Blog
23
10
2019

Philipp Pflieger, Björn Jensen - Laufen am Limit - Warum Marathon die größte Herausforderung für Läufer ist. - Cover: Edel Verlag, Hamburg

Nachlese zur Frankfurter Buchmesse: Neue Bücher aus dem Sport … Von Laura Dahlmeier, Philipp Pflieger bis zum Deutschen Buchpreisgewinner 2019, Sasa Stanisic

By GRR 0

Die Frankfurter Buchmesse ging am vergangenen Wochenende zu Ende … die Bücher bleiben.

Insgesamt rund 7.500 Aussteller aus 104 Ländern waren dieses Mal vertreten, darunter bereits zum vierten Mal der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) speziell mit seinem Bundesprogramm „Integration durch Sport“ (IdS), das in diesem Jahr sein 30-jähriges Jubiläum feiert.

Mit der Präsentation des DOSB auf der Messe sollte ein Anstoß zu der Frage gegeben werden, wie sich Ankommen und Zusammenleben in den vergangenen 70 Jahren verändert haben und ob der Begriff der Integration überhaupt noch die Lebenswirklichkeit vieler Menschen mit nichtdeutschen Wurzeln widerspiegelt, die teilweise in zweiter oder dritter Generation hier leben.

Nicht zuletzt ging es aber auch dabei um die Möglichkeiten, die sich dabei für den Sport bieten – oder noch grundsätzlicher: Was kann der Sport leisten, was andere nicht können? Damit bietet sich schon die Überleitung zum Sport an, und zwar speziell zu einem Ereignis, das fest in den Veranstaltungskanon der Frankfurter Buchmesse „integriert“ ist:

Die Verleihung des Deutschen Buchpreises 2019, mit dem der beste deutschsprachige Roman des Jahres ausgezeichnet wird, gehört nämlich zu den traditionellen Highlights während der Buchmesse. In diesem Jahr erhielt Sasa Stanisic (geb. 1978) den Preis für seinen Roman mit dem Titel „Herkunft“. In einer Begründung der Jury für diese Entscheidung heißt es: „Sasa Stanisic ist ein so guter Erzähler, dass er sogar dem Erzählen misstraut.

Unter jedem Satz dieses Romans wartet die unverfügbare Herkunft, die gleichzeitig der Antrieb des Erzählens ist“. Hat das alles was mit Sport oder gar mit Integration durch Sport zu tun? Ist vielleicht das Sportmotiv in den Roman integriert? Wer genauer zu lesen beginnt, stößt an einige Stellen, wo es um die sportliche Sozialisation des Erzählers bzw. Autors geht, der im ehemaligen Jugoslawien geboren wurde und seit 1992 in Deutschland lebt.

Gleich zu Beginn verrät er uns etwas über seine eigenen Vorlieben im Sport – ganz abgesehen davon, dass Sasa Stanisic, der inzwischen in Hamburg lebt, mittlerweile seine „Herkunft“ als Fan des Hamburger Sportvereins (HSV) bekennt. Als Kind war er noch Anhänger von Roter Stern Belgrad gewesen. Diese Mannschaft spielte 1991 im Viertelfinale des Pokales der Landesmeister gegen Dynamo Dresden: „Den Weg, selbst Fußballer zu werden und vom Roten Stern für 100.000.000.000 Dinar (die Inflation) gekauft zu werden, sah ich als wahrscheinlich an“, heißt es an einer Stelle in diesem biografischen Roman.

Später nach der Ankunft in Heidelberg wird der (Lieblings-) Ball ein anderer, und der wird (nur) auf bzw. in den Korb geworfen. Über seinen gleichaltrigen Freund Martek kommt Sasa zum Basketball: „1994 saß Vater das erste Mal bei einem meiner Basketballspiele im Publikum. Ich traf nur drei der sieben Freiwürfe. Drei Rebounds, davon keinen offensiven. Am Ende hatte ich mickrige acht Punkte auf dem Konto. Wir gewannen knapp“, so lautet dazu eine Referenzstelle auf Seite 208.

Und was ist sonst noch auf dem Sportbuchmarkt los?

Schwer zu sagen – denn: Wie viele Bücher auf der Messe gezeigt wurden und wie viele Sportbücher darunter waren und wie viele Titel nur zwischendurch mal vom Sport im weitesten Sinne handeln, darüber sind derzeit keine genauen Zahlen verfügbar. Vermutlich müsste man erst mal alle Bücher Seite für Seite lesen, um das verlässlich zu prüfen – egal, im Folgenden wird eine kleine Auswahl an Neuerscheinungen präsentiert ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Sie soll ein wenig die breite Palette der (sport-)literarischen Zugänge verdeutlichen, kann aber keinesfalls darüber hinwegsehen, dass der Sportbuchmarkt (wen wundert das?) nach wie vor vom Fußball dominiert wird.

