Skilanglauf - Symbolbild - swiss-image.ch/Photo Andy Mettler
NORDISCHE SKI-WM 2019 in Seefeld – Und in der Loipe lauert der Betrug – vom Start bis ins Ziel – Von KLAUS BLUME
SEEFELD – Er gilt als Sport der Könige und Kanzler – und der Betrüger. Schließlich ist der Skilanglauf seit Jahrzehnten eine Sache für Intensiv-Doper.
Neu wird deshalb bei der Nordischen Ski-WM im österreichischen Nobel-Wintersportort Seefeld allenfalls Dopingmittel sein, die nicht nachweisbar sind.
Denn Betrug und Skilanglauf – das klebt aneinander wie Pech und Schwefel, seit eh und je. Bei der olympischen Premiere 1924 in Chamonix gewann der Norweger Thoralf Haug zweimal Gold als Langläufer und Bronze in der Nordischen Kombination. Wobei er genau wusste, dass seine Kombinations-Punkte frei erfunden waren.
Als ihm 1974 der Schriftsteller Jakob Vaage auf die Schliche kam, gab die Familie Haug die Medaille kleinlaut zurück. Worauf die Verehrer des 1934 verstorbenen Olympia-Helden 2014 trotzig den Verein „Freunde des Ski-Königs“ gründeten.
Betrug im Skilanglauf: Als bei Olympia 1964 in Innsbruck endlich auch die Frauen in die Loipe durften, gewann die Russin Klawdija Bojarskich alle Rennen. „Herr Bojarskich“ nannte alle Welt die offenbar konkurrenzlos dahin gleitende Russin. Als das Internationale Olympische Komitee (IOC) 1967 Geschlechtskontrollen einführte, beendete die damals 28-Jährige Knall auf Fall ihre Karriere. Doch bei den Spielen 2014 in Sotschi erinnerte plötzlich eine Sonderbriefmarke (15 Kopeken) an die Jahrzehnte lang Totgeschwiegene. Ohne Erklärung.
Karrieren im Skilanglauf münden oft im Business oder in der Politik. Wie im Falle der Südtirolerin Manuela di Centa. Die Olympiasiegerin startete am 21. Dezember 1993 im schwedischen Falun – ohne aufzufallen – mit einem unerlaubten Hämatokritwert von 51,3 Prozent; normal sind 45 Prozent. Bei den Olympischen Spielen 1994 in Lillehammer, wo sie zwei goldene, zwei silberne und eine bronzene Medaille gewann, wurde ihr Hämatokritwert, diesmal nachweislich mit Hilfe des Blutdoping-Präparates EPO, erneut auf über 50 Prozent angehoben. Ebenfalls unbemerkt.
Natürlich arbeitet sie weiterhin als Mitglied des italienischen NOKs.
In diesen Tagen ereifert sich alle Welt über das seit Generationen bestehende russische Staatsdoping. Dabei ist der Skilanglauf doch schon seit Jahrzehnten eine Branche für Intensiv-Doper. Und zwar weltweit! In keiner anderen Sportart existiert ein engeres Netzwerk zwischen Athleten und Funktionären, Doping-Kontrolleuren und Team-Ärzten, Firmen-Managern und Politikern. Die Russen standen dabei fast immer im Mittelpunkt. In erster Linie Jelena Välbe, ihre derzeitige Verbandspräsidentin. Nicht nur, weil die Moskauerin 1997 in Trondheim alle WM-Goldmedaillen gewann, sondern, weil sie damals das Dopingvergehen ihrer Teamkollegin Ljubow Jegerowa öffentlich gemacht hat. Heute sagt Jelena Välbe: „Ich weiß, dass wir Russen sauber sind:“
Eine allzu plumpe Lüge, denn in zwölf Ländern – und niemand weiß das besser, als Jelena Välbe – ist der Betrug im Skilanglauf Grundlage des Geschäfts geworden: In Norwegen, Schweden, Finnland, Estland, Russland, Deutschland, Österreich, Italien, Spanien, Frankreich, Polen und in der Schweiz.
Seit mindestens dreißig Jahren, zum Beispiel, werde der norwegische Langlauf-Nachwuchs mit verbotenen Asthmamedikamenten an die internationale Spitze geführt, prangerte schon vor vier Jahren das angesehene schwedische Ski-Portal „Langrenn“ an; im vorigen Sommer wurde dieser Vorwurf vom norwegischen Fernsehen NRK wiederholt – ohne Widerspruch. Selbst dann nicht, als der 13-malige Weltmeister Petter Northug die Vorfälle bezeugte. NRK berichtete obendrein, dass der norwegische Verband im letzten Winter für 121 Sportler 6000 Dosen Asthmamedikamente zu den olympischen Langläufen nach Südkorea geflogen hatte. Die offizielle Erklärung: Man habe schließlich seine Erfahrungen.
Es gibt nun einmal kein skandinavisches Land ohne Ski-Skandale: Die Schwedinnen, zum Beispiel, feierten einige ihrer größten Erfolge – um ihre Weltmeisterin Marie-Helene Östlund – ausgerechnet unter Manuela di Centas finnischen Doping-Coach Jarmo Punkkinen; und zwar zwischen 1992 und 1994.
Und Finnland?
Das schlimmste Doping-Debakel, neben Olympia 2014 in Sotschi, gab es bei der WM 2001 im finnischen Lathi. Weil damals fast die gesamte finnische Nationalmannschaft ein Präparat benutzte, mit dem das Blutplasma angereichert wurde, schied ihr Super-Star Mika Myllylä sogar aus dem Leben. Myllylä, der gefeierte Olympiasieger und Weltmeister, der Vater dreier Kinder, wurde am 5. Juli 2011 in seiner Wohnung in Kokkola tot aufgefunden.
Und Deutschland? Bei den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City gewann der – nach langen Streitereien – für Spanien startende Allgäuer Johann Mühlegg drei Goldmedaillen. Nach dem Sieg über 50 Kilometer wurde er allerdings des Blutdopings überführt. Man wies ihm den Wirkstoff Darbepoetin nach, der gewöhnlich bei Nierenkranken die roten Blutkörperchen vermehren soll. Der damals hochfavorisierte Schwede Per Elofsson, 2001 und 2002 Gesamt-Weltcupsieger, hatte gegen Mühlegg nicht die Spur einer Chance. Am 26. Oktober 2005 trat er entnervt zurück. Mit nur 28 Jahren!
Der Betrug im Skilanglauf: Ausgerechnet in Baerum, der reichsten Gemeinde im wohlhabenden Norwegen, stellte die bis April 2018 wegen Dopings gesperrte Ex-Weltmeisterin Therese Johaug ihre teilweise weltweit operierenden Sponsoren, vor. Allen voran den chinesischen Telekommunikations-Konzern Huawei, der weltweit 170 000 Mitarbeiter beschäftigt. Darunter auch die Juristen für Frau Johaug.
Das Verhalten dieser Sponsoren, vermuten mehrere internationale Rating-Agenturen, beweise, dass sich die Welt im letzten Jahrzehnt gründlich verändert habe. Heute spiele Doping keine negative Rolle mehr.
Die Begeisterung für Frau Johaug habe in den letzten zwei Jahren – weltweit – von 32 auf 39 Prozent zugenommen.