Cover: 42,195 - ein Buch von Waldemar Cierpinski mit seiner Geschichte und Trainingsanleitungen - Foto: Verlag
Nun hofft Cierpinski auf den „Mitteldeutschen“ 2020 – Klaus Weidt sprach mit dem 69jährigen Hallenser
Sein „Himmelswege-Lauf“ fiel Corona zum Opfer, mit seinem Sportgeschäft geht er neue Wege. Der Doppel-Olympiasieger lässt sich nicht unterkriegen
Waldemar Cierpinski war schon immer ein Kämpfer. 1976 und 1980 lief er als Marathon-Olympiasieger durchs Ziel. Damit folgte er den Spuren des legendären Abebe Bikila.
Nach der Wende eröffnete er gleich 1990 ein Sportgeschäft in Halle mit Frau Maritta. Als es immer größer wurde, zog er Sohn Falk mit dazu. Nun überraschte ihn auch die Corona-Krise. Kurzarbeit und Kredite.
Doch auch jetzt lässt er sich etwas einfallen.
Waldemar Cierpinski der Olympiasieger in Montreal – aus seinem Buch …
Seit Anfang März ist dein Geschäft geschlossen, doch an Einfällen scheint es dir auch in dieser schweren Zeit nicht zu fehlen?
Man muss immer etwas tun. So bieten wir über WhatsApp Beratungen an. Die Kunden können ihre Füße fotografieren, und wenn sie ihre Fotos uns zugeschickt haben, wählen wir Schuhe aus. Bei einem Kauf bringen wir ihnen dann die Ware persönlich nach Hause. So schwer es derzeit ist, wir lassen uns nicht unterkriegen.
Der Himmelswege-Lauf vom 20. Juni 2020 musste abgesagt werden, ein Verlust, denn dieser relativ neue bemerkenswerte Lauf hat sich gut entwickelt…
Wir haben lange gehofft, geplant und alle Kraft in den „Neunten“ investiert. Beim letzten Mal hatten wir schon 2000 Teilnehmer. Die Himmelsscheibe von Nebra ist die weltweit älteste bekannte Himmelsdarstellung. Da alle Veranstaltungen in Sachsen-Anhalt bis zum 31. August abgesagt wurden, betraf das auch uns. Nun müssen wir uns auf den 19. Juni 2021 einrichten.
Ein kleiner Trost: Die einmalige Medaille können alle Anmelder erhalten.
Medaille des Himmelswege-Lauf – Foto: Klaus Weidt
Nun gilt alle Vorbereitung auf den Mitteldeutschen Marathon am 11. Oktober. Er ist so etwas wie dein Herzstück?
Das stimmt. Ich wollte es nach der Wende nicht nur bei meinem Hallenser Stadtlauf belassen, ich wollte etwas mehr für die Region tun. Viele sagten damals, hier haben wir nun einen Doppel-Olympiasieger im Marathon, aber wir haben keinen Marathon. Ich fand heraus, dass es in der Geschichte von Sachsen-Anhalt 1925 einen Lauf von Halle nach Leipzig gab. Mir fielen die großen Komponisten ein. Warum nicht von Händel zu Bach laufen?
Zehn Angebote – von Kinderläufen bis zu den 42,195 m. Eine enorme Herausforderung!
Ja, aber wir bewältigen sie mit unseren engagierten Mitstreitern. Ich denke, es ist in unserer Zeit wichtig, dass es viele Möglichkeiten zum Mitmachen gibt, für Groß und Klein. Man muss Wünsche wecken.
Selbst läufst du keinen Marathon mehr?
Im slowakischen Kosice, dort, wo ist meinen ersten Marathon bestritt, beendete ich 1986 meine leistungssportliche Laufbahn. Danach folgten nur noch wenige Marathons, z.B. in Osaka und in Berlin. Ich freue mich heute, an kleineren Läufen teilzunehmen. Im Spaß sagte ich einmal, dass ich mit 60 im Marathon noch 2:60 laufen möchte. Doch das blieb auf der Fußball-Strecke.
Wäre ein Marathon mit einer guten Zeit noch drin?
Dafür müsste ich alles liegen lassen, das Geschäft, die Vorbereitungen auf unsere Laufereignisse, den Fußball, das Training mit meiner Marathongruppe. Was bringt das? Von der Fitness her könnte ich das schon…
Deine bislang gelaufenen Kilometer hast du aber registriert?
Bildlich gesehen bin ich bis heute mehr als sechsmal um die Erde gerannt.
Cierpinski in Bad Düben: Start zu einem Heidelauf – Foto: Klaus Weidt
Abebe Bikila, der äthiopische Läufer, wurde einst dein Vorbild.
1960 hatte ich zufällig bei einem Freund im Fernsehen in unserem Dorf miterleben können, wie der Afrikaner barfuß über das Kopfsteinpflaster in Rom lief und Olympiasieger wurde. Das faszinierte mich. So wie der, sagte ich damals, will ich auch werden.
Haile Gebrselassie, ebenfalls ein bekannter äthiopischer Olympiasieger, lief immer von seinem Dorf 10 km zu Schule hin und 10 km zurück. Bei dir war das ähnlich?
Mit dem Unterschied, dass es 3 km waren und ich den Linienbus hätte besteigen können. Ich unternahm so eine Art Wettkampf mit dem Bus, der mal kam und mal nicht. Und sparte dabei immer 30 Pfennige. Das war einfach unsere Nachkriegszeit, die Bewegung wurde das Normalste auf der Welt.
Nach Montreal 1976 wurdest du 1980 in Moskau zum zweiten Mal Marathon-Olympiasieger. Beinahe hättest du auch mit einer dritten Goldmedaille Abebe Bikila überholt.
Das wollte ich auch. Wäre es nicht zum Olympiaboykott für Los Angeles 1984 gekommen, hätte es sein können. Vorbereitet darauf war ich, mit knallhartem Training auf die kommenden Attacken. Als ich dann zu Hause vor dem Fernseher saß, musste ich die erste Marathon-Übertragung der Frauen ausschalten.
Wenn du noch drei Wünsche hättest?
Eigentlich nur zwei: Gesundheit für meine Familie und dass sie mir auch weiterhin so viel Freude macht.
Und dass du mit deiner Familie gut durch die Corona-Krise kommst, denke ich und erinnere dich an einen deiner forschen Sprüche: „Was mich nicht umhaut, macht mich nur noch härter!“
Klaus Weidt
Ausschreibung für den Mitteldeutschen Marathon siehe www.mitteldeutscher-marathon.de