Doch jetzt der Reihe und dem Alphabet nach:

Laura Dahlmeier & Freunde im Einsatz für die Natur: Die Klima Gang. Köln 2019: J.P. Bachem Editionen. 68 S.; 14,95 Euro

Dieses Buch ist für Kinder geschrieben. Daran hat eine prominente Sportlerin als Autorin „federführend“ mitgewirkt: Laura Dahlmeier (geb. 1993) ist zweifache Goldmedaillengewinnerin im Biathlon bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang 2018 und engagiert sich nicht erst nach Beendigung ihrer großen Karriere für den Umwelt- bzw. Klimaschutz. Ihr Premieren-Werk als Kinderbuchautorin (zusammen mit Christian Linker und Andreas Welter) handelt von Eisbär Finn und seinen Freunden Ali Aal, Biggi Biene und Kitty Kiebitz. Sie alle fühlen sich offenbar in ihrem Zuhause nicht mehr wohl, denn das Meer ist voller Plastikmüll, und am Nordpol schmilzt das Eis einfach weg. Ihr selbst gestellter Auftrag lautet: Wir müssen etwas dagegen tun!

Felix Hutt: Lucky Loser. Wie ich einmal versuchte, in die Tennis-Weltrangliste zu kommen. Berlin 2019: Ullstein extra. 240 S.; 14,90 Euro

Dieses Buch handelt von einer deutschen Tennis-Legende, deren Name selbst in Fachkreisen nicht allen gleich geläufig sein wird. Aber: Felix Hutt (geb. 1979) gehörte einst tatsächlich zu den besten Tennis-Junioren in unserem Land, erkannte jedoch bald, dass es zum ganz großen Aufstieg doch nicht reichen würde – bis er mit Ende 30 sein Idol Roger Federer mal wieder konzentriert im Fernsehen kämpfen sah. Daraufhin beschloss er sein Comeback – mehr noch: einmal seinen eigenen Namen in der Weltrangliste lesen. Ob es ihm tatsächlich gelungen ist? Bitte selbst beim Lesen herausfinden!

Andrea Löw: Happy Running. Laufend die Welt entdecken. Bielefeld 2019: Delius Klasing Verlag. 194 S.; 16,90 Euro

Dieses Buch handelt von der 45-jährigen Ausnahmeläuferin, die im Hauptberuf stellvertretende Leiterin des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte in München ist. Andrea Löw bezeichnet sich selbst als eine reisende Läuferin und als eine laufende Reisende. Denn auch wenn sie nur beruflich unterwegs ist, verbindet sie ihr Hobby mit der Forschung – ganz abgesehen von ihren zahlreichen Ultra-Läufen mit Distanzen von über 100 km, sei es in Namibia, am Polarkreis, in Marokko oder im Reisfeld beim „Ultra Asia Race in Vietnam“.

Philipp Pflieger mit Björn Jensen: Laufen am Limit. Warum Marathon die größte Herausforderung für Läufer ist. Hamburg 2019: Edel Books. 256 S.; 18,95 Euro

Dieses Buch widmet sich einmal mehr der Königsdisziplin unter den olympischen Laufdistanzen, diesmal aus der Perspektive des derzeit besten deutschen Marathonläufers Philipp Pflieger (Bestzeit 2:12:50 Std.).

Er war bester Deutscher bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio und möchte das im nächsten Jahr in Tokio wiederholen, vielleicht sogar zeitlich „am Limit“ steigern. Sein Buch besteht aus neun Teilen mit 42 Kapiteln. Diese sind überschrieben u.a. mit: Vorbilder, Das duale System, Olympia aus Fan-Sicht, Leistungssportreform, Emotionen und Sex, Doping, Social Media und schließlich kurz vor dem Ende mit „Leistungslimit“. In seinem Werk verrät er auch, warum er sich gegen eine Unterstützung durch den Deutschen Leichtathletik-Verband entschieden hat

Tonio Schachinger: „Nicht wie ihr“. Roman. Wien 2019: Verlag Kremayr und Scheriau. 304 S.; 22,90 Euro

Dieses Buch wird in den einschlägigen Feuilletons schon verglichen mit Textcollagen von Ror Wolf und dem Kultroman von Nick Hornby aus der Fanperspektive. Der Wiener Tonio Schachinger (geb. 1992) erzählt von einem österreichischen Fußballnationalspieler, der in der englischen Premiere League beim FC Everton gelandet ist. Dabei bedient der Autor auf der einen Seite so ziemlich alle Glitzer-Klischees, die zum Profidasein im Fußball dazugehören. Aber es gibt da auch noch eine andere Seite, und die wird mit den Begriffen Depression und Burnout krisenhaft dargestellt.

