begegnen! 60.000 auf den Straßen von Berlin rollen und laufen für eine bunte Welt! Und 1.000.000 feuert sie an. Welch ein weiter Raum! „Der Laufende“ kann in der Sprache des Alten Testaments übrigens auch als „der Kundschafter“ übersetzt werden: der Bote, der eine gute Nachricht zu verkünden hat. Das tun wir alle, wenn wir laufen.

Und auch hier gibt es ja die ganz persönliche Dimension dieser guten Botschaft von jedem Einzelnen und jeder Einzelnen. Alle treten mit einem eigenen Ziel an: Durchkommen bei den einen, Weltrekord bei naja, vielleicht vier anderen. Dazwischen das ganze Spektrum. Und dazwischen so bewegende Geschichten wie die von Miriam Vogt aus dem Ruhrgebiet, die ihre ganz eigene Botschaft überbringt: Schaut, 8 Jahre nach der Leukämie ist es möglich, einen Marathon zu laufen! Ich kann das, und Ihr könnt das auch! Was für Räume sich öffnen für alle, die so etwas glauben wollen. Möge sie wohlbehalten ins Ziel kommen, damit ihre Botschaft wirkt!

Du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Das heißt auch: Nur die mögliche Richtung ist uns vorgegeben, gehen müssen wir schon selbst. Die blaue Linie ist gemalt, aber laufen müssen wir. Was nützt uns der weite Raum, wenn wir ihn nicht durchschreiten, wenn wir die uns geschenkte Freiheit nicht nutzen.

Und mal ehrlich: Wie oft im Leben tun wir das tatsächlich nicht? Wie oft passiert es, dass alles eng wird, Perspektiven, Möglichkeiten, Entwicklungen, statt dessen eher der Tunnel, reine Fokussierung, immer dominanter wird die Anstrengung gegenüber der Freiheit. Auch das kenne ich gut beim Laufen wie im Leben – aber ich kenne auch die Erlösung, wenn ich heraus geholt werde aus dem Tunnel, beim Laufen durch Anfeuern, wenn die Sonne mich wärmt, wenn das Ziel nahe kommt, im Leben durch ein mich berührendes Gespräch, durch Abstand und Entschleunigung, das Finden meiner Mitte – und das oft beim Laufen.

Lebenserfahrung ist so und Glaubenserfahrung will das: wo sich mir Räume öffnen, geht es leichter, finde ich Platz und mich und meinen Nächsten, sehe ich nach vorn und hoffe. Hoffe, dass ich auf der Strecke bleibe, das Ziel nicht aus dem Blick verliere, dass meine Füße gehalten sind.

Hoffnung kommt übrigens von hüpfen, in freudiger Erregung hopsen – wie kurz vor dem Start – möge es ein guter Tag werden morgen, ein erfolgreicher Lauf, mit gehaltenen Füßen, erreichten Zielen und weiten Räumen auf festem Grund!

Amen!

Lied: Vertraut den neuen Wegen EG 395

Kollekte für die Donnersmarck-Stiftung (Katharina Stifel)

Segen (Pater Maximilian):

„Gott segne dich, damit du mit sicheren Schritten laufen kannst und dein Weg hell erleuchtet sei. Seine Kraft und sein Segen erfüllen dich.

Er stelle deine Füße auf weiten Raum.

Er führe dich aus der Enge in die Weite, von der Finsternis ins Licht und schenke dir Kraft, Zuversicht und Ausdauer auf dem Weg, der vor dir liegt.

Musik: Gunnar Idenstam – Toccata II

Mitwirkende: Irina Mikitenko (Marathonläuferin), Horst Milde (Begründer des Berlin Marathons), Maximilian Wagner (Pfarrer OFM), Dr. Lars Charbonnier (Pfarrer und Marathonläufer), Dr. Katharina Stifel (Pfarrerin) und Jonas Sandmeier (Orgel).

Irina Mikitenko – Foto: Sabine Milde

 

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Pfarrer Lars Charbonnier, Horst Milde. Katharina Stifel und Pater Maximilian – Foto: Sabine Milde

Die Geschichte des BERLIN-MARATHON – Youtube-Video:

https://www.youtube.com/watch?v=sEGve18Drf8

author: GRR