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06
11
2018

2018 NYC Marathon Weekend NYC, NY November Photo: Victah Sailer@PhotoRun

NEW YORK CITY MARATHON 2018 – Warum ausgerechnet im Big Apple Rekorde keine Rolle spielen? Von KLAUS BLUME

By GRR 0

Die Kenianerin Mary Keitany (2:22:50 Stunden) bei den Frauen, der Äthiopier Lelisa Desisa (2:05:59 Stunden) bei den Männern – das waren die Sieger des New York City Marathon 2018.

Gratulation!

Mary Keitany – Foto: Victah Sailer

Doch besonders schnell war das nicht. Warum, so fragt sich unsereins, ist der Marathonlauf  in New York dennoch das Maß aller Dinge im internationalen Straßenlauf? Er ist weder der älteste City-Marathon, was die großmäuligen New Yorker trotz besseren Wissens aber ungeniert behaupten; er ist auch nicht der schnellste.

Lelisa Desisa – Foto: Victah Sailer

Der fand gerade in Berlin statt, wo der Kenianer Eliud Kipchoge mit 2:01:39 Stunden Weltrekord lief. Und der erste City-Marathon? Den gab‘s schon 1897 – im piekfeinen Boston. Im lauten Big Apple rannten sie die 42,195 Kilometer lange Strecke erstmals 1970.
Warum ist New York also der berühmteste, der größte, D-E-R Marathonlauf schlechthin? 
Vielleicht, weil vor zwei Jahren soviel Menschen wie nirgendwo anders das Ziel erreicht hatten: 51 393! Schon 2014 waren es 50 535.  Auch gestern rannten wieder Menschen aus mindestens 100 Ländern durch alle fünf New Yorker Stadtteile, sogar durch Bezirke, durch die ein gebürtiger New Yorker noch nicht mal am helllichten Tag im sorgfältig verriegelten Auto fahren würde. Weil der Mitläufer – ob hochbezahlter Star, umjubelter Promi oder Billy Normalo – über fünf, teilweise sogar heftig umwehte Brücken laufen muss, deren Überquerung nicht nur furchtsamen Geistern den Mut rauben kann.
Das alles ist eben der New York Marathon, stets zu absolvieren am ersten Novembersonntag. Besonders schnell laufen kann bei den dortigen Verhältnissen noch nicht einmal ein Ausnahmeläufer. So stehen denn die New Yorker Streckenrekorde – ob bei Männern oder Frauen – nicht mal unter den fünfzig besten der Welt. Schneller als die Kenianerin Magarete Okayo, die 2003 (!) die klassischenDistanz in 2:22.31 Stunden schaffte, war bisher im Big Apple keine andere Frau. Und bei den Männern hält noch immer ihr Landsmann Geoffrey Mutai den New-York-Rekord: 2:05:06 Stunden, erzielt im Jahre 2011. 
Apropos, Geoffrey Mutai: Ein Mann, der nicht weiß, wann er geboren wurde, der früh mit dem Laufen Geld verdienen musste, als sein Vater, ein Textilarbeiter, seinen Job verlor, gilt manchen Trainern aber auch Wissenschaftlern als schnellster Marathonläufer der Geschichte. Der Mann durchraste schon 2011 in Boston die 42, 195 Kilometer in 2:03:02 Stunden – weil dort das Ziel aber 139 Meter tiefer als der Startplatz liegt, wurde Mutais historisches Ergebnis, gemäß IAAF-Regel 280.28c, nicht als Weltrekord anerkannt.
Inzwischen rechneten norwegische Wissenschaftler aus, das Mutais Bergab-Lauf weit schwieriger als das Bewältigen einer topfebenen Strecke gewesen sei. Ergo müsse sein Resultat wohl in der Nähe der aktuellen Berliner Rekordzeit einsortiert werden. Was freilich erneut die Debatte befeuern könnte, ob der Internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) gut beraten war, als er ab 1. Januar 2004 offizielle Marathon-Weltrekorde einführte.   
Was aber in New York offensichtlich niemanden sonderlich interessiert hat. Auch nicht, dass der Streckenrekord in Chikago bei beachtlichen 2:04:28 Stunden steht, gelaufen 2014 von dem Kenianer Sammy Kirop. In New York ist es wohl diese einzigartige Mischung aus Geschichten und Erinnerungen, weitab jedweder Rekordjagd, die dort den Marathon populärer als jeden anderen Straßenlauf  gemacht hat. Ob RTL-Nachrichtenchef Peter Kloeppel oder Birgit Fischer, die erfolgreichste Kanutin aller Zeiten oder Ex-Außenminister Joschka Fischer – sie alle haben sich schon per pedes durch die fünf New Yorker Stadtteile gekämpft. 1993 auch Uta Pippig, mit einem grandiosen unvergessenen Sieg. 
1994  und 1995 siegte in New York übrigens eine nur 38 Kilo wiegende Läuferin: Tegla Loroupe aus Kenia. Bei ihrem ersten Erfolg war die 1,56 Meter kleine Athletin gerade 21 Jahre alt! Dass sie in New York stets fast zehn Sekunden langsamer als andernorts war, hat sie nie gekümmert. Heute wird sie als „schwarze Mutter Teresa“ (The Nairobi Times) verehrt. Inzwischen hat die nun 45-jährige ihre „Peace Foundation“ gegründet, die mit der Welt-Flüchtlingshilfe und dem IOC zusammen arbeitet. Es gehe ihr dabei hauptsächlich um die Menschen am Horn von Afrika, um deren gestohlenes Weideland und die vorenthaltenen Wasserressourcen. 
Auch darüber wird beim Marathon in New York gesprochen. Und eben nicht nur um die besonders leichten Laufschuhe weltweit konkurrierender Sportartikel-Hersteller.

New York ist halt doch anders – sogar beim Marathonlauf.

Klaus Blume
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