Peter Schultz: Ansgar Brinkmann. Die Straße holt sich den Fußball zurück. Göttingen 2019: Verlag Die Werkstatt. 192 S.; 16,90 Euro

Dieses Buch handelt von Deutschlands letztem Straßenfußballer. Der ist freilich längst in die Jahre gekommen, aber immer noch Kultfigur. Ansgar Brinkmann (geb. 1969) hat („erstklassig“) Fußball u.a. beim VfL Osnabrück, Eintracht Frankfurt, Arminia Bielefeld, Tennis Borussia Berlin und Dynamo Dresden gespielt. Seitdem hat er sich selbst immer wieder gern als einen „weißen Brasilianer“ bezeichnet. Der Autor Peter Schultz hat für den WDR deswegen die gleichnamige Kolumne erfunden. Jetzt ist mit viel Witz und Selbstironie daraus das Buch geworden, das man entweder selbst lesen oder sich daraus vorlesen lassen kann, zumal man laut Hinweis im Buch beide auch für eine Leserunde buchen kann…

Dietrich Schulze-Marmeling: Ausgespielt? Die Krise des deutschen Fußballs. Göttingen 2019: Verlag Die Werkstatt. 224 S.; 16,90 Euro

Dieses Buch ruft bei vielen düstere Erinnerungen wach – das ungewöhnlich schlechte Abschneiden der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr in Russland, wo das Team von Bundestrainer Löw schon in der Vorrunde ausschied und auch das düstere Drumherum zum negativen Resonanzboden wurde. Dietrich Schulze-Marmeling (geb. 1956), einer der renommiertesten und vielseitigsten deutschsprachigen Fußball-Autoren, sucht nach den Gründen (aus) der Krise. Am Ende lautet seine Diagnose sehr verkürzt etwa so: „Der deutsche Fußball benötigt einen neuen Reformschub, der vor allem bei jüngeren Kickern Kreativität und Spielfreude stärkt“ (aus dem hinteren Einbandtext).

Hans-Joachim Watzke & Michael Horeni: Echte Liebe. Ein Leben mit dem BVB. München 2019: C. Bertelsmann. 286 S.; 20,- Euro

Dieses Buch ist auf den ersten Blick eine Liebeserklärung („Echte Liebe“) für jenen Verein in der Bundesliga mit der größten Arena, verfasst vom Autorenduo „Aki“ Watzke (geb. 1959), seit 2001 Geschäftsführer von Borussia Dortmund, und Michael Horeni (geb. 1965), preisgekrönter Journalist und vielfacher Buchautor aus der Sportredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Auf den zweiten Blick ist das Buch ein Plädoyer für eine neue Ehrlichkeit im (Profi-) Fußball. Watzke formuliert und begründet aber auch Thesen wie: „Wir brauchen die Fans, unsere Gesellschaft braucht den Fußball“, erinnert an gemeinschaftsstiftende Momente im Fußball und mahnt die gesellschaftliche Verantwortung an, die für alle Profiklubs eine zentrale Aufgabe sein muss.

André Wiersig mit Erik Eggers: Nachts allein im Ozean. Mein Weg durch die Ocean‘s Seven. Kellinghusen 2019: Eriks Buchregal. 160 S.; 19,90 Euro

Dieses Buch ist ein eindrucksvoller Text-Bild-Band im eher ungewöhnlichen DIN-4-Querformat und schildert atemberaubend die anspruchsvollste Herausforderung im Open-Water-Schwimmen: André Wiersig (geb. 1972) aus Paderborn hat als erster Deutscher und als 16. Mensch überhaupt die sechs Ozeane unter schwierigsten Bedingungen durchschwommen. Das hat sechs Jahre gedauert und dazu gehörten: der Ärmelkanal, der Catalina Channel (Los Angeles), der Kaiwi Channel (Hawaii), der North Channel (Schottland), die Tsugaru Strait (Japan), die Cook Strait (Neuseeland) und die Straße von Gibraltar. Bei diesem langen Wasserweg hat ihn der in Handballkreisen bestens bekannte Historiker und Journalist Erik Eggers schreibend begleitet.

Am Ende noch ein Hinweis: Die Reihe der Lesetipps mit Neuerscheinungen aus dem Sport wird in Kürze speziell mit der Textsorte „Biografien“ von Sportlerinnen und Sportlern (u. a. von Dirk Nowitzki und Gerd Müller) fortgesetzt, deswegen fehlen diese Bücher hier.

Prof. Detlef Kuhlmann in der DOSB Presse

author: GRR