Blog
17
08
2018

Rund 10 Prozent der Bevölkerung leiden an chronischem Juckreiz, für den es bisher keine gezielte Behandlung gibt. - Foto: istock.com/triocean - UZH

Neuer Behandlungsansatz für Juckreizgeplagte – Universität Zürich – UZH

By GRR 0

Zwei Rezeptoren im Rückenmark und ein passendes experimentelles Arzneimittel: Forschende der Universität Zürich haben einen neuen Ansatz entdeckt, mit dem sich Juckreiz unterdrücken lässt.

In Experimenten konnten sie damit nicht nur akute, sondern auch chronische Beschwerden lindern. Für letztere gibt es bisher keine gezielte Behandlung.

Wer kennt ihn nicht, den lästigen Juckreiz nach einem Mückenstich. Zum Glück lässt er sich mit derzeit verfügbaren Medikamenten erfolgreich stillen.

Weitgehend wirkungslos sind die Substanzen allerdings gegen das quälende wiederkehrende Jucken, an dem Menschen mit Haut-, Nieren- oder Lebererkrankungen leiden. Diese chronischen Beschwerden, die rund 10 Prozent der Bevölkerung betreffen, werden bisher zum Beispiel mit Antidepressiva oder Immunsuppressiva behandelt. Diese Medikamente, die eigentlich für andere Krankheiten entwickelt wurden, verschaffen den Betroffenen oft nicht die erhoffte Linderung oder haben schwere unerwünschte Nebenwirkungen.

Verhindern, dass das Juckreizsignal weitergeleitet wird

Eine Forschungsgruppe um Prof. Hanns Ulrich Zeilhofer vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Zürich hat nun einen neuartigen Weg entdeckt, um Juckreiz zu lindern. Mit einem experimentellen Arzneimittel konnte sie die Wirkung bestimmter Nervenzellen im Rückenmark verstärken, welche die Weiterleitung von Juckreizsignalen ins Hirn hemmen.

Lokalisiert und beschrieben hatten die Wissenschaftler diese Nervenzellen bereits vor drei Jahren (vgl. Medienmitteilung). In der Zwischenzeit konnten sie mithilfe von genetischen Mausmodellen zwei spezifische Rezeptoren identifizieren, über die sich die Wirkung der besagten Nervenzellen im Rückenmark steuern lässt. Sie gehören zu einer grösseren Rezeptorfamilie, die vom Botenstoff γ-Aminobuttersäure, besser bekannt als GABA, aktiviert wird. Über diese GABA-Rezeptoren wirken zum Beispiel Benzodiazepine, Medikamente, die bei Schlaflosigkeit, Angststörungen oder Epilepsie eingesetzt werden.

Weniger Kratzen und schnellere Heilung

Der experimentelle Arzneistoff, den die Forscher in ihrer Studie einsetzten, entfaltet seine Wirkung an den beiden identifizierten Rezeptoren und wurde ursprünglich als angstlösendes Medikament entwickelt. In Experimenten konnten die Pharmakologen zeigen, dass er nicht nur akuten Juckreiz unterdrückt, sondern auch bei ekzemartigen Veränderungen der Haut und entsprechenden chronischen Juckbeschwerden wirkt.

Mäuse, die den Arzneistoff verabreicht bekamen, kratzten sich weniger und ihre Hautveränderungen verheilten deutlich schneller als bei Tieren, die mit Plazebo behandelt wurden. Dieselbe juckreizlindernde Wirkung zeigte sich auch in Versuchen mit Hunden, welche die Forschenden in Zusammenarbeit mit dem Tierspital der Universität Zürich durchführten. Das Medikament erzeugte keine unerwünschten Nebenwirkungen.

Potenzial für Mensch und Tier

Die Ergebnisse der Studie stimmen Hanns Ulrich Zeilhofer zuversichtlich: «Sie lassen hoffen, dass die Substanz, die wir getestet haben, auch beim Menschen wirkt.» Gleichzeitig sind die Erkenntnisse für die Tiermedizin wertvoll, denn, so Zeilhofer: «Haushunde leiden wie Menschen häufig an chronischem Juckreiz. Auch sie können also von einer neuen Therapie profitieren.»

Dass die Forscher Potenzial in ihrer Entdeckung sehen, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sie diese zum Patent angemeldet haben. Derzeit arbeiten sie mit Firmen zusammen, die daran sind, die Substanz als Arzneimittel für die Human- und Tiermedizin weiterzuentwickeln.

Literatur:

W. T. Ralvenius, E. Neumann, M. Pagani, M. A. Acuña, H. Wildner, D. Benke, N. Fischer, A. Rostaher, S. Schwager, M. Detmar, K. Frauenknecht, A. Aguzzi, J. L. Hubbs, U. Rudolph, C. Favrot and H. U. Zeilhofer. Itch suppression in mice and dogs by modulation of spinal α2 and α3 GABAA receptors. Nature Communications. August 13, 2018. DOI: 10.1038/s41467-018-05709-0

Quelle: Universität Zürich – UZH

author: GRR