Symbolbild - Horst Milde
Nach dem Sieg bei Gent-Wevelgem: Der Radsport hat einen neuen Star – Raymond Poulidors Enkel Wout van Aert – Von KLAUS BLUME
WEVELGEM – Der internationale Radsport hat einen neuen Star: Wout van Aert. Am Sonntag gewann der 26jährige Belgier das klassische Eintagsrennen von Gent nach Wevelgem über 248 Kilometer, überlegen im Stil eines Eddy Merckx.
Nun gilt er auch als Top-Favorit für alle anderen großen Frühjahrs-Klassiker, ob Flandern-Rundfahrt oder Paris-Roubaix. Oder Lüttich-Bastogne-Lüttich.
„Für einen Flamen ist es etwas Besonderes, das Rennen von Gent nach Wevelgem zu fahren.“ Wout van Aert ist schließlich im urflämischen Herentals aufgewachsen, im Lande Till Eulenspiegels; dem entsprechend fühlt und denkt er. Fröhlich und nicht verbissen auf Siege ausgerichtet. Wenn es nicht klappt, dann eben ein anderes mal.
Was seine Mitstreiter im niederländischen Team Jumbo-Visma mittlerweile recht geduldig hinnehmen. Wie jüngst beim klassischen belgischen Eintagsrennen Kuurne-Brüssel-Kuurne. Da fuhr van Aert, ohne vorherige Absprache mit der Mannschaftsleitung und seinen Teamkollegen, urplötzlich 85 Kilometer vor dem Ziel allen auf und davon. Einen Kilometer vor dem Ziel hatte er dann keine Kraft mehr und wurde eingeholt. Was er dazu sage, fragte ihn hinterher das belgische Fernsehen und Wout van Aert antwortete: „Es war ein schöner Tag, denn mir hat es heute sehr viel Spaß gemacht.“
Und so etwas sagt jemand ausgerechnet in einer Zeit, in der im Profi-Radsport fast nur noch über die Steuerung von Wattwerten, über Kalorienaufnahme und Schlafenszeiten gesprochen wird. Wout van Aert mag diese zur Schau getragene Ernsthaftigkeit nicht und erinnert in solchen Gesprächen deshalb gern an seinen verstorbenen französischen Großvater Raymond Poulidor – dreimal Zweiter der Tour de France – der zwar selten taktisch raffiniert aber mit viel persönlichem Einsatz fuhr.
Dann sagt Wout van Aert nämlich: „Noch heute ist Großvater populärer als jeder andere Rennfahrer.“ Und niemand widerspricht ihm.
Einer mit seinem Talent, wie er es ererbt hat, kann sich derartiges schließlich auch leisten. Immerhin gewann Wout van Aert voriges Jahr nicht nur zwei Tour-Etappen, sondern auch die Silbermedaille bei der Straßen-WM. Trotz dieser Erfolge blieb er auch noch am Start der 83. Classiques Gent-Wevelgem dabei: „Für einen Flamen ist es etwas Besonderes, dieses Rennen zu fahren.“ Ein Rennen über 248 Kilometer, über Kopfsteinpflaster und unbefestigte Feldwege – und das alles bei einem Südwestwind, der zwischendurch urplötzlich zum Sturm ausartete.
„Wäre es anders, wäre es doch nur ein perfektes Schachspiel auf Fahrrädern“, hatte einst Tom Boonen, der dreimalige belgische Sieger von Gent-Wevelgem erfahren. Deshalb, so Wout van Aert, fahre man als Flame schließlich auch solche Rennen.
Und nicht, um damit irgend jemanden zu imponieren. Oder am Ende zu siegen. „Das“, sagt der Enkel von Raymond Poulidor, -“ist schließlich eine ganz andere Sache.“
Eben.
Klaus Blume
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