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2019

Grete Waitz gewinnt 1988 den New York City Marathon - Photo: Victah@Photo Run - Victah1111@aol.com 516-909-8082

NORWEGEN ist besessen von Leichtathletik und Fitness – Teil 2 der Norwegen-Serie: Von KLAUS BLUME

By GRR 0

Ob Stockholms angesehene Tageszeitung Dagens Nyheter oder die berühmte Times in New York – die Weltpresse staunte nur noch über die norwegischen Erfolge beim Weltcup-Auftakt in Finnland und Lillehammer.

Ob Skispringen, Skilanglauf oder Nordische Kombination – alles artete bisher zu norwegischen Meisterschaften aus, gesäumt von ausländischen Startern. Doch das soll erst der Start in diesen Sport-Winter gewesen sein. Richtig in Form will man erst noch kommen.
Und trotz dieser Erfolge,  Lars Tore Ronglan, so etwas wie der Chefdenker des norwegischen Sports, setzt dennoch in erster Linien auf die Leichtathletik. Sie bleibe auch weiterhin der Dreh- und Angelpunkt des gesamten Sports. Deshalb schickt der norwegische Sportbund gerade in diesen ersten Winterwochen den 62jährigen Leif Olav Alnes auf eine vielbeachtete Vortragsreise – vom Polarkreis bis hinunter zur schwedischen Grenze. Alnes, Coach von Karsten Warholm, des Welt- und  Europameisters über 400 Meter Hürden, spricht dabei vor allem über die Gleichberechtigung von Athlet und Trainer, über die gegenseitige Abhängigkeit – und über seine Lebenserfahrung.
Stichwort Leichtathletik: Therese Johaug, die dreimalige Olympiasiegerin und zehnmalige Weltmeisterin im Skilanglauf, will spätestens bei den Leichtathletik-Europameisterschaften 2020 in Paris  die Erinnerung an ihre Landsleute Grete Waitz und Ingrid Kristiansen wachrufen und sich dann ebenfalls auf der Tartanbahn versuchen. An Grete Waitz, die neunmal den New York Marathon gewann und 2011 an Krebs starb, erinnere zwar eine Statue vor dem Osloer Bislett-Stadion – doch reiche das heute noch aus, fragt Therese Johaug? 
Wie Johaug gehörte übrigens Ingrid Kristiansen bereits dem norwegischen Ski-Team an, als sie 1986 in Stuttgart Europa- und 1987 in Rom Weltmeisterin auf der 400-Meter-Bahn wurde – und zwar jeweils über 10 000 Meter. Therese Johaug, als Skilangläuferin wegen Dopings 2017 und 2018 gesperrt, will sich also nun ebenfalls als Leichtathletin versuchen. Wobei es ihr nicht um Geld geht. Warum auch? Ihr Vermögen, einschließlich ihrer Anteile an weltweit operierenden Unternehmen, wird derzeit auf etwa 75 Millionen US-Dollar geschätzt. Tendenz  steigend.
Ob im Sommer oder Winter – kein anderes Land setzt sich im Weltsport derart vehement in Szene, wie das von gerademal von 5,3 Millionen bewohnte Norwegen an der skandinavischen Westküste. Das belegen vor allem Zahlen.
Hinter Russland und Deutschland belegt Norwegen mit 368 Medaillen (132 Gold-, 125 Silber- und 11 Bronzemedaillen) den dritten Platz im Medaillenspiegel der Olympischen Winterspiele. „Das norwegische Sportsystem ist breit aufgestellt aber noch immer ohne eine besondere Talentfindung,“ bemängelt dennoch Lars Tore Ronglan, als Professor für Trainingslehre in seinem Lande ähnlich hoch angesehen, wie einst als Handball-Nationalspieler mit 99 Länderspiel-Einsätzen. 
Auch wegen dieses Mankos wurde der norwegische Sport nach den verpatzten Olympischen Winterspielen 1988 im kanadischen Calgary (dreimal Silber, zweimal Bronze) völlig neu organisiert. Unter dem Titel „Olympiatoppen“ gibt es seitdem acht regionale Zentren, die von Oslo aus gelenkt werden. Was ohne Geld nicht funktionieren würde. Aber Geld hat man ja genug in Norwegen. Man bedenke jedoch dabei:
Noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts war Norwegen das ärmste Land Europas, jetzt ist es das reichste. Aber nicht allein das Öl in der Nordsee schuf dafür die Basis; vor allem mehr Wirtschaftswachstum als in allen anderen europäischen Ländern führte zu einem Boom ohnegleichen. “Wir wurden so reich, weil wir unseren Reichtum immer wieder umverteilt haben“, erklärt Kalle Moene, Wirtschaftsprofessor an der Universität Oslo, diese Entwicklung.
Und was bedeutet das für den norwegischen Sport? Professor Rongland, so etwas wie der Chefdenker bei „Olympiatopppen“ in Oslo: „Das Modell der nationalen Mannschaften ist hoch entwickelt. Das heißt: Alle Top-Athleten trainieren zusammen in nationalen Mannschaften, wo sie auch ihr Wissen austauschen und eine starke Leistungskultur aufbauen.“
Im Winter wie im Sommer. Dann nämlich steht neben der Leichtathletik vor allem der Radsport im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Am wichtigsten ist dabei das Arctic Race of Norway, ein Etappenrennen nördlich des Polarkreises. Im norwegischen Fernsehen erzielte dieses Rennen mit 28 bis 44 Prozent Marktanteilen eine bereits mit der Tour de France vergleichbare Einschaltquote. Und natürlich schießen Veranstaltungen für Jedermann nun aus dem Boden.
Die amerikanische Zeitschrift „Outside“ kommt deshalb zu dem Schluss: „Norwegen ist besessen von Leichtathletik und Fitness. Vor allem aber von körperlicher Aktivität, um sie um ihrer selbst Willen zu genießen.“
Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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klausblume@t-online.de